Groß waren die Hoffnungen McLarens, beim Österreich GP in Spielberg nach den ersten Saisonpunkten in Baku gleich die nächsten Zähler zu sammeln - und das dieses Mal mit beiden Autos. Denn: Nicht nur der Red Bull Ring sollte dem MCL32 mit Honda-Antrieb besser liegen als der Baku City Circuit oder auch der Circuit Gilles Villeneuve zuvor, noch dazu brachte der Motorenpartner wieder seine dritte Spezifikation der Power Units mit.

Schon in Baku hatte Honda die Spec-3 dabei, McLaren setzte sie allerdings nur im Training ein. In Qualifying und Rennen fuhr der Rennstall wieder mit der vorherigen Ausbaustufe, um die neue Version zu schonen, da das Rennen aufgrund von Gridstrafen ohnehin aussichtslos erschien. In Spielberg allerdings sollten die neuen Modelle endlich ihr Renndebüt feiern - doch auch in Österreich kam es dazu nur partiell.

Training: Trügerische Freude bei McLaren-Honda

Aber der Reihe nach. Groß war die Vorfreude, auch nach dem Trainingsfreitag sah bei McLaren und Honda noch alles ungewohnt rosig aus. "Vor allem sind wir zufrieden, dass wir heute keine Zwischenfälle hatten und das Auto ohne Probleme gelaufen ist. Das ist sehr gut", jubelte Yusuke Hasegawa nach den ersten beiden Trainings fast schon.

In puncto Performance könne er noch nicht so viel sagen, doch sehe er in jedem Fall einen Schritt nach vorne, so Hondas F1-Chef. Auch Chassis und Streckenlayout hätten jedoch sicherlich ihren Anteil an dem passablen Freitagsergebnis (Alonso P8, Vandoorne P12). "Aber mit Blick auf die Daten hat auch der Motor zur Verbesserung der Rundenzeiten beigetragen", sagte Hasegawa. Zu viel dürfe man aber nicht in den ersten Eindruck hineininterpretieren, mahnte der Japaner. Zumal man den großen Abstand auf die Top-Hersteller nur wenig verkürzt habe. "Wir müssen also noch mehr probieren", sagte Hasegawa. Man rechne sich aber gut und gerne Chancen auf Q3 aus.

Doch ist Honda nur eine Seite der Medaille. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich der McLaren-Standpunkt grundlegend von der Einschätzung Hondas unterscheidet. Aber nicht in Österreich: "Dieser Motor ist ein Performance-Schritt verglichen mit den Motoren, die wie zuvor verwendet haben", sagte Eric Boullier am Freitag. Ein Durchbruch sei es allerdings nicht. "Es ist einfach eine Evolution des Motors", ergänzte der McLaren-Renndirektor. "Aber ganz klar kommt mehr Performance aus dem Motor, sodass wie schneller fahren können und bessere Power haben."

Neuer Rückschlag: Alonsos MGU-H defekt

Dumm nur, wenn man diese nicht nutzen kann, weil die Zuverlässigkeit dann doch nicht mitspielt. Nicht lange nach den positiven Interviews am Freitag hatte sich die Lage bei McLaren-Honda nämlich einmal mehr in die falsche Richtung verkehrt. Von Freitag auf Samstag entdeckten die Ingenieure Probleme an der MGU-H der Power Unit in Fernando Alonsos McLaren. "Leider haben wir nach dem FP2 gestern ein Problem mit Fernandos MGU-H entdeckt und es war nötig, seine PU zurück zu Spec-2 zu wechseln, um Strafen zu vermeiden", berichtete Hasegawa am Samstag.

"Das war die neueste MGU-H, sodass wir sehr enttäuscht sind, dass wir einen Defekt hatten", klagte Hasegawa in bekannter Manier. "Wir hatten sie nach dem letzten Rennen schon upgedatet, aber es war nicht gut genug, sodass wie die Spezifikation weiter modifizieren müssen."

Nur warum gleich ein kompletter Wechsel? Hätte es nicht gereicht, nur die MGU-H zu wechseln? Ja, doch erschien es McLaren und Honda einfacher, das Aggregat komplett zu tauschen - auch aus Zeitgründen. Einziger Lichtblick für Alonso: Auch mit Spec-2 schlug sich der Spanier im Qualifying gut. "Wir hatten einen unerwarteten Motorwechsel und ich musste zurück auf die alte Spec gehen, sodass es gute Neuigkeiten sind, trotzdem auf P12 anzukommen und mich über das gesamte Quali hinweg konkurrenzfähig zu fühlen", schilderte Alonso.

"Das ganze Team arbeitet sehr hart, um unsere Situation zu verbessern. Jedes Rennen bringen wir Aero-Updates und wann immer neue Motoren-Specs. Wir bewegen uns definitiv nach vorne. Wir müssen aber noch immer unsere Zuverlässigkeit verbessern", forderte der zweifache Weltmeister.

Vandoorne, Hasegawa, Boullier: Gesamtfazit positiv

Teamkollege Stoffel Vandoorne erwischte indessen ein blitzsauberes Wochenende, konnte bis zum Ende mit Spec-3 durchziehen. Im Qualifying unterlag er Alonso trotz Power-Vorteils dennoch um eineinhalb Zehntel. Im Rennen fuhr Vandoorne von P13 auf P12, verpasste also einmal mehr die Punkte, während Alonso schon in Kurve eins aufgeben musste, nachdem ihn Daniil Kvyat torpediert hatte.

Entsprechend obliegt das Gesamtfazit zum neuen Spec-3-Aggregat einzig dem Belgier - und der zeigt sich angetan. "Das Wochenende war generell positiv, wir hatten keine Probleme - zumindest auf meiner Seite der Garage - und unsere Pace war in allen Sessions anständig", sagte Vandoorne. "Heute habe ich mich im Auto wohlgefühlt, leider hingen wir hinter ein paar Autos fest, ich hatte Dirty Air und es war uns unmöglich zu überholen. Deshalb denke ich, dass P12 ein bisschen enttäuschend ist", sagte der Belgier.

"Er hat ein solides Rennen gefahren, konnte aber das wahre Potential des Autos nicht zeigen, weil er das ganze Rennen in Dirty Air verbracht hat", bestätigte Boullier. "Schade, dass wir keine Punkte geholt haben. Das wäre heute möglich gewesen. Denn die Pace im Rennen war positiv. Die war sehr, sehr gut, sehr ermutigend", schilderte Vandoorne die verpassten Punkte.

Ohne die Strafe für das Ignorieren blauer Flaggen hätte sich daran auch nichts geändert, meint Vandoorne. "Wir hatten eine Strafe, aber wir mussten etwas probieren. Ich glaube nicht, dass das etwas am Ergebnis geändert hat", sagte Vandoorne. Diese Einschätzung erscheint zumindest fragwürdig, überquerte der Belgier die Ziellinie 15,9 Sekunden nach dem Zehnten, Lance Stroll. Die Durchfahrtszeit in der Boxengasse des Red Bull Rings beträgt 16,1 Sekunden.

In Sachen Fortschritt fällt das Österreich-Fazit insgesamt aber positiv aus. "Obwohl wir ein paar Probleme hatten, war die Atmosphäre im Team dieses Wochenende viel positiver. Wir haben uns in einer starken Position für Punkte gefühlt, beide Fahrer hatten sich gut qualifiziert und sind aus aussichtsreichen Positionen ins Rennen gegangen. Wir waren zufrieden mit unserem Setup", berichtete Hondas Hasegawa.

Zittern vor der nächsten Grid-Strafe

Doch könnte schon in Silverstone der nächste Belastungstest für die Beziehung McLaren/Honda folgen. Eine Motorenstrafe für Alonso beim McLaren-Heimrennen vermag Honda aufgrund des Defekts in Spielberg jedenfalls nicht auszuschließen. "Das ist ein Punkt, den wir noch bedenken müssen, es ist noch nicht entschieden", sagte Hasegawa. Es könne aber durchaus möglich sein, die neue Spec-3-PU mit einer älteren MGU-H zu kombinieren, um Strafen zu vermeiden. Für Alonso scheint dieses Thema indessen fast keine Rolle zu spielen, handele es sich doch sowieso nur um eine Frage der Zeit, bis es die nächste Strafe setze. Alonso: "Ich denke, dass wir bald sowieso eine Strafe bekommen, vielleicht in Silverstone oder eben in Ungarn, wir werden sehen."

Angesichts der Streckenlayouts jedenfalls erscheint eine Strafe in Silverstone sogar sinnvoller. Im engen Ungarn dürften sich McLaren die größeren Chancen bieten. "Wir haben dieses Wochenende gesehen, dass sich unser Auto in den Kurven sehr gut verhält", bestätigte Vandoorne. Dennoch müsse Silverstone nicht schlecht laufen. Kurven geben es dort ebenfalls reichlich, jedoch auch Geraden. "Aber schwer, da Vorhersagen zu treffen", sagte Vandoorne.

McLaren: Der Optimismus ist zurück

Ob Budapest, Silverstone oder X, Mut macht McLaren jedenfalls der Trend. "Zu Beginn der Saison hatten wir einen Rückschlag, aber ich denke, dass man jetzt sehen kann, dass wir zurück auf dem richtigen Weg sind, um zurück an die Spitze zu kommen, wo wir sein wollen", sagte Boullier in Spielberg. Das hört sich schon ganz anders an als die jüngsten Verbalattacken, etwa in Kanada.

Entsprechend scheint sich das Verhältnis zu Honda zumindest langsam wieder zu kitten. Allen Gerüchten um einen Wechsel zu Mercedes-Aggregaten erteilten in Österreich jedenfalls sowohl Boullier, Hasegawa als auch Toto Wolff klare Absagen. Hasegawa: "Klar haben wir diese Saison zu kämpfen. Wir sind frustriert und wir frustrieren Eric, aber das wird kein Grund sein, uns aus diesem Umfeld zurückzuziehen. Honda bekennt sich klar zu unseren Aktivitäten hier und wir werden alles versuchen, um uns aus dieser Situation zu befreien."