Bei Force India geht es seit Wochen rund. Erst die verweigerte Teamansage von Sergio Perez in Kanada, dann der direkte Crash zwischen ihm und Esteban Ocon in Baku. Auch an diesem Wochenende in Spielberg scheint der Mexikaner die Vorkommnisse noch nicht verdaut zu haben. Am Donnerstag wetterte er im Fahrerlager von Spielberg erneut gegen seinen jungen Teamkollegen.

"Esteban muss verstehen, was Racing bedeutet", sagte Perez. "Das bedeutet, gegen ein anderes Auto ein Rennen zu fahren - und nicht, dem anderen ins Auto zu fahren. Wenn dich der Teamkollege in die Mauer drückt, dann ist das nicht der richtige Weg. Ich erwarte, dass er intelligent genug ist zu verstehen, was er falsch gemacht hat und seine Einstellung ändert, damit das Team davon profitiert."

Ocon: Unfall-Schuld war 50/50

Ocon war nach dem Baku-Vorfall zur Teamfabrik von Force India gereist, um das Debakel dort im Detail zu besprechen. Während Ocon für Perez klar der Schuldige am Unfall ausgangs Kurve 2 war, soll der Franzose eine andere Botschaft seitens des Teams erhalten haben. "Wir kamen zu dem Schluss, dass es 50/50 war", sagte Ocon. "Es war nicht nur meine Schuld oder die von Sergio, sondern von uns beiden."

Deshalb erklärte Ocon in aller Deutlichkeit, dass er sein Verhalten nach den jüngsten Vorfällen nicht ändern werde. "Ich werde meine Einstellung nicht ändern", sagte er. "Das funktioniert für mich gut so seit Beginn des Jahres zusammen mit dem Team. Das einzige, was wir ändern werden, ist, vorsichtiger zu sein, wie wir gegen den Teamkollegen fahren."

Ocon reagiert auf Perez-Anschuldigung

Eine Teamorder soll es bei Force India weiter nicht geben, die Truppe will Perez und Ocon weiter frei gegeneinander fahren lassen. Klar ist aber, dass es unter keinen Umständen mehr zwischen den beiden krachen darf. "Natürlich werden wir weiter gegeneinander fahren", sagte Ocon. "Es bleibt ein großer Wettkampf zwischen uns die gesamte Saison lang. Vor allem, weil ich immer mehr Erfahrung sammele und wir auf Strecken fahren, die ich schon kenne."

Stichwort Erfahrung: Ocon blickt auf eine junge Karriere in der Formel 1 zurück, während Perez schon 125 Grands Prix auf dem Buckel hat. Vielleicht sei der Baku-Unfall eine Folge aus der mangelnden Erfahrung seines Teamkollegen gewesen, mutmaßte Perez. Vorwürfe dieser Art wies Ocon zurück. "Ich habe in der Formel 3 und GP3 mehr als 40 Rennen in Folge beendet", sagte er zu Motorsport-Magazin.com. "Ich denke also nicht, dass mir Erfahrung im Racing fehlt oder bei Zweikämpfen. Das ist alles dazu."

Perez: Ocon hat dem Team geschadet

Die Situation bei Überraschungs-Team Force India ist angespannt, das hat sich in den vergangenen Wochen herauskristallisiert. Das Team muss nun sehr darauf achten, dass die Stimmung nicht kippt. Vor allem Perez wurde nicht müde, Ocon als Schuldigen hinzustellen. "Ich hoffe, dass so ein Zwischenfall nicht mehr vorkommt und dass er lernt, welchen Schaden er dem Team zugefügt hat."

Nach dem harten Teamduell in Kanada hatten sich die beiden Teamkameraden ausgesprochen. Nach Baku war das zunächst nicht der Fall. Stattdessen zog es Ocon vor, die Dinge mit dem Team zu besprechen. "Ich denke, dass er eine starke Meinung hatte - und ich auch", erklärte Ocon. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass es nötig war, ihn nach Baku anzurufen. Ich wollte eher mit dem Team sprechen."

Sergio Perez beim Spielberg-Trackwalk mit seiner Truppe, Foto: Sutton
Sergio Perez beim Spielberg-Trackwalk mit seiner Truppe, Foto: Sutton

Kopf-Ab-Zeiten sind vorbei

Ocon versicherte, dass die Beziehung zu Perez sich nach Baku nicht verändert habe, es sei nicht angespannter als zuvor. "Es ist wichtig, dass wir teamintern professionell bleiben. Daran wird sich auch nichts ändern." Die direkten Angriff seines Teamkollegen hätten ihn auch nicht frustriert: "Du kannst heutzutage sagen, was du willst. Die Zeiten, in denen sie dir dafür den Kopf abgeschlagen haben, sind vorbei. Ich kann sagen, was ich will - und er kann das auch."

Doch es war nicht wenig, was sich Ocon von Perez verbal gefallen lassen musste. Unter anderem bezog sich der Mexikaner auf seine frühere Zusammenarbeit mit Nico Hülkenberg. Mit dem heutigen Renault-Piloten habe es vier Jahre lang nicht auf der Strecke gekracht. Perez: "Mit Nico gab es nie ein Problem. Das war auch intensiv. Aber nie in dem Ausmaß, unnötig ineinander zu crashen. Was in Baku passiert ist, ist aus Sicht des Teams völlig inakzeptabel."

Ocon: Muss nichts beweisen

Ob Perez' aggressive Herangehensweise an das Thema eine Art Psycho-Spiel ist, um den starken Ocon aus der Fassugn zu bringen - oder einfach nur die anhaltende Wut über den verpassten Podestplatz in Baku? In diesem völlig verrückten Rennen hätte er theoretisch sogar gewinnen oder zumindest beide Force India auf das Podium fahren können.

Äußerlich gab sich Ocon gelassen. Er habe seinen Platz in der Formel 1 verdient. Punkt. "Ich habe keine Angst und auch nicht das Gefühl, beweisen zu müssen, dass ich meinen Platz in der Formel 1 verdient habe. Ich mache im Moment einen guten Job, wir holen in fast jedem Rennen Punkte. Das Team ist zufrieden mit meiner Leistung und ich verspüre keinen Druck, jetzt irgendwas unternehmen zu müssen."

Esteban Ocon sieht die Schuld am Baku-Unfall bei 50/50, Foto: Sutton
Esteban Ocon sieht die Schuld am Baku-Unfall bei 50/50, Foto: Sutton

Diesmal zweimal nachdenken

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich beide Force Indias in dieser Saison noch häufiger auf der Strecke treffen werden. Es ist davon auszugehen, dass bei weiteren Kollisionen teaminterne Strafen ausgesprochen werden. Ein verhältnismäßig kleiner Rennstall wie Force India kann es sich auf die Dauer nicht leisten, Punkte aus eigenem Verschulden wegzuwerfen.

Die bisherigen Probleme sollten dazu führen, dass Perez und Ocon künftig anders gegeneinander fahren - zwar ohne Teamanweisung, aber mit den Vorfällen im Kopf. Ocon: "In Zukunft werden wir beide besser aufpassen, dass wir uns nicht berühren. Wir werden vorsichtiger sein als bei anderen Fahrern. Diesmal denkst du zweimal darüber nach, bevor du etwas unternimmst."