Force India ist in der Formel-1-Saison 2017 bisher unangefochten Best of the Rest hinter den drei Top-Teams von Mercedes, Ferrari und Red Bull. Sergio Perez und Esteban Ocon überzeugen mit unbestechlicher Pace und einer noch stärkeren Konstanz. Schon 95 WM-Zähler hat die Mannschaft rund um Teameigner Vijay Mallya in der ersten Saisonhälfte sichergestellt - und es wäre sogar noch mehr drin gewesen. Der einstige Erzrivale Williams kann angesichts dieser Form nur neidisch auf den WM-Stand blicken. Dabei ist das Rezept für Force Indias Erfolg laut Mallya ein ganz simples.

"Wir glauben daran, dass wir Blut aus einem Stein pressen können", so die martialisch angehauchte Metapher Mallyas, der davon überzeugt ist, dass seine Truppe der Konkurrenz einzig und alleine ihren eisernen Willen voraus hat." Während andere nicht einmal die Anstrengungen unternehmen, es zu versuchen." Offenbar scheint das Geheimnis hinter Force Indias Erfolg also gar keins zu sein. Business-Mogul Mallya jedenfalls stellt klar, dass es nichts mit Geld zu tun haben kann.

"Ich denke, es ist ein Mythos, dass Geld alleine Performance kaufen kann", erklärt der Inder. Die Vorteile eines üppigen Budgets will er zwar gar nicht von der Hand weisen. "Natürlich ist die Entwicklungsrate schneller und du kannst mehr Optionen und Teile probieren und sie hinterher wegwerfen, wenn sie nicht funktionieren", wie er offen zugibt. Doch das macht für ihn letztendlich nicht den großen Unterschied. Denn gerade durch den Budget-Nachteil ist sein Team mehr oder weniger zur Effizienz verdammt.

"Über eine gesamte Saison hinweg geht es um die Fähigkeit zu entscheiden, auf welche Entwicklungsrichtung man sich fokussiert - anstatt zehn Dinge auszuprobieren und zu hoffen, dass eins davon funktioniert", so Mallya, der mit seinem Team eine klare Linie verfolgt. "Wir nehmen uns die Zeit zu entscheiden, was unserer Meinung nach funktionieren wird und dann konzentrieren wir uns darauf, dass es funktioniert." Wie erfolgreich dieser Ansatz ist, stellt Force India 2017 abermals unter Beweis.

Mallya: Wir könnten es mit den Top-Teams aufnehmen

Vergangenes Jahr fuhren Nico Hülkenberg und Sergio Perez stolze 173 Punkte für das Team ein. Nach zehn Rennen hatte Force India in der Saison 2016 aber gerade einmal 73 davon eingefahren. In diesem Jahr kommen Perez und Ocon kurz vor der Sommerpause bereits auf 95 Punkte. "Letztes Jahr haben wir besser performt als unsere Gegner, womit ich insbesondere Williams meine. Dieses Jahr sind wir sehr konstant und haben fast jedes Rennen Punkte geholt", hält Mallya fest, der einigen verpassten Resultaten etwas nachtrauert.

"In Monaco hat uns das Glück gefehlt. Ohne den Platten wäre Esteban Siebter geworden und Checo hatte schon einen Punkt sicher, als er sich dazu entschied, noch mehr Plätze gutmachen zu wollen", so der 61-Jährige, dem nur ein Rennen noch schwerer im Magen liegt als Monaco. "Natürlich weiß jeder, was in Baku passiert ist", spricht er auf die teaminterne Kollision zwischen Ocon und Perez an, die dem Team einen möglichen Sieg kostete: "Das wird sich hoffentlich niemals wiederholen."

Nachdem mit Platz vier 2016 das beste Gesamtergebnis der Teamgeschichte eingefahren wurde, wollte Mallya 2017 ursprünglich noch höher hinaus: Platz drei und damit gleichzeitig der Angriff auf eines der drei Top-Teams sollte es werden, doch diese Erwartungen konnte der VJM10 bisher noch nicht erfüllen. "Auf Platz vier zu bleiben ist zwar auch eine Leistung, aber als wir das Auto präsentiert haben, mussten wir uns die Latte etwas höher legen", erklärt er. Das Auto erfüllte die Erwartungen jedoch nicht: "Ich muss sagen, als wir es im Winter im Windkanal gesehen haben, dachten wir, dass es besser ist", gibt Mallya zu.

Andererseits weist er auch darauf hin, dass die Teams an der Spitze ähnliche Probleme haben. "Korrelationsprobleme passieren auch den großen und besten Teams", fügt er an. Im Vergleich zu diesen sieht er Force India durchaus als potentiellen Konkurrenten, sofern die Voraussetzungen vom Reglement her gegeben sind. "Im Verhältnis zu unserem Budget zeigt unsere Performance, dass du keine enormen Summen investieren musst", so Mallya, der nur zu gerne eine Budget-Obergrenze in der Königsklasse sehen würde: "Wenn die Chancengleichheit gewährleistet ist, denke ich, dass wir um die Top-3 kämpfen können. Wir haben das Talent und die Einsatzbereitschaft."

Vijay Mallya glaubt, dass Force India unter den richtigen Voraussetzungen gegen Mercedes kämpfen kann, Foto: Sutton
Vijay Mallya glaubt, dass Force India unter den richtigen Voraussetzungen gegen Mercedes kämpfen kann, Foto: Sutton

Freude über gesunden Wettbewerb zwischen Perez und Ocon

Talent und Einsatzbereitschaft zeigt Force India mit Perez und Ocon auch auf der Strecke. Nachdem Hülkenberg das Team nach vier Jahren in Richtung Renault verlassen hatte, war es ungewiss, ob es auch 2017 mit einem schlagkräftigen Duo auftrumpfen können würde. Die Befürchtung, dass Perez die Kohlen alleine aus dem Feuer holen muss, bewahrheitete sich jedoch nicht. "Ich bin sehr froh, dass wir Esteban ausgewählt haben. Wir hatten nach Nicos Abschied keine andere Wahl, als einen Youngster zu nehmen", erklärt Mallya.

Im Qualifying-Duell liegt der Franzose gegen Perez zwar mit 1:9 zurück, doch in der Gesamtwertung fehlen ihm lediglich neun Punkte auf den erfahrenen Mexikaner. "Ich war positiv davon überrascht, wie schnell er auf Speed kam und seine Lernkurve anstieg. Er fühlt sich gut im Auto und er pusht Checo, was mir sehr gefällt", freut sich Mallya, der sich über einen gesunden Wettbewerb innerhalb seines Teams freut: "Ich habe kein Problem damit, wenn sie gegeneinander fahren. Was in Baku passiert ist, war nur ein Missverständnis. Das ist Racing."

Mit 54 Zählern Vorsprung auf Williams wird Force India nach Budapest in jedem Fall als Vierter der Gesamtwertung in die Sommerpause gehen. Das Standing des Teams als Best of the Rest hinter den Top-Teams scheint bereits jetzt ungefährdet, doch Mallya betont, dass er sich keineswegs auf den Lorbeeren ausruhen will: "Unsere Priorität muss darauf liegen, nicht zu bequem zu werden und Platz vier sicherzustellen. Der Vorsprung scheint viel, aber ein paar schlechte Rennen und er ist weg."

Dank Perez und Ocon war Force India in der Saison 2017 bis auf Monaco in jedem Rennen in den Punkten, Foto: Sutton
Dank Perez und Ocon war Force India in der Saison 2017 bis auf Monaco in jedem Rennen in den Punkten, Foto: Sutton

Abwesenheit für Mallya kein Problem

Das Mantra und die Erfolge seiner Truppe will sich das Team-Oberhaupt aber keineswegs selbst andichten. "Eine Firma ist immer nur so gut wie ihre Mitarbeiter. Wenn ich mir etwas auf die Fahne schreiben kann, dann nur, dass ich die richtigen Leute eingestellt habe", bleibt Mallya bescheiden, der aufgrund eines in seinem Heimatland Indien gegen ihn laufenden Verfahrens Großbritannien seit anderthalb Jahren nicht mehr verlassen hat. Dementsprechend kann er seinem Team auch nur in Silverstone beiwohnen.

Als Mallya das ehemalige Jordan-Team als dritter Käufer nach Midland und Spyker zur Saison 2008 übernahm, war er zunächst fester Bestandteil an der Boxenmauer. Die unfreiwillige Abwesenheit macht ihm allerdings weniger aus, als die meisten Leute vermuten. "Es ist nicht so frustrierend, wie manch einer glauben möchte", hält er fest. Schließlich macht es für ihn keinen Unterschied, ob er die Rennen in seinem Kontrollzentrum zuhause oder direkt an der Strecke verfolgt: "Letztendlich schaue ich den Autos auf dem Bildschirm zu, ob ich jetzt an der Boxenmauer oder in der Fabrik oder sonst wo."

Zusammen mit dem stellvertretenden Teamchef Robert Fernley, Technikdirektor Andrew Green und Chief Operating Officer Otmar Szafnauer verfolgt er das Geschehen aus der Ferne und ist jederzeit über alles im Bilde. "Ich erhalte sämtliche Reports und sitze jede Woche mit Andrew zusammen. Wir unterhalten uns über die Entwicklung und haben Management-Besprechungen. Es ist wie eine professionell betrieben Firma und nicht wie ein Hobby", erklärt er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Auch der Mythos, dass er zuhause auf alle Daten von der Rennstrecke Zugriff hat, entspricht der Wahrheit: "Ja, die habe ich alle. Auf meinem Computer sehe ich alles, was sie auch am Kommandostand sehen." Seine Person wird hinsichtlich des Renngeschehens an der Boxenmauer aber ohnehin nicht gebraucht. "In all meinen Jahren am Kommandostand habe ich mich niemals in die Strategie eingemischt. Wir haben erstklassige Rennstrategen. Weder ich, noch Andrew, Otmar oder Robert machen das."

Eine Sache vermisst Mallya dann aber doch. "Ich vermisse natürlich die Atmosphäre bei Rennen wie Monaco. Wer würde da nicht dabei sein wollen? Auch Austin, Mexiko oder Singapur. All die schönen Plätze, wo man die Atmosphäre aufsaugen und Sponsoren und Gäste treffen kann", schwärmt der Inder, der, sofern es seine persönliche Situation eines Tages wieder zulassen sollte, bei ausgewählten Grands Prix das Geschehen auf jeden Fall wieder live vor Ort mitverfolgen will.