Mit dem achten Startplatz hat Lance Stroll in Baku nicht nur sein bisher bestes Qualifying-Resultat in der Formel 1 eingefahren, sondern nach sieben Niederlagen auch erstmals seinen Teamkollegen Felipe Massa überflügelt. Der 18-Jährige lieferte am ersten Rennwochenende nach seiner Punkte-Premiere in Montreal von Anfang an eine fehlerfreie Vorstellung ab war voll bei der Musik. Das Erfolgserlebnis beim Heimrennen war allerdings nicht der einzige Grunde für diesen Quantensprung.

Fünf Hundertstelsekunden sorgten im Q3 dafür, dass Stroll erstmals in seiner F1-Karriere vor dem Teamkollegen ins Rennen gehen wird. Im teaminternen Duell steht es damit 7:1 für Massa, doch vollends zufrieden war Stroll über seinen ersten Punktsieg gegen den Routinier nicht. "Ich habe es im Q3 nicht perfekt hinbekommen. Ich denke, da wäre mehr möglich gewesen, da ich im Vergleich zu meiner Runde im Q2 vier Zehntel langsamer war", so der Youngster.

Dass er allerdings überhaupt mal in die Nähe des Stallgefährten kam, nachdem er bisher für gewöhnlich schon nach dem Q1 Feierabend machen durfte, kam nicht von ungefähr. Wie schon bei den Vorbereitungen für seine Debütsaison in der Formel 1, war Stroll zwischen dem Grand Prix von Kanada und dem Rennen in Aserbaidschan bei einem Privat-Test mit einem Williams FW36 unterwegs. "Er war letzte Woche in Austin, um das 2014er Auto zu fahren", erklärt Williams' Paddy Lowe.

Nachdem bei Strolls Performance in den ersten sieben Saisonrennen kaum Fortschritte sichtbar waren, setzte die Williams-Mannschaft noch einmal bei den Basics an, um dem Rookie auf die Sprünge zu helfen. "Wir haben ein paar Experimente mit dem Setup gemacht und uns einige Unterschiede zwischen seinem und Felipes Setup angeschaut. Einiges davon haben wir hier nun umgesetzt und ich denke, das bringt ihn in eine bessere Position", fügt Lowe an.

Stroll scheint nicht nur vom Montreal-Ergebnis beflügelt zu sein, Foto: Sutton
Stroll scheint nicht nur vom Montreal-Ergebnis beflügelt zu sein, Foto: Sutton

Stroll: Waren vom Weg abgekommen

Obwohl der drei Jahre alte Bolide mit dem aktuellen Einsatzfahrzeug nur wenig gemeinsam hat, ging es laut Lowe bei den Tests um prinzipielle Eigenschaften eines Formel-1-Autos. "Es ging nur um Fahrzeit. Sie hatten den ganzen Tag Zeit, um einige Experimente mit den Reifen zu unternehmen und ein Programm abzuspulen. Es sind generelle Setup-Richtungen" so Lowe. Die Erkenntnisse ließen sich so offenbar Problemlos auf den FW40 ummünzen. "Ich beginne, das Auto besser zu verstehen und Richtungen einzuschlagen, wie zu Beginn des Jahres", erklärt Stroll.

Nach der anfänglichen Lernkurve stagnierte Stroll, denn der Abstand zu Massa blieb Wochenende um Wochenende gleich. "Wir waren von diesem Weg abgekommen und jetzt sind wir zurück. Ich habe viel mehr Selbstvertrauen mit der Balance und dem Setup", so Stroll weiter. Der amtierende Meister der Formel 3 Europameisterschaft konnte diese Fortschritte laut Lowe während der Rennwochenenden nicht machen: "Das Problem an einem Freitag ist, dass du nur begrenzt Zeit und Reifen hast. Außerdem ist es oft nicht derselbe Reifen, dann verändert sich die Strecke sehr schnell. Es ist ein großer Vorteil, in der Lage zu sein einen ganzen Tag damit zu verbringen, an etwas zu arbeiten."

Diesen Vorteil genoss Stroll allerdings nicht nur am 14. Juni bei seinem Test in Austin. Laut Team verbringt der Neuling mit dem 2014er Boliden bis Ende der Saison zwischen jedem Formel-1-Wochenende einen Tag auf einer Rennstrecke, auf der er zuvor noch nicht gefahren ist. Der Test auf dem Circuit of the Americas scheint dementsprechend besonders effektiv gewesen zu sein. "Das Setup gibt dir mehr Selbstvertrauen und du kannst das Auto dadurch so fahren, wie du es willst. Ich denke, letztendlich ist es eine Kombination aus der Zusammenarbeit von allen. Die Ingenieure geben mir andere Informationen und bessere Informationen, und ich sammle einfach mehr Erfahrung mit den Reifen", erklärt Stroll.

Wissenswertes über den Baku GP (00:52 Min.)

Massa nach Qualifying-Niederlage ratlos

Ohne Selbstvertrauen schien Felipe Massa im Qualifying unterwegs zu sein. Der Vizeweltmeister von 2008 führte mit seinem FW40 von Anfang an einen wilden Ritt auf und kam den Betonmauern mehrmals gefährlich nahe. "Wegen dem schlechten Grip haben meine Vorderräder blockiert und ich hatte nicht die Haftung, die ich brauche, um die Kurven richtig zu attackieren. Das habe ich dann aber trotzdem versucht", erklärt der Brasilianer seine beinahe-Unfälle. Während Stroll mit den Reifen im wahrsten Sinne des Wortes warm wurde, war dies bei Massa nicht der Fall: "Das Auto war für mich auf angefahrenen Reifen sogar besser als auf neuen."

Von der Leistung des Teamkollegen zeigte er sich aber positiv überrascht. "Ich denke, er hat einen guten Job gemacht. Ich bin wirklich zufrieden damit, wie er sich dieses Wochenende anstellt. Er ist konkurrenzfähig und versteht das Auto viel besser. Das ist gut für das Team", so der 36-Jährige, für den auch das Ergebnis des Kanada GP eine Rolle spielt: "Sein Resultat aus Montreal hilft ihm, die Sache ruhiger anzugehen." Allerdings hat Massa offenbar auch selbst einen Teil zu seiner Baku-Niederlage beigetragen.

Der ehemalige Ferrari-Pilot zeigte sich bei der Zusammenarbeit mit Stroll von Beginn an kooperativ. In Aserbaidschan soll es laut Massa ein Setup "ähnlich dem meinen" sein, welches dem Kanadier zu seinem bisher besten Startplatz in der Formel 1 verholfen haben soll. Von Missgunst war bei Teamplayer Massa nach seiner ersten teaminternen Niederlage allerdings keine Spur. Er haderte hauptsächlich mit seinen eigenen Balance-Problemen. "Er hat die Reifen heute einfach besser ans Arbeiten gebracht als ich. Für mich wäre vielleicht eine Vorbereitungsrunde der richtige Weg gewesen, aber wegen der roten Flagge kam es einfach nicht zusammen."