Lewis Hamilton machte sich mit seinen Aussagen über die IndyCar-Piloten keine Freunde, wie die verbale Schelte von US-Star Tony Kanaan zeigte. Der dreimalige F1-Weltmeister hatte im Rahmen des Monaco GP geäußert, dass die Piloten in den Vereinigten Staaten zwar "großartige Fahrer' seien, jedoch hauptsächlich dort antreten, weil sie in der Königsklasse keine Erfolgsaussichten hätten: "Wenn sie in der Formel 1 nicht erfolgreich sein können, schauen sie sich nach anderen Rennen um, die sie gewinnen können." In manchen Fällen ist die Aussage des Briten zweifelsohne zutreffend. Doch die Geschichte zeigt, dass längst nicht jeder US-Erfolgsgeschichte eine gescheiterte F1-Karriere zugrunde lag.

Indy top, F1 flop: Von Zanardi bis Bourdais

Zugegeben, gerade in den 1990er Jahren waren es nicht wenige Piloten, die angesichts ausbleibender Erfolge in Europa den Wechsel in die USA vollzogen. Der wohl bekannteste Name ist Alex Zanardi. Nachdem der Italiener 1991 als Ersatz für den zu Benetton abgewanderten Michael Schumacher bei Jordan debütierte, lief es in den Folgejahren bei Minardi und Lotus eher schlecht als recht. Lediglich einen WM-Punkte konnte Zanardi sammeln, woraufhin er in den USA vorstellig wurde und für 1996 ein Cockpit bei Chip Ganassi Racing erhielt. Dort eilte er von einem Sieg zum nächsten und wurde mit zwei Titeln zum gefeierten Publikumsliebling. 1999 versuchte er sich bei Williams ein weiteres Mal an der Königsklasse, zog nach einer weiteren punktelosen Saison aber endgültig einen Schlussstrich unter die Formel 1.

Vor Zanardi hatte sich Michael Andretti, Sohn von US-Legende Mario Andretti nach einer erfolgreichen CART-Karriere der Herausforderung Formel 1 gestellt - und die Finger verbrannt. Nachdem er 1991 in den USA den Titel gewonnen hatte, verpflichtete ihn McLaren für die Saison 1993 als Teamkollege von Ayrton Senna. Andretti schien mit der Königsklasse überfordert, sorgte für jede Menge Kleinholz und wurde in der zweiten Saisonhälfte von Testfahrer Mika Häkkinen ersetzt - just nachdem er in Monza als Dritter sein erstes und einziges Podium eingefahren hatte. Ab 1994 ging er wieder in den USA an den Start, wo er bis zu seinem Rücktritt Ende 2002 noch zwei Vize-Meisterschaften gewinnen konnte.

Dem Beispiel von Andretti und Zanardi folgten bis dato noch zwei weitere Piloten. Zunächst wechselte Cristiano Da Matta nach seinem Champ Car-Titel 2002 als Werksfahrer zu Toyota in die Formel 1. Der Brasilianer konnte dort jedoch keine Glanzlichter setzen und baute nach einer soliden Debüt-Saison zunehmend ab, sodass ihn das Team 2004 in der zweiten Jahreshälfte vor die Tür setzte. Vier Jahre später war es Sebastien Bourdais, der sich nach vier Champ Car-Titeln in Serie an der Formel 1 versuchte. Im Toro Rosso gelang es ihm jedoch nicht zu überzeugen. Mit Sebastian Vettel als Teamkollegen hatte er 2008 ein schweres Los gezogen und auch 2009 verfehlte er den Durchbruch. Im Sommer wurde er entlassen und durch Jaime Alguersuari ersetzt.

In der Formel 1 bekam Sebastien Bourdais auch nach vier Champ Car-Titeln keinen Fuß auf den Boden, Foto: Sutton
In der Formel 1 bekam Sebastien Bourdais auch nach vier Champ Car-Titeln keinen Fuß auf den Boden, Foto: Sutton

Paydriver und 'F1-Versager'

Wer es in der F1 nicht schaffte, war in der IndyCar aber längst nicht automatisch ein Champion. Dutzende Piloten sattelten mit hohen Zielen in die USA um, nur um festzustellen, dass der Wettbewerb dort alles andere als ein Kinderspiel ist. Christian Fittipaldi, Neffe von F1-Weltmeister Emerson Fittipaldi, fuhr zwischen 1992 und 1994 mit unterlegenem Material von Minardi und Footwork in der Formel 1, woraufhin er wie sein Onkel in die Staaten übersetzte. Dort gelangen ihm in 135 Rennen zwischen 1995 und 2003 allerdings nur zwei Siege.

Ebenfalls nur mit Einzelerfolgen unterwegs waren Piloten wie Eddie Cheever, der bei seinen fünf Rennsiegen immerhin einmal das Indy 500 gewinnen konnte, Ex-Tyrrell und -McLaren-Pilot Mark Blundell, der zwischen 1996 und 2000 drei Rennsiege erringen konnten oder auch der diesjährige Indy 500-Gewinner Takuma Sato: Auch ihm gelangen nach vereinzelten Glanzlichtern in der Formel 1 bisher nur zwei Siege bei den IndyCars, obwohl seine Karriere dort schon seit 2010 im Gange ist.

Die Erkenntnis, dass man in den USA mit Geld nicht weiterkommt als in Europa, mussten die klassischen Paydriver aus der Formel 1 machen. Für Piloten wie Tarso Marques, Shinji Nakano oder Alex Yoong gab es in den USA genauso wenig zu holen, wie in der Königsklasse. Dementsprechend waren ihre Karrieren auch dort nicht von allzu langer Dauer, denn ganz ohne Erfolge ist der Ofen auch in den Staaten irgendwann mal aus.

Bis auf Siege beim Indy 500 und in Long Beach kann Takuma Sato in den USA nur auf mäßige Erfolge zurückblicken, Foto: Sutton
Bis auf Siege beim Indy 500 und in Long Beach kann Takuma Sato in den USA nur auf mäßige Erfolge zurückblicken, Foto: Sutton

Die Allrounder - Von Andretti bis Montoya

Anders als die bisher genannten Piloten, gab es jedoch auch die, die auf beiden Seiten des Ozeans Erfolge feiern konnten. Der erste und gleichzeitig bekannteste dieser Fahrer, ist Mario Andretti. Die US-Legende hatte in den Staaten zwischen 1965 und 1969 drei Titel und einen Indy 500-Sieg sichergestellt, bevor er den Schritt nach Europa wagte. Dort konnte Andretti zwölf Rennen und 1978 für Lotus auch die Weltmeisterschaft gewinnen. Nach dem Ttiel blieben die Erfolge jedoch aus, weshalb er ab 1982 wieder als Vollzeit-Pilot in den USA an den Start ging. Bis 1994 gelangen ihm dort 19 weitere Triumphe sowie ein weiterer Meisterschaftsgewinn.

Umgekehrt machte es Emerson Fittipaldi. Brasiliens erster Formel-1-Weltmeister ließ sich zuerst in Europa nieder, wo er zwischen 1970 und 1975 für Lotus und McLaren zwei WM-Titel und insgesamt 14 Rennen gewinnen konnte. Danach versuchte er bis 1980 vergeblich, zusammen mit seinem Bruder Wilson das eigene Team Fittipaldi Automotive zum Triumph zu führen. Nachdem die brasilianische Truppe Ende 1980 seine Pforten schloss, wechselte 'Emmo' nach einer längeren Auszeit zur Saison 1985 in die CART-Serie. Bis zu seinem Rücktritt nach einem schweren Unfall in Michigan Ende 1996, erzielte er dort einen Titel sowie 22 Siege - darunter zwei beim Indy 500.

Jacques Villeneuve gewann 1995 den Indy Car-Titel und das Indy 500, Foto: Sutton
Jacques Villeneuve gewann 1995 den Indy Car-Titel und das Indy 500, Foto: Sutton

In Fittipaldis Fußstapfen trat 1993 Nigel Mansell. Der konnte nach seinem einzigen F1-Titel in der Saison 1992 keine finanzielle Einigung mit seinem damaligen Arbeitgeber Williams Renault erzielen, woraufhin er den Wechsel über den großen Teich vollzog. Mansell startete für Newmann/Haas Racing zwar nur zwei Jahre bei den Champ Cars, konnte jedoch schon im ersten Anlauf die Meisterschaft gewinnen. Beim Indy 500 kam er über einen dritten Platz allerdings nicht hinaus.

Wenige Jahre später war es Jacques Villeneuve, der die Motorsportszene weltweit aufmischte. Der Kanadier debütierte 1994 in der CART. Nach dem Premieren-Sieg in der ersten Saison, folgten im Jahr darauf vier weitere Siege, darunter einer beim legendären Indy 500, sowie der Meisterschaftsgewinn. Villeneuve wechselte zur Saison 1996 daraufhin zu Williams Renault in die Formel 1, wo er bis zum WM-Finale in Suzuka mit Teamkollege Damon Hill um den Titel kämpfte. Im Folgejahr gewann er nach einem harten Duell mit Michael Schumacher schlussendlich die WM.

Der letzte erfolgreiche Pilot, der zweigleisig unterwegs war, war Juan Pablo Montoya. Der Kolumbianer gehörte bereits 1998 zum Nachwuchskader von Williams, doch in der Formel 1 war für ihn nach dem Titel in der Formel 3000 EM zunächst kein Platz. Montoya unterschrieb daraufhin bei Chip Ganassi Racing, dem Team, mit dem Alex Zanardi zuvor zwei Mal hintereinander den CART-Titel gewonnen hatte: Gleich im ersten Jahr holte sich Montoya in den USA die Meisterschaft. Im Jahr 2000 folgte der Sieg beim Indy 500, bevor es für ihn in die Formel 1 ging. Dort war JPM bis Mitte 2006 für BMW Williams und McLaren Mercedes unterwegs. Neben sieben Grand-Prix-Siegen hätte es 2003 beinahe zur WM gereicht. Danach folgte eine eher weniger erfolgreiche NASCAR-Laufbahn, bevor es 2014 zurück zu den IndyCars ging. 2015 gewann er zum zweiten Mal das Indy 500 und verlor den Titel schlussendlich aufgrund schlechterer Einzelergebnisse an Scott Dixon.