Am Samstagmittag um 11:00 Uhr hatte Paul Di Resta noch seine Hemden vor dem erwarteten Auftritt als TV-Experte gebügelt, nur drei Stunden später saß er selbst im Formel-1-Auto. Der Schrotte gab in Ungarn ein völlig überraschendes Comeback in der Königsklasse, nachdem er kurzfristig als Williams-Ersatzmann für den kranken Felipe Massa einspringen durfte.

Komplett ohne Vorbereitung warf ihn der britische Rennstall ins kalte Wasser; in diesem Fall das Qualifying. Bei seinen allerersten richtigen Runden in einem Formel-1-Rennwagen mit Power Unit qualifizierte sich Di Resta nicht einmal wie erwartet als Letzter. Es gelang dem etatmäßigen DTM-Piloten, Sauber-Fahrer Marcus Ericsson hinter sich zu lassen.

Sieben Zehntel langsamer als Stroll

Di Resta fuhr im Qualifying genau elf Runden, darunter fünf gezeitete. Auf seinem letzten Run gelang ihm eine persönliche Bestzeit von 1:19.868 Minuten - knapp eine Hundertstelsekunde schneller als Ericsson. Di Restas Referenz, Teamkollege Lance Stroll, war auch nicht meilenweit entfernt. Der Kanadier umrundete den Hungaroring rund sieben Zehntel schneller.

"Ich war nervös und besorgt", schilderte Di Resta seinen Gefühlszustand kurz vor dem Qualifying. Erst während des 3. Trainings am Samstagmorgen hatten Massa und Williams entschieden, dass es für einen Einsatz nicht reicht. Di Resta, der auch das Rennen am Sonntag bestreiten wird, weiter: "Du bist nicht sicher, wie deine Fähigkeiten sein werden. Aber um ehrlich zu sein, fühlte ich mich recht wohl im Auto."

Vergleich der Sektoren-Bestzeiten

FahrerSektor 1Sektor 2Sektor 3Persönliche Bestzeit
Lance Stroll 28.126 28.472 22.465 1:19.102
Paul Di Resta 28.521 28.794 22.553 1:19.868

Kein Neuland

Für die Resta ist die Formel 1 kein Neuland. Zwischen 2010 und 2013 fuhr er 66 Grands Prix für Force India, bevor er in die DTM zurückkehrte. Aber ein F1-Auto der aktuellen Generation samt Power Unit, breiten Reifen und viel Aerodynamik kannte er bis dato nur aus dem Simulator. "Sofort ins Qualifying zu starten, ist die schwerste aller Prüfungen", sagte Di Resta. "Es ist eine große Aufgabe, das in vier Runden hinzubekommen. Aber ich hatte nicht erwartet, direkt so nah dran zu sein."

Zwar baute Williams für den wesentlich größeren Di Resta die Pedale und Sitzschale um, doch er musste die kompletten Setup-Einstellungen von Vorgänger Massa übernehmen. Und das in einem Auto, das in Ungarn bislang alles andere als stabil war.

Di Resta: "Ich habe alles übernommen, was Felipe bis zu diesem Punkt erarbeitet hatte. Die Bremsen-Einstellungen, das Setup und die Schalter am Lenkrad waren alles seine. Also kann man das natürlich noch optimieren. Aber ich habe noch eine Menge Platz nach oben, wenn ich den Speed und das Vertrauen ins Auto bekomme."

Umbauarbeiten in der Williams-Box für Paul Di Resta, Foto: Sutton
Umbauarbeiten in der Williams-Box für Paul Di Resta, Foto: Sutton

Kandidat als Mercedes-Ersatzfahrer

Di Restas Mini-Comeback könnte sich positiv für ihn auswirken, denn: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zeigte sich schwer begeistert von dessen Leistung. Sollte bei den Silberpfeilen einmal der gleiche Fall eintreten wie jetzt bei Williams, nannte Wolff nun Di Resta als Alternative für einen der beiden Stammfahrer. "Ich bin wirklich happy für Paul, denn das war entgegen aller Erwartungen", lobte der Mercedes-Chef seinen DTM-Schützling.

Williams-Technikchef Paddy Lowe war ebenfalls baff - auch angesichts der Gesamtsituation. In all den Jahren in der Formel 1 hatte er noch nie einen spontanen Fahrerwechsel im eigenen Team während eines Rennwochenendes erlebt. "Mit seiner erreichten Leistung muss er mein Fahrer des Tages sein", sagte Lowe. "Ein unglaublicher Job. Auch, wenn das Auto hier nicht so konkurrenzfähig ist wie es eigentlich sein sollte."

Laut Wolff sei Di Resta einmal als Referenzfahrer in einem 2014er Williams für Lance Stroll eingesprungen, ohne auf nähere Umstände einzugehen. Zuletzt durfte er bei der 40-Jahre-Feier von Williams ein paar Runden im 2014er Rennwagen des Teams in Silverstone drehen. Eine echte Vorbereitung sieht anders aus.

Den Ungarn Grand Prix kann der 31-Jährige nun nutzen, um sich wieder ins Rampenlicht des Formelsports zu fahren. "Mal schauen, wie er sich im Rennen schlägt", sagte Wolff. "Wenn das eine Wiedergeburt seiner F1-Karriere wäre, würde ich mich als Erster freuen."