"Es kann doch nicht schon wieder derselbe Typ sein, er hat mich einfach voll getroffen", funkte ein aufgebrachter Kimi Räikkönen kurz nach Rennstart des Aserbaidschan GP in Baku 2017.

Derselbe Typ, das ist Valtteri Bottas. Gerade hatte der Mercedes-Pilot seinen Landsmann in Kurve zwei berührt, woraufhin der Ferrari in die Leitplanke rutschte, beschädigt wurde und einige Positionen verlor. Bottas ereilte indessen ein Reifenschaden, der ihm eine Runde Rückstand einhandelte.

Schon wieder? Ja, denn für Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas war es bei weitem nicht die erste unangenehme Begegnung in der Formel 1. Erst drei Rennen zuvor - und schon viel früher. Motorsport-Magazin.com mit einer Chronologie der Finnen-Clashes.

Russland 2015

Das war passiert: In Sochi gerieten Räikkönen und Bottas - damals noch im Williams - das erste Mal so richtig aneinander. Im Schlusssprint verschätzte sich Räikkönen im Kampf um Platz drei und kollidierte nach der langgezogenen Linkskurve in Sektor eins mit Bottas. Der schied aus, Räikkönen rettete sich als Fünfter ins Ziel, kassierte allerdings nachträglich eine Zeitstrafe von 30 Sekunden: P8.

Das sagte Kimi Räikkönen: "Ich bin rangefahren und habe es nochmals versucht. Ich weiß nicht, ob er mich nicht gesehen, oder nicht erwartet hat, dass ich vorbeifahre. Im letzten Moment habe ich gesehen, dass er nach innen zieht. Ich habe versucht, noch weiter nach innen zu gehen und härter zu bremsen, um es zu verhindern. Aber ich war schon direkt dran und es kam zur Berührung. Ich würde nicht sagen, dass ich etwas total Dummes versucht habe. Bei zwei involvierten Autos gibt es immer verschiedene Sichtweisen."

Das sagte Valtteri Bottas: "Ich kann nur sagen, dass ich deutlich vorne war und die Linie für die Kurve gesucht habe. Natürlich habe ich keinen Platz gelassen, schließlich kämpften wir um das Podium. In der Kurvenspitze hat er mich schließlich getroffen. Ich muss mir das Video nochmals ansehen, aber es fühlte sich nicht an wie ein normaler Rennunfall. Es hätte vermieden werden können - also das Auto hinter mir hätte es vermeiden können!"

Wer war Schuld? Kimi

Mexiko 2015

Räikkönens Hinterachse überlebt den zweiten Finnen-Crash der Saison nicht, Foto: Sutton
Räikkönens Hinterachse überlebt den zweiten Finnen-Crash der Saison nicht, Foto: Sutton

Das war passiert: Nur ein Rennen später die Revanche: Diesmal rammte Bottas Räikkönen aus dem Rennen. In Kurve vier versuchte es Bottas über die Außenbahn, kam damit in Kurve fünf fast neben Räikkönen und probierte, sich auf der Innenbahn vorbeizuquetschen - zu eng. Es knallte. Bottas traf den Ferrari an der rechten Hinterachse, Räikkönens Auto wurde ausgehebelt und rollte mit gebrochener Aufhängung aus, während Bottas sich erfolgreich den Weg auf das Podium freigeschoben hatte. Denn: Die Rennleitung untersuchte den Vorfall zwar, entschied allerdings auf Rennunfall.

Das sagte Kimi Räikkönen: "Wie soll ich es sagen? Es war ziemlich erwartet. Manche lassen Dinge passieren, andere nicht ... Vielleicht fühlt er sich nach Russland jetzt besser. Aber ich habe gegen niemanden etwas. Es verändert nichts (an unserer Beziehung, d. Red.). Es war einfach Racing. Natürlich war es knapp und wenn du ihn fragst, wird er sicher mich beschuldigen. Aber wenn du innen über den Kerb fährst, war da sicher genug Platz. Ich musste an einem Punkt auch irgendwann mal einlenken. Ich kann nicht einfach geradeaus fahren."

Das sagte Valtteri Bottas: "Es war eine heftige Berührung und es ist sehr unglücklich, dass wieder wir zusammengestoßen sind. Schade, das hätte nicht passieren müssen. Er hätte nicht so fahren müssen, ich hatte keinen Platz. Normalerweise kenne ich es so, dass in solchen Situationen genug Platz für zwei Autos ist, wenn du in eine Schikane fährst. Natürlich stecke ich nicht zurück, ich kämpfe um Positionen. "

Wer war Schuld? Valtteri

Spanien 2017

Das war passiert: Nach einem Jahr ohne Finnen-Crash blühte das finnische Inferno wieder auf: Anders als in Mexiko und Russland jedoch ließen sich die Finnen diesmal weit weniger Zeit. Bereits in Kurve eins war Feierabend. Valtteri Bottas hatte innen den Kerb zu hart mitgenommen und war in Räikkönen gerutscht. Der war nur noch Passagier, nahm auch noch Verstappen mit ins Aus. Nur Bottas konnte weiterfahren, fiel später jedoch mit Motorschaden aus.

Das sagte Kimi Räikkönen: "Ich hatte einen guten Start, aber dann hat mich Bottas auf der Geraden blockiert. Also habe ich gelupft und bin etwas nach links gezogen, um ihm Platz zu lassen. Aber - und ich weiß nicht wie es passieren konnte - er hat mich dann hinten rechts getroffen, mein Auto ist gesprungen und ich endete damit, in Verstappen zu rutschen und ein Rad zu verlieren. Ich bin ziemlich sicher, dass Valtteri genug Platz hatte. Es gab nichts, das Max oder ich hätten tun können - wenn du derart von hinten getroffen wirst, gibt es keine Möglichkeit die Kollision zu vermeiden."

Das sagte Valtteri Bottas: "In der ersten Kurve war es sehr eng. Ich hatte einen guten Start, aber ich hatte keinen Platz zum Ausweichen. Ich versuchte, die Kollision zu vermeiden, aber ich habe Kimi berührt."

Wer war Schuld? Valtteri

Aserbaidschan 2017

Bottas erwischte den Kerb und knallte in Räikkönen, Foto: Sutton
Bottas erwischte den Kerb und knallte in Räikkönen, Foto: Sutton

Das war passiert: Nur wenige Rennen später ließen sich Räikkönen und Bottas immerhin eine Kurve mehr Zeit bis zum nächsten Unfall. In Baku knallte ganz ähnlich wie in Spanien, diesmal in Turn zwei. Erneut hatte Bottas früh gebremst, dann den Innenkerb zu stark getroffen, wurde wieder ausgehebelt - direkt in Räikkönen. Der schied nach einem turbulenten Rennen schließlich mit einem Defekt aus während Bottas für die Kollision erneut mit einem Podium 'belohnt' wurde.

Das sagte Kimi Räikkönen: "Ich konnte nicht viel tun. Nach dem Start wurde ich in Kurve zwei von Bottas getroffen. Deshalb hat mein Heck die Mauer getroffen und ich hatte einen massiven Schaden am Auto, wir haben es aber noch geschafft, weiterzufahren. Ich weiß nicht, was er da gemacht hat. Er hat sehr früh gebremst - schon wieder. Ich denke, er hat dann gemerkt, dass er viel zu früh gebremst hat und hat die Bremsen wieder aufgemacht. Er kam dann viel zu schnell in Kurve zwei. Ich bin nur nach außen gefahren und wurde einfach von der Seite getroffen."

Das sagte Valtteri Bottas: "Schade, dass es wieder Kimi war. Aber wir haben eben um ähnliche Positionen gekämpft, es ist einfach Pech, dass es wieder wir sind. Aus meiner Sicht: Ich war innen, er dann natürlich außen. Er hat nicht später gebremst und ja, er war ein bisschen vorne, aber ich war innen, also ... innen hast du normalerweise die Linie. Ich dachte, mir gehört die Kurve, aber es hätte wieder für zwei Autos genug Platz sein sollen und er war ohnehin etwas vorne, hätte also seine Position vielleicht sowieso gehalten. Er ist in die Kurve eingelenkt, sodass für mich kein Platz blieb, als über den Kerb zu fahren. Für mich war es zu diesem Zeitpunkt keine Option, zurückzustecken. Ich war dann auf dem Randstein, das Auto ist gesprungen und ich konnte meine Linie nicht halten. Dumm gelaufen."

Wer war Schuld? Valtteri

Wenn Finnen ihren kühlen Kopf verlieren

Schon zwei neue Finnen-Crashes also nachdem sich Kimi Räikkönen einander gegenüber eine Saison lang anständig benommen hatten. Auffällig auch wie sich die Unfälle in den jeweiligen Jahren ähnelten. 2015 erfolgten beide Abschüsse im vollen Rennbetrieb - und das sehr ähnlich. 2016 dagegen bereits direkt nach dem Start - ebenfalls sehr ähnlich.

Dass es bereits am Start geknallt hat, liegt vor allem schlicht und ergreifend daran, dass Bottas und Räikkönen jetzt beide in Top-Autos sitzen, sich also am Rennstart im Grid bereits meist sehr nahe sind. Doch damit nicht genug: Noch dazu dürfte eine gehörige Portion Druck kommen, Resultate liefern zu müssen. Immerhin steht das Finnen-Duo dank ihrer Spitzen-Boliden und extrem schnellen Teamkollegen sehr in der Öffentlichkeit, die Erwartungen sind groß, beide haben noch keinen Vertrag für 2018 und sind im WM-Kampf bereits früh in der Saison unter Zugzwang.

Da kann es selbst entgegen der typisch finnischen Coolness im Eifer des Gefechts schon einmal überhitzen. "Valtteri ist ein echter Finne, Iceman Nummer sieben. Er bewahrt einen kühlen Kopf. Sein Ansatz war bisher sehr gut", sagte die finnische Reporter-Legende Heikki Kulta noch vor Saisonstart im Interview mit Motorsport-Magazin.com. Ganz so kühl ist es inzwischen offensichtlich doch nicht mehr - zumindest bei Bottas. "Vier Jahre, 77 Rennen mit Williams ohne zu gewinnen, machen ihn nur noch hungriger. Mit dieser Motivation und Erfahrung kannst du es schaffen", ergänzt Kulta damals. Nachsatz: "Wenn du gut genug bist."

Expertengespräch: So stark sind Bottas und Räikkönen 2017 (05:22 Min.)

Räikkönen: Wie haben nichts gegeneinander

Doch auch Räikkönen macht seinem Spitznamen 'Iceman' nur wenig Ehre. In dieser Saison allerdings nie durch überhitzte Aktion im Rennen, wohl aber durch derbe Funksprüche. In Baku etwa setzte es wieder ein langes Pieeep als sich der Finne darüber aufregte, dass Bottas erneut keine Strafe kassiert hatte, gefolgt von einem "Dumm". Aber gut - das geht noch als normale Emotion beim Rennfahren durch.

Ohnehin: Haben sich die Finnen wieder beruhigt hegen sie ohnehin keinen Groll gegeneinander. "Immerhin hat ein Finne gewonnen, wenigstens das ist gut. Die Leute glauben immer, wir hätten etwas gegeneinander, weil wir ein paar Mal aneinander geraten sind. Aber das ist nicht so. Ich freue mich für Valtteri, der sein erstes Rennen gewonnen hat. Ich bin sicher, er wird eine strahlende Zukunft haben", sagte Räikkönen etwa nach Bottas' erstem F1-Sieg in Russland voller Anerkennung. Allerdings: Das war noch vor Spanien und Russland ...