Eine Legende kehrt zurück: Nach sechs Jahren Pause taucht der Nürburgring 2020 wieder im Kalender der Formel 1 auf. Vor mehr als 90 Jahren wurde der Nürburgring mitsamt der Nordschleife gebaut. Am 18. Juni 1927 wurde die ikonische Eifelstrecke eröffnet.

Im Eröffnungsjahr gewann der legendäre Rudolf Caracciola im Kompressor-Mercedes das erste große Automobilrennen auf dem Nürburgring. Seitdem ist viel geschehen. Motorsport-Magazin.com nutzt den Anlass des großen Comebacks nach dem bis dato letzten Formel-1-Rennen im Jahr 2013 und blickt zurück auf 90 Jahre Nürburgring mit allen Höhepunkten und Dramen der berühmtesten Rennstrecke der Welt.

Die Entstehung einer Legende

Infolge der zunehmenden Motorisierung in Deutschland zu Beginn der 20er Jahre war der Bau einer professionellen Rennstrecke nur eine Frage der Zeit. Bislang wurden Rennen vorwiegend auf öffentlichen Straßen ausgetragen - zahlreiche Unfälle waren die Regel.

Um dieser Misere Einhalt zu gebieten, sollte inmitten der wirtschaftsarmen Eifel eine permanente Renn- und Teststrecke entstehen. Den Bau beschließt der Kreistag von Adenau am 18. Mai 1925. Im Rahmen einer "produktiven Erwerbslosenfürsorge" sind mehr als 2500 Arbeiter damit beschäftigt, eine 28,2 Kilometer lange Rennstrecke in der hügeligen Eifellandschaft zu errichten.

Carraciola erster Sieger

Nach nur zweijähriger Bauzeit ist es soweit: Am 18. Juni 1927 wird die heute legendäre Nürburgring-Nordschleife feierlich eröffnet. Rund 85.000 Zuschauer bejubeln den Sieger des Hauptrennens, Rudolf Carraciola auf Mercedes.

Das Eifelrennen 1934, Foto: Mercedes-Benz
Das Eifelrennen 1934, Foto: Mercedes-Benz

Zugleich erfolgt der erhoffte wirtschaftliche Aufstieg für die Eifel-Region: Aus Gaststätten mit Fremdenzimmern wurden Hotels, aus Kuhweiden Parkflächen. Werkstätten, Tankstellen, Lebensmittelgeschäfte und andere Dienstleistungsbetriebe verdanken ihre Existenz dieser Eifelstrecke. Am 28. Juli 1928 wird die Nürburgring GmbH unter Beteiligung des Reiches, des Landes Preußen, der Rheinprovinz, des Kreises und der Automobilverbände gegründet.

30er und 40er Jahre

Der Nürburgring erlebt seinen ersten Helden: Rudolf Carraciola, Sieger des ersten Rennens auf der Nordschleife, gewinnt 1931 das Eifelrennen und den Großen Preis von Deutschland. Auch im Folgejahr ist er nicht zu stoppen und fährt einen weiteren Doppelsieg ein.

Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 bleibt für den Nürburgring nicht ohne Folgen. Erfolgreiche deutsche Fahrer auf deutschen Autos sind ein beliebtes Propagandamittel der NSDAP und locken zahlreiche Zuschauer an die Eifelstrecke. Dank Goebbels' Volksempfänger lauschen rund 11,3 Millionen Menschen den Übertragungen der "Ringrennen".

Der legendäre Silberpfeil, Foto: Mercedes-Benz
Der legendäre Silberpfeil, Foto: Mercedes-Benz

Mythos der Silberpfeile

1934 wird der Mythos der "Silberpfeile" geboren. Der Legende nach ließ Mercedes-Sportchef Alfred Neubauer eine Nacht vor Beginn des Eifelrennens den weißen Lack am Sportwagen abkratzen, um das Gewichtslimit nicht zu überschreiten. Das silbrige Aluminium der blanken Karosserie verschaffte dem Auto seinen Namen. In diesem Rennwagen fuhr Manfred von Brauchitsch dann zum Sieg. Die erfolgreiche Ära der "Silberpfeile" mit zahllosen Erfolgen am Nürburgring hält bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 an.

Während des Krieges finden keine Rennen am "Ring" statt. Das Sporthotel am Nürburgring verkommt zum Lazarett und Notlager. Die Nordschleife dient als Aufmarschstraße der Alliierten, die schweren Panzer richten verheerende Schäden an der Strecke an.

Doch bereits kurz nach Kriegsende beginnt die "Wiedergeburt" des Nürburgrings. Auf Befehl der französischen Militärsregierung und der Mobilisierung tausender Arbeitskräfte werden sowohl die Rennstrecke als auch diverse Zufahrtsstraßen wieder instand gesetzt. Bereits am 7. August 1947 findet das erste Motorrad-Rennen vor beachtlichen 80.000 Zuschauern statt. Ende 1949 ist der gesamte Nürburgring mit Gebäuden wieder für Rennveranstaltungen nutzbar.

Im Jahr 1950, dem ersten Jahr der Formel-1-Weltmeisterschaft, siegt Alberto Ascari auf Ferrari beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. In den beiden Folgejahren kann der Italiener seinen Triumph in der Eifel wiederholen.

Der Meister des Nürburgrings

1953 wird neben dem Großen Preis von Deutschland und dem Eifelrennen eine weitere jährliche Veranstaltung in den Rennkalender aufgenommen: das 1000-Kilometer-Rennen. Vor spärlicher Zuschauerkulisse siegt am 30. August abermals Ascari zusammen mit Nino Farina auf Ferrari. Diese Rennveranstaltung wird sich im Laufe der Jahre zu einem Publikumsmagneten an der Nordschleife etablieren.

1954 ist ein weiterer Höhepunkt in der Nürburgring-Geschichte. Rund 300.000 Zuschauer erleben beim Großen Preis von Europa die Rückkehr der "Silberpfeile" auf das internationale Rennparkett. Juan Manuel Fangio pilotiert seinen Mercedes zum Sieg. Bis 1957 setzt der Italiener seine Siegesserie bei den wichtigsten Rennen auf der Nordschleife fort und avanciert somit zum ungekrönten "Meister des Nürburgrings".

1961 erlebt der Nürburgring den nächsten Boom. Seit jeher verzeichnete der "Ring" den größten Zuschaueransturm, wenn deutsche Fahrer aussichtsreich ins Rennen gingen. Beim diesjährigen Großen Preis von Deutschland startet Wolfgang Graf Berghe von Trips als Führender der Formel-1-Weltmeisterschaft in der Eifel. 300.000 Fans an der Strecke fiebern mit, als der Deutsche hinter Rennsport-Legende Stirling Moss den zweiten Platz einfährt.

Doch der Trips'sche Siegeszug in der Formel 1 sollte fatal enden. Am 10. September 1961, beim Großen Preis von Italien in Monza, verunglückt Berghe von Trips nach einer Kollision mit Jim Clark in der zweiten Runde tödlich. Mit ihm sterben 15 Zuschauer, weitere 60 werden zum Teil schwer verletzt. Dieser Tag geht als "Schwarze Stunde der Formel 1" in die Geschichte ein.

Gut besucht: Rennsport in der Eifel, Foto: Sutton
Gut besucht: Rennsport in der Eifel, Foto: Sutton

Nach weiteren tragischen Unfällen flammt Ende der 60er Jahre eine Sicherheits-Diskussion innerhalb der Formel 1 auf. Infolge zunehmender Medialisierung und dem daraus resultierenden Engagement von Sponsoren sollen sowohl Fahrer als auch Zuschauer während der Rennen besser geschützt werden. Der Tod als Berufsrisiko soll der Vergangenheit angehören.

Der neuartige, professionalisierte Sicherheits-Anspruch wird besonders für die Nordschleife zur Bewährungsprobe. Während eines Treffens zwischen den Vertretern der Formel-1-Fahrer und der Nürburgring GmbH am 8. Juli 1970 fordern die Piloten ein 18-Punkte-Programm zur Abänderung der Nordschleife, das die Sicherheit der Strecke erhöhen soll.

Boykott des Nürburgrings

Zur Fertigstellung dieser Maßnahmen wird dem Streckenbetreiber jedoch nur ein Monat Zeit eingeräumt, da am 2. August der Große Preis von Deutschland im Rennkalender steht. Da man dem Anspruch der Fahrer in Anbetracht der kurzen Zeit nicht gerecht werden kann, ziehen diese ihre Konsequenzen: Ein Boykott des Nürburgrings führt zur Austragung des Grand Prix auf dem Hockenheimring.

Niki Laudas Unfall auf dem Ring, Foto: Sutton
Niki Laudas Unfall auf dem Ring, Foto: Sutton

Es folgt der teuerste Umbau der Nordschleife in ihrer Geschichte. Mit rund 20 Millionen Mark schlagen die Sicherheitsmaßnahmen in der Zeit von 1971 bis 1976 zu Buche. Bereits ein Jahr nach dem Boykott des Nürburgrings kehrt der Formel-1-Zirkus in die Eifel zurück.

1974 gibt es erste Diskussionen zwischen dem ADAC und der Nürburgring GmbH bezüglich des Baus einer neuen, kürzeren Grand-Prix-Strecke im Bereich des Nürburgrings. Der Kosten- und Personalaufwand der 22,835 Kilometer langen Nordschleife während eines Rennens ist immens: Bei Großveranstaltungen sind bis zu 1200 Helfer und Streckenposten im Einsatz.

Das Drama um Niki Lauda

Trotz der hohen Umbaukosten am "Ring" in den vergangenen Jahren reißt die Sicherheits-Debatte nicht ab. Nach Niki Laudas tragischem Feuerunfall beim Großen Preis von Deutschland am 1. August 1976 folgt das Aus für die "Grüne Hölle": Die Commission Sportive Internationale (CSI) als zuständiges Organ des Automobilsports entzieht der Nürburgring GmbH 1977 die Lizenz zur Durchführung von Formel-1-Rennen auf der Nordschleife.

Niki Lauda und die Nordschleife: Eine spezielle Beziehung, Foto: Sutton
Niki Lauda und die Nordschleife: Eine spezielle Beziehung, Foto: Sutton

Zum 50. Jubiläum befindet sich der "Ring" in einer Krise. Es besteht akuter Handlungsbedarf, doch die Finanzierung der neuen, kürzeren Rennstrecke gestaltet sich schwierig. Die 1979 vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellten Mittel für den Nürburgring-Neubau werden 1980 im Zuge radikaler Sparmaßnahmen revidiert. Im Folgejahr gründen ADAC, AvD und die deutschen Motorsportverbände den Verein "Ja zum Nürburgring".

Ein Stern geht auf

Die bisherigen Planungen werden noch einmal überarbeitet und die Kosten auf die verfügbaren 79 Millionen Mark reduziert. Die ursprünglich sieben Kilometer lange geplante Rennstrecke wird auf 4,5 Kilometer verkürzt. Am 30. November 1981 beginnt eine neue Ära am Nürburgring: Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel setzt den ersten Spatenstich, die Bauarbeiten beginnen. Mit einem großen Programm aus Show und Motorsport öffnet am 12. Mai 1984 die neue Rennstrecke vor 120.000 Zuschauern ihre Pforten.

Die F1 kehrt in die Eifel zurück, Foto: Sutton
Die F1 kehrt in die Eifel zurück, Foto: Sutton

Beim ersten Rennen auf dem Kurs treten unter anderem zwölf Formel-1-Weltmeister in identischen Mercedes 190 gegeneinander an. Es siegt der bis dato weithin unbekannte Ayrton Senna. Acht Jahre nach dem Entzug der Formel-1-Lizenz kehrt die "Königsklasse" des Motorsports am 7. Oktober 1984 in die Eifel zurück.

Doch das Wiedersehen soll nur von kurzer Dauer sein. Bereits 1986 wird der Grand Prix wieder auf den Hockenheimring verlegt. Umdenken ist in der Eifel angesagt: Mit dem Musik-Festival "Rock am Ring" und dem Truck-Grand-Prix kreiert die Nürburgring GmbH neue jährliche Events, die bei den Besuchern auf großen Zuspruch stoßen. Die Publikumsmagnete 1000-Kilometer-Rennen und 24-Stunden-Rennen finden weiterhin statt.

Zu Beginn der 90er Jahre beginnt eine Phase der Neuorientierung am Nürburgring. Das Hauptaugenmerk liegt weiterhin auf dem Motorsport, doch die Rennstrecke erhält eine stärkere Leitfunktion für Fremdenverkehr und Wirtschaftsentwicklung in der Eifel. Eine hochmoderne Müll-Sammelstation, die Tourist Informations Zentrale und ein Fahrsicherheitszentrum sorgen für eine Verbesserung der Infrastruktur.

Blütezeit in der Eifel

1995 kehrt die Formel 1 wieder in die Eifel zurück. Beim Großen Preis von Europa am 1. Oktober triumphiert der Mann, der für die wiederkehrende Motorsport-Begeisterung in Deutschland verantwortlich ist: Michael Schumacher. Es ist zugleich der erste Sieg eines deutschen Fahrers in der Formel-1-Geschichte des Nürburgrings.

Ein Sieg für die Ewigkeit, Foto: Sutton
Ein Sieg für die Ewigkeit, Foto: Sutton

Mit den herausragenden Erfolgen des Kerpeners beginnt eine weitere Blütezeit am "Ring". Seit Schumachers historischem Sieg 1995 kann die Nürburgring GmbH bei fast allen Formel-1-Rennen ausverkaufte Tribünen verzeichnen. Um die Formel 1 wieder langfristig an die Eifel zu binden, wird die Infrastruktur auf und an der Strecke stetig verbessert. Durch den Bau der Mercedes-Tribüne 1995 steigt die Kapazität auf 120.000 Zuschauerplätze, seit 2002 können gar 150.000 Besucher dem Treiben direkt an der Grand-Prix-Strecke beiwohnen.

Das Nonplusultra

1997 erhält der Nürburgring einen Vertrag über die Ausrichtung von Formel-1-Rennen für die kommenden vier Saisons. Noch im selben Jahr erweitert die Nürburgring GmbH mit dem Bau einer Erlebniswelt das Freizeitangebot in der Eifel außerhalb von Motorsport-Veranstaltungen. 1999 entsteht ein neues, modernes Boxengebäude für 30 Millionen DM an der Rennstrecke. Die Formel-1-Lizenz wird vorzeitig bis einschließlich 2004 verlängert. Aus sportlicher Sicht ist Michael Schumacher das Nonplusultra am Nürburgring. Zwischen 2000 und 2006 fährt er auf Ferrari fünf Siege beim Großen Preis von Europa ein.

Die Faszination für die Nordschleife ist ungebrochen, Foto: Mercedes-Benz
Die Faszination für die Nordschleife ist ungebrochen, Foto: Mercedes-Benz

Mit der "Mercedes-Arena" erhält der Grand-Prix-Kurs 2001 einen neuen Streckenabschnitt. Der 3. Februar 2004 ist ein "Feiertag" für die Nürburgring GmbH: Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, gibt die Vertragsverlängerung für die Formel-1-Weltmeisterschaft bis 2009 bekannt. Der Nürburgring befindet sich im 21. Jahrhundert wieder einmal im Aufwind. Neben der Formel 1 sorgen die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft, das wieder ins Jahresprogramm aufgenommene 1000-Kilometer-Rennen, die World Series by Renault, die Ferrari Racing Days und viele weitere Veranstaltungen für Zuschaueranstürme in der Eifel.

Zukunft lange ungewiss

2006 entscheidet sich, dass die Formel 1 nur noch einmal jährlich in Deutschland gastieren soll. Der Nürburgring wechselt sich seit 2007 mit dem Hockenheimring ab. Im Gegenzug forciert die Nürburgring GmbH das Freizeitangebot abseits der Rennstrecke: Der Ring soll dank dem Projekt "Nürburgring 2009" zum ganzjährigen Ausflugsziel für Familien werden.

Das Resultat nach einem jahrelangen, finanziellen Debakel: Die Nürburgring GmbH stellt am Samstag, den 21. Juli 2012 einen Antrag auf Insolvenz. Seitdem ist die finanzielle Lage des gesamten Nürburgrings lange Zeit ein heilloses Durcheinander. Eines, das am Ende nur dem Sport und der Region schadet und einen dunklen Schatten auf die berühmteste Rennstrecke der Welt wirft.

Corona-Krise wirft Nürburgring zurück

Mit dem sensationellen, wie unerwarteten Comeback der Formel 1 kehrt nun ein wenig Licht zurück. Möglich wird die Rückkehr vor allem durch einmalig völlig andere finanzielle Grundvoraussetzungen als in den vergangenen Jahren. Wegen der Corona-Krise verzichtet die Formel 1 bei einem Großteil der Rennen im Kalender 2020 auf eine Antrittsgebühr - muss stattdessen sogar Streckenmiete bezahlen. Damit entfällt das Risiko, durch ausreichende Zuschauerzahlen die hohen Antrittsgelder refinanzieren zu müssen.

Den Nürburgring wirft die Corona-Krise 2020 nach einigen Jahren des ersehnten Aufschwungs dennoch wieder zurück. „Wir haben den Nürburgring in den letzten vier, fünf Jahren als Team gemeinsam in den wirtschaftlichen Erfolg geführt und jetzt wurde die ganze positive Entwicklung mit einem Fingerschnips gestoppt. All das, was wir uns aufgebaut haben, ist dadurch bedroht“, sagt Geschäftsführer Mirco Markfort, seit März 2016 im Amt, im April zu Motorsport-Magazin.com.

Markfort weiter: „Wir konnten in den letzten Jahren agieren und Themen proaktiv angehen und sind jetzt in einen Reaktionsmodus gefallen und können nur versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Das ist nicht schön, aber hätten wir in den letzten Jahren nicht erfolgreich gewirtschaftet, hätten wir jetzt deutlich größere Probleme. Wir agieren jetzt, indem wir Szenarien entwerfen und wir versuchen, positiv in die Zukunft zu schauen und uns an die Situation anpassen.“ Die Rückkehr der Formel 1 - wenn auch nur als voraussichtlich einmaliges Highlight - kommt da genau richtig …

Interview: Formel 1 zurück auf dem Nürburgring! Mit Fans!? (18:57 Min.)