Ein Lewis Hamilton in Höchstform ist nur schwer zu bezwingen. Egal ob Qualifying oder Rennen, hat sich der dreimalige Weltmeister mit seinem Silberpfeil auf eine Rennstrecke eingeschossen, kommt an ihn fast niemand heran. 2016 erlebte er im WM-Duell mit Rosberg auf den Straßenkursen in Baku und Singapur jedoch zwei völlig verkorkste Wochenenden, an denen er kaum wiederzuerkennen war. Am kommenden Wochenende muss sich Hamilton beim Grand Prix von Aserbaidschan erstmals in diesem Jahr wieder einem seiner Endgegner im Rennkalender stellen.

Platz fünf und 56 Sekunden Rückstand auf Sieger Nico Rosberg: So lautete 2016 Hamiltons Resultat beim Premierenrennen der Königsklasse auf den Straßen Bakus. Dabei hätte mit dem alles dominierenden Mercedes F1 W07 selbst an einem schlechten Tag der zweite Platz hinter dem Stallgefährten drin sein müssen. Der Grund für Hamiltons Versagen an diesem Wochenende war keinesfalls die mangelnde Zuverlässigkeit seines Boliden, unter welcher er im vergangenen Jahr regelmäßig litt. Der Brite war mit dem 6,003 km langen Straßenkurs schlichtweg maßlos überfordert.

Schon im Qualifying kam Hamilton auf keinen grünen Zweig. Nach Verbremsern in Q1 und Q2 landete der Mercedes mit der Startnummer 44 im letzten Segment in Kurve 11 in der Leitplanke. Das bedeutete den Rückweg an die Box zu Fuß und Startplatz zehn für das Rennen. "Lewis ist so angepisst, er kann es gar nicht glauben", gab Niki Lauda damals im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com zu Protokoll. Hamilton war bei dem Versuch verzweifelt, in einen Rhythmus zu kommen und eine schnelle Runde aus seinem Mercedes herauszuquetschen.

Baku calling! Vorfreude auf das Rennen 2017: (02:13 Min.)

Hamilton im Kreuzfeuer

Nach der Qualifying-Klatsche musste er sich von einigen Seiten dann noch den Vorwurf gefallen lassen, zu viel gewollt zu haben - denn eine 'banker lap' hätte ihn aller Wahrscheinlichkeit nach weiter nach vorne gebracht. Ein Option war diese Vorgehensweise für den ehrgeizigen Hamilton jedoch nicht gewesen: "Offensichtlich nicht. Ich habe es nicht in Betracht gezogen, sonst hätten wir es ja gemacht. Du fährst nicht langsamer, um in den Rhythmus zu kommen", lautete seine Erklärung gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Besonders pikant wurde Hamiltons Debakel dadurch, dass er vor seinem ersten Auftritt in Baku noch sehr offenherzig zu Protokoll gegeben hatte, dass er im Gegensatz zu Teamkollege Rosberg den Mercedes-Simulator nicht zur Vorbereitung genutzt hatte. Auch den Trackwalk sparte er sich. In den Trainings konnte er zwar zwei Bestzeiten erzielen, auf die Pleite im Zeittraining folgte im Rennen gleich die nächste Katastrophe: Falsche Motoreinstellungen am Mercedes bremsten Hamilton und Rosberg ein. Während Rosberg das Problem sofort lösen konnte, mühte sich Hamilton rundenlang ab und motzte im Funk.

Hamilton und Baku: Wird 2017 alles besser?

Die Quälerei mit den Motormodi hatte Hamilton seit Baku 2016 offenbar nicht mehr, schwache fahrerische Darbietungen gab es danach allerdings schon. In der zweiten Saisonhälfte legte er in Singapur ein ähnlich holpriges Qualifying hin und fuhr im Rennen der Spitze hinterher - genau wie 2017 in Russland und Monaco. Zwei Mal fehlte ihm am Samstag in diesem Jahr komplett der Rhythmus. Beim Versuch eine schnelle Runde zu erzwingen, reihte er erneut einen Fehler an den anderen. Hamilton selbst sagte über Sochi, es sei sein schwächstes Wochenende seit Baku gewesen. Doch während er in Baku das Versagen auf seine Kappe nahm, waren die Gründe dieses Jahr laut Fahrer und Team andere.

Hamilton brachte die Ultrasoft-Reifen nicht ins Arbeitsfenster. Mercedes' Erklärung: "Das Auto war einfach nicht schnell genug für seinen Fahrstil", so Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda. Wenig später in Monaco scheiterte er wieder an der weichsten aller Pirelli-Reifenmischungen. "Es ist ein Reifenproblem", erklärte Hamilton nach seinem Aus in Q2 im Fürstentum. Auf dem Supersoft erledigten sich die Probleme am Rennsonntag fast wie von selbst.

Hamilton machte nach dem zweiten Pleiten-Wochenende in der ersten Saisonhälfte allerdings deutlich: "Natürlich kann ich mir nicht noch so ein Wochenende leisten." In Montreal zeigte er, dass er auch auf dem Ultrasoft-Reifen Poles und Siege einfahren kann. "Ich denke, wir haben in Monaco und in Kanada sehr viel gelernt", so der 32-Jährige, der nach dem jüngsten Aufwärtstrend davon überzeugt ist, dass das Team die Kurve bekommen hat: "Wir haben wirklich verstanden, wo wir Fehler gemacht haben und wo das Auto seine Fehler hatte und weshalb wir die Reifen nicht ans Arbeiten gebracht haben."

Angesichts der momentanen Form von Mercedes und Hamilton stehen die Chancen gut, dass sich das schwache Baku-Wochenende aus dem Vorjahr nicht wiederholt. Zumal Pirelli auf dem Straßenkurs am Kaspischen Meer den Supersoft als weichste Reifenmischung nominiert hat. Um den Baku City Circuit zu bezwingen, wird Hamilton allerdings auch an sich arbeiten müssen - schließlich war er letztes Jahr ganz alleine für seine Misere verantwortlich.