"Ich hatte zuletzt sehr viele Enttäuschungen. Das gehört wohl zum Racing dazu. Aber manchmal habe ich genug davon." Diesen Satz äußerte Max Verstappen wenige Minuten nach seinem bitteren Ausfall in Kanada. Statt nach einem tollen Start die Lorbeeren zu ernten und auf das Podium zu fahren, blieb für Verstappen wieder einmal nur Frust, wie so oft in dieser Saison. Dreimal schied er bereits aus, nur in China gelang Verstappen der Sprung auf das Podest. Zu wenig für den ehrgeizigen Youngster.

Ricciardo stiehlt Verstappen die Show

Dabei sollte es in dieser Saison eigentlich den großen Schritt in Richtung Titelkampf geben. Mit den neuen Regularien galt Red Bull als Anwärter, Mercedes den Titel streitig zu machen. Diese Rolle aber hat nun Ferrari eingenommen, Red Bull ist zu langsam - sowohl das Chassis, als auch der Motor hinken der Konkurrenz hinterher. Und wenn sich die Gelegenheit dann doch einmal bietet, profitiert im Red-Bull-Lager meist Daniel Ricciardo davon. Der Australier hatte einen durchwachsenen Saisonstart, blühte in den letzten Rennen aber so richtig auf. Dreimal in Folge fuhr er auf das Podium.

In Kanada zelebrierte er den unerwarteten dritten Platz sogar mit seinem berüchtigten "Shoey", zusammen mit Podiumsgast Sir Patrick Stewart. Die Laune ist derzeit also bestens beim Australier. Nicht der Wunderknabe aus den Niederlanden sorgt für die Höhepunkte im Team, sondern der oftmals unterschätzte Mann aus Down Under. Dabei hat Ricciardo schon längst bewiesen, dass er zu den absoluten Topfahrern im Feld gehört. 2014 düpierte er Sebastian Vettel bei Red Bull und auch hinter Verstappen muss er sich nicht verstecken.

Daniel Ricciardo ließ in Kanada wieder den Shoey folgen, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo ließ in Kanada wieder den Shoey folgen, Foto: Sutton

Nach einigen Renen voller Pech 2016 - so etwa Spanien und Monaco, als die Strategie mögliche Siege vermasselte - scheint er aktuell jedoch den Renngott auf seiner Seite zu haben. So stark seine Resultate zuletzt waren, so extrem waren auch die Begleitumstände. Rückblick: In Spanien kollidierten Max Verstappen, Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen gleich in der ersten Kurve, Bottas fiel später zudem mit Motorschaden aus.

In Kanada traf es wieder Verstappen und zudem auch Sebastian Vettel, der frühzeitig mit einem defekten Frontflügel zurückfiel und viel Zeit verlor. Beim Monaco GP revanchierte sich seine Crew nach dem Desaster des Vorjahres dagegen mit einer perfekten Strategie. "Ich bin heute viel glücklicher. Ich kann mich definitiv nicht darüber beschweren, wie es für mich ausgegangen ist und ich muss mich dafür beim Team bedanken", strahlte er in Monaco.

Diese Strategie aber ging wieder zum Nachteil Verstappens über, den beim Rennen im Fürstentum noch im Auto die Wut packte. "Shit! A fucking disaster!", brüllte der 19-Jährige in den Funk, als man ihm mitteilte, dass Ricciardo mit einem Overcut den Weg an ihm und an Valtteri Bottas vorbeifand. Bei Verstappen selbst hatte Red Bull versucht, mithilfe eines Undercuts am Finnen im Silberpfeil vorbeizukommen. Es gelang aber nicht, Verstappen wurde nur Fünfter. Verstappens Pech ist also auch ein wenig Ricciardos Glück.

Es ist nicht die Pace, die Verstappen in diesem Jahr fehlt. Im Qualifying steht es 4:3 für den Niederländer bei jeweils einem dicken Ausreißer. Vielmehr ist es also das Rennglück, das Verstappen komplett abgeht. Neben den genannten Beispielen brach ihm in Bahrain die Bremsscheibe, als er sich in aussichtsreicher Position befand. In der WM-Wertung bedeutet dies einen Zwischenstand von 67 zu 45 zugunsten Ricciardos. Während sich der Australier nach zähem Saisonstart inklusive technischem Aus beim Heimrennen stabilisiert hat, gleicht Verstappens Kurve einer Berg- und Talbahn.

In Kanada folgte also der nächste große Rückschlag, als er ungefährdet auf Platz zwei ausschied. "Ein Podest wäre erneut möglich gewesen, aber wieder einmal gehen wir komplett leer aus", stöhnte er ob der nächsten verpassten Chance. Aufbauende Worte erhielt er von seinem Teamchef Christian Horner. "Das ist wirklich hart für Max. Aber ich bin sicher, dass seine Zeit bald kommen wird", sagte der Brite.

Trendwende in Baku? Strecke spricht dagegen

Für Verstappen ist dies vor allem mental eine neue Herausforderung. Bislang ging es in seiner Karriere immer nur nach oben, im vergangenen Jahr gewann er gleich sein erstes Rennen für Red Bull. Eine solche Phase wie er sie jetzt erlebt, kannte er so noch nicht, vor allem nicht, wenn der eigene Teamkollege die Punkte und Podien abstaubt.

Nun geht es nach Baku, wo Red Bull im vergangenen Jahr mit den Plätzen sieben und acht wenig ausrichten konnte. Die extrem lange Gerade verlangt Motorenpower, in diesem Punkt hinkt Renault weiterhin hinterher. Für Verstappen keine guten Voraussetzungen, die Kehrtwende zu schaffen. Und Ricciardo? Das vierte Podium in Folge wäre angesichts der Streckencharakteristik eine echte Überraschung. Doch dass Wahrscheinlichkeiten alleine nichts bedeuten müssen, hat er in dieser Saison bereits mehrfach bewiesen.