Daniel Ricciardo machte beim Trainingsauftakt für den Großen Preis von Ungarn wahr, was Mercedes-Pilot Lewis Hamilton im Vorfeld bereits angekündigt hatte: Red Bull meldete sich am Freitag auf dem Hungaroring dank zwei Bestzeiten des Australiers an der Spitze der Formel 1 zurück. Doch damit nicht genug. Die Bullen scheinen auch in Sachen Rennpace in Budapest eine echte Gefahr zu sein. Die Longrun-Analyse sagt Mercedes und Ferrari beim letzten Rennen vor der Sommerpause eine harte Zeit voraus.

"Der Kurs sollte für die Red Bull gut sein, da es hier nicht so sehr auf die Leistung ankommt. Es wird also ein gutes Rennen zwischen den drei Top-Teams", hatte Hamilton noch vor der ersten Session in Budapest prophezeit. Am Freitag durfte er sich in beiden Trainings jeweils mit drei Zehnteln Rückstand auf die Bestzeiten von Ricciardo dann auch gleich mal hinter der Konkurrenz in Blau anstellen. In der Garage der Österreicher zeigte man sich von den Upgrades am RB13 angetan.

"Wir haben einige Aerodynamik-Updates mitgebracht, die zu funktionieren scheinen. Es hat sich heute eher wie eine B-Spec angefühlt", so Ricciardo, der seinen Teamkollegen Max Verstappen um sieben respektive fünf Zehntel hinter sich lassen konnte - und Hamilton damit in gewisser Weise noch einmal bestätigte, hatte dieser doch angekündigt, dass am Ende des Tages "immer noch der Fahrer den Unterschied macht." Während Ricciardo bei der Qualifying-Pace noch alleine die Red-Bull-Fahne im Kampf gegen Mercedes und Ferrari hochhalten musste, sah es auf den Longruns etwas anders aus.

Longruns auf Supersoft-Reifen

FahrerDurchschnittliche RundenzeitAbstandReifenalterSession
Daniel Ricciardo1:22,641 Minuten23FP2
Max Verstappen1:22,736 Minuten+ 0,095 Sekunden14FP2
Lewis Hamilton1:23,185 Minuten+ 0,544 Sekunden21FP1
Valtteri Bottas1:23,280 Minuten+ 0,639 Sekunden19FP1
Kimi Räikkönen1:23,569 Minuten+ 0,928 Sekunden21FP2

Ricciardo und Verstappen machen auf Supersoft die Pace

Auf dem Supersoft-Reifen markierten Ricciardo und Verstappen bei der Rennpace geschlossen die Spitze. Zwar hatte der Honigdachs mit einer durchschnittlichen Rundenzeit von 1:22,641 Minuten die Nase wieder vor dem Stallgefährten, mit lediglich 95 Tausendsteln Rückstand war dessen Pace auf dem Longrun aber deutlich konkurrenzfähiger als auf einer Runde. "Vielversprechend ist, dass wir die Pace vom Morgen auch am Nachmittag bei heißeren Streckentemperaturen halten konnten - und auch die Longruns waren stark", lautet das Fazit von Ricciardo, dessen Reifen bei seiner Simulation mit 23 Runden immerhin neun Runden älter waren als die von Verstappen.

Hinter den beiden Red Bull sortierte sich das Silberpfeil-Duo ein. Der Rückstand auf dem Supersoft-Reifen scheint jedoch beachtlich: Hamilton verlor etwa eine halbe Sekunde, Teamkollege Valtteri Bottas büßte noch ein Zehntel mehr ein. "Das war nicht gerade der einfachste Start ins Wochenende", konstatiert Hamilton, der ursprünglich erwartet hatte, dass der Hungaroring seinem F1 W08 besonders gut entgegenkommt. Das Reifenalter kann hier nicht die entscheidende Rolle gespielt haben, hatte Hamiltons Supersoft mit 21 Runden eine ähnlich hohe Laufleistung wie der von Ricciardo.

Andererseits spulten Hamilton und Bottas ihre Longruns auf Pirellis weichstem für Ungarn nominiertem Reifen schon im 1. Freien Training ab, während Red Bull sich diesem erst am Nachmittag annahm. Ricciardo und Verstappen stand zur Erhebung der Daten damit zweifelsohne eine sauberere Asphaltoberfläche zur Verfügung. Ebenfalls in der zweiten Session auf Supersoft unterwegs war Kimi Räikkönen im Ferrari. Da bei der Scuderia Arbeitsteilung herrschte und Vettel sich im FP2 um die Rennpace auf der Soft-Mischung kümmerte, war hier der Finne gefragt.

Auf den Bestwert von Ricciardo verlor er bei seinem Longrun im Mittelwert jedoch fast eine ganze Sekunde. Gerade im zweiten Training lief der SF70-H des Iceman offenbar nicht wirklich rund. "Wir haben ein paar Dinge ausprobiert, die nicht alle ideal funktioniert haben", so Räikkönen der sich bei seinen Runs zudem von den Unterbrechungen durch die Unfälle von Wehrlein und Palmer gestört fühlte: "Es war nicht einfach, das Programm durchzuarbeiten, wenn du andauernd unterbrochen wirst."

Der Große Preis von Ungarn verspricht einen Dreikampf zwischen Mercedes, Red Bull und Ferrari, Foto: Sutton
Der Große Preis von Ungarn verspricht einen Dreikampf zwischen Mercedes, Red Bull und Ferrari, Foto: Sutton

Red Bull ohne Longrun auf Soft-Reifen

Da das gesamte Feld für das Ungarn-Wochenende lediglich den Pflichtsatz Medium-Reifen einpackte und der Großteil der Fahrer sich diesem gleich im ersten Training entledigte, wurde neben dem Supersoft nur der Soft-Reifen für Longruns herangezogen. Hier beschränken sich die Simulationen im Renntrimm jedoch lediglich auf die drei WM-Kandidaten. Während Vettel für Ferrari die Soft-Mischung unter die Lupe nahm, waren für Mercedes sowohl Bottas als auch Hamilton unterwegs. Alle drei waren im 2. Freien Training auf Soft unterwegs. Bei Red Bull wurde gänzlich auf einen Longrun mit der Mischung verzichtet.

Möglicherweise aufgrund der am Nachmittag wärmeren Temperaturen zeigte der Soft-Reifen im Durchschnitt eine bessere Pace als der Supersoft. Bottas markierte mit einem Mittelwert von 1:22,049 Minuten die Spitze und war damit 0,592 Sekunden schneller als Ricciardo auf seinem Supersoft-Longrun. "Heute Morgen haben wir eine Asphalttemperatur von 39 Grad Celsius gemessen, nachmittags waren es bis zu 46 Grad Celsius", erklärt Pirelli-Manager Mario Isola. Die zweitschnellsten Zeiten auf dem Soft-Pneu legte Vettel mit einem Durchschnitt von 1:22,217 Minuten hin.

"Der Longrun war ganz gut und mit mehr Zeit im Auto habe ich mich immer wohler gefühlt", so Vettel, der mit seinen Zeiten immerhin 0,214 Sekunden schneller als Hamilton unterwegs war. Unter dem Strich war das gesamte Trio auf den Soft-Longruns schneller unterwegs als Ricciardo auf Supersoft. Fraglich ist aufgrund der fehlenden Red-Bull-Zeiten jedoch, ob von Ricciardo und Verstappen im Rennen auch auf dem Soft-Pneu eine Gefahr ausgeht. Zumindest im ersten Stint sollte Red Bull aber gut gewappnet sein, denn im Q2 dürften sich die meisten Piloten für den Supersoft entscheiden - zumindest wenn es nach den Daten von Pirelli geht: "Das Delta zwischen Supersoft und Soft beträgt etwa acht Zehntelsekunden", sagt Isola.

Longruns auf Soft-Reifen

FahrerDurchschnittliche RundenzeitAbstandReifenalterSession
Valtteri Bottas1:22,049 Minuten16FP2
Sebastian Vettel1:22,217 Minuten+ 0,168 Sekunden20FP2
Lewis Hamilton1:22,431 Minuten+ 0,382 Sekunden16FP2

Hält der Supersoft im Rennen durch?

Die entscheidende Frage lautet jedoch, wie lange der Supersoft-Reifen im Rennen hält. Durch die vielen Trainingsunterbrechungen traut sich Pirelli hier keine Prognose zu. "Am Nachmittag war es wegen den roten Flaggen nicht möglich, den Verschleiß zu ermitteln. Wir erwarten ein bis zwei Boxenstopps, aber das hängt vom Abbau der Supersoft-Reifen ab", gibt Isola zu Protokoll, der angesichts der gesammelten Daten nicht garantieren kann, dass es mit der weichsten Mischung keine Probleme geben könnte: "Wir haben heute keine Blasenbildung gesehen, aber andererseits haben wir nicht genügend repräsentative Runden, um sagen zu können, dass es im Rennen nicht passiert."

Force-India-Pilot Sergio Perez zeichnet im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com hingegen ein klareres Bild. "Jeder wird auf eine Einstopp-Strategie gehen, sodass es vielleicht zu einem Rennen wird, in dem jeder nur versucht den Reifen zu managen und so lange wie möglich zu fahren", so der Mexikaner. Bevor sich die Teams mit der Renntaktik beschäftigen können, müssen sie sich im Qualifying aber erst einmal eine entsprechende Ausgangslage sichern. Was den Kampf um die auf dem winkligen Hungaroring so wichtige Pole Position angeht, erheben gleich drei Teams Ansprüche.

"Wenn wir am Samstag diese Leistung wiederholen können, ist die Pole sicher in Reichweite", so Ricciardo, der 2014 bereits in Budapest gewinnen konnte. Während er glaubt, seine Performance vom Freitag lediglich konservieren zu müssen, sehen die Gegner die Notwendigkeit noch einmal nachzulegen. "Was die Balance angeht müssen wir noch ein bisschen tüfteln und finden, was das Auto braucht. Morgen müssen wir einen Schritt nach vorne machen", sagt Vettel. Ähnlich sieht es Hamilton: "Ich glaube, dass die Pace vorhanden ist. Wir müssen sie nur vor dem Qualifying herausholen."