Wie die Zeit vergeht: Sechs von 20 Saisonrennen in der ultraengen Formel-1-Weltmeisterschaft 2017 sind schon wieder absolviert. Jetzt hat sich beim jüngsten Grand Prix in Monaco in Sachen WM-Stand allerdings erstmals Größeres bewegt.

Weil Sebastian Vettel den Glamour-GP in Monte Carlo vor seinem Ferrari-Teamkollegen Kimi Räikkönen gewinnen konnte und gleichzeitig erstmals seit Spanien 2016 kein Mercedes auf dem Podium landete, hat Ferrari den Silberpfeilen die WM-Führung abgeluchst und sich gleich einmal ein 17-Punkte-Polster verschafft.

Konstrukteurs-WM: Stand nach 6 von 20 Rennen

Pos.TeamPunkte
1.Ferrari196
2.Mercedes179
3.Red Bull97

Vettel: Du musst kein Genie sein ...

Noch größer fällt der Vorsprung des WM-Leaders Vettel auf Lewis Hamilton in der Fahrerwertung aus. Genau 25 Punkte, ein ganzer Sieg, trennen die beiden WM-Rivalen jetzt. Größer war die Differenz 2017 bislang noch nie. Sogar einen Ausfall könnte sich der 129 Punkte schwere Ferrari-Pilot inzwischen also leisten - vorbeiziehen würde Lewis Hamilton dennoch nicht.

Auf großartiges Interesse stößen diese Zahlenspiele jedoch selbst bei einem bekennenden Statistik-Freund wie Vettel aktuell nicht. "Ich muss mir das gar nicht ansehen, es wurde mir eben sowieso gesagt. Aber ich schaue das selbst bis zur Sommerpause nicht an", sagt Vettel. "Punkte hier oder da, Vorteil hier - wir fahren hier Rennen. Da würde es nur den Spaß daran trüben, sich die Punkte dauernd anzusehen."

Vettels Ansatz bleibt gleich. "Ich denke von Rennen für Rennen. Aber du musst natürlich kein Genie sein, um zu wissen, dass du auch die WM gewinnst, wenn du alle Rennen gewinnst. Wenn wir das ab jetzt machen können, dann brauche ich mir die Zahlen ja gar nicht anschauen", scherzt Vettel. Denn der Deutsche weiß genau: "Das wird schwer zu erreichen sein. Aber wenn wir die Chance haben einen Sieg zu bekommen, dann müssen wir ihn bekommen."

Doch wie viel Scherz steckt wirklich in diesen Aussagen? Seriensiege kann Vettel - das hat er in seinem bis dato letztem WM-Jahr eindrucksvoll bewiesen. Gefährlich für Hamilton: Genau zu diesem Jahr sieht nun ein alter Vertrauter Vettels eine gewaltige Parallele. "Vettels Selbstvertrauen ist jetzt wie 2013. Es wird tough für Mercedes, ihn so zu schlagen", sagt Vettels alter Red-Bull-Teamchef Christian Horner bei RTL.

Hamiltons Hoffnung liegt im Heck des Ferrari

Für Lewis Hamilton (104 Punkte) ist nach seiner Schadensbegrenzung mit Platz sieben nach verwachstem Qualifying in Monaco die Ausgangslage eine völlig andere. Wie schon zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr, damals noch im Duell mit Nico Rosberg, sieht sich der Brite in einer Situation, die keinen weiteren Rückschlag vertragen kann. "Natürlich kann ich mir nicht noch so ein Wochenende leisten", sagt Hamilton. "Die Ferrari sind schnell."

Doch hat den Briten die Geschichte gelehrt: Nur das Erkennen seiner Notlage allein bringt wenig. So erlebte Hamilton auch 2016 mit dem Motorschaden in Malaysia noch einen weiteren Extrem-Dämpfer. "Weil man sich etwas nicht leisten kann, heißt das nicht, dass es nicht passieren wird", sagt Hamilton deshalb. "Und es ist nicht so, dass wir hier nicht vorbereitet waren ..."

Der Ferrari sei im Schnitt bislang einfach das bessere Auto gewesen. "Der Ferrari scheint überall zu funktionieren. Ein bisschen so wie unser Auto vergangenes Jahr. Aber dieses Jahr funktioniert es nicht auf jeder einzelnen Strecke. Die nächsten 14 Rennen werden sehr schwierig", sagt Hamilton. Zumal für den Briten nach Monaco feststeht: "Mir ist klar, dass Ferrari seinen Nummer-Eins-Fahrer ausgesucht hat. Die werden Gas geben, um sicherzustellen, dass Sebastian an allen Wochenenden das Maximum herausholen kann."

Hamiltons Erklärung: "Ohne Strategie passiert sowas wie heute ja nicht. Dass das führende Auto vom zweiten Auto überholt wird. Das ist wirklich schwer - es sei denn das Team entscheidet, das andere Auto zu bevorzugen. Das ist ziemlich klar." Bei Mercedes gebe es so etwas nicht, meint Hamilton. Er wolle das auch gar nicht. "Ich habe nicht mit dem Team gesprochen und plane es auch nicht", sagt Hamilton.

Von reinem Schwarzsehen ist der Brite dann aber doch noch ein ganzes Stück entfernt. "Ich glaube weiter daran, dass wir das Ding gewinnen können. 25 Punkte sind aber eine Menge, das ist schon schwer. Heute nur sechs Punkte ... Aber wir werden versuchen, Schritt für Schritt aufzuholen", sagt Hamilton.

Noch dazu könne durchaus auch bei der Scuderia einmal etwas daneben gehen. "Auch Ferrari ist ja nicht kugelsicher", meint Hamilton. Vor allem auf einen Bereich des SF70-H zielt der dreifache Champion: "Vielleicht kommt bei denen was mit all den Turbos, die sie schon gebraucht haben oder noch brauchen werden." Tatsächlich hat Ferrari bei Sebastian Vettel das verfügbare Vierer-Kontingent bereits ausgeschöpft. Allerdings versichert die Scuderia, einige Turbos seien noch einsatzfähig.

Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas wollen nicht nur die zweite Geige spielen, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas wollen nicht nur die zweite Geige spielen, Foto: Sutton

Finnisches Doppel rehabilitiert sich nach Spanien-Pech

Doch kann sich Hamilton nur nach vorne orientieren? Wenn er selbst schon eine Nummer-Eins/Nummer-Zwei-Regelung bei Mercedes ablehnt, darf er sich am Ende zumindest nicht beschweren, sollte ihm Valtteri Bottas das eine oder andere Mal auf der Nase herumtanzen. So kam der Finne nach seinem Pech durch Defekt-Aus in Spanien in Monaco ab dem Qualifying sehr viel besser zurecht als Hamilton, punktete im Rennen doppelt so gut wie der Brite. Dadurch robbte sich Valtteri Bottas mit nur 75 Zählern in der WM-Wertung um sechs Punkte an seinen Teamkollegen heran. Selbst Hamilton muss anerkennen: "Valtteri macht einen guten Job!"

Bottas selbst indessen denkt nicht einmal daran, auch nur im Ansatz aufzugeben. Weder im teaminternen Duell, noch im WM-Kampf - or allem im WM-Kampf. "Klar wäre es schöner gewesen, wenn heute ein Finne statt eines Deutschen gewonnen hätte. Das ist Fakt", sagt Bottas. "Kimi hat sich ja auch für meinen ersten Sieg gefreut. Und natürlich wäre er mir lieber gewesen - auch wegen der Punkte", sagt Bottas mit Blick auf Vettel.

Fahrer-WM: Stand nach 6 von 20 Rennen

Pos.FahrerPunkte
1.Sebastian Vettel129
2.Lewis Hamilton104
3.Valtteri Bottas75
4.Kimi Räikkönen67
5.Daniel Ricciardo52
6.Max Verstappen45

Doch auch Kimi Räikkönen meldet zunehmend Ansprüche an, der Iceman lauert mit 67 Punkten dank Platz zwei in Monaco nur acht Zähler hinter seinem Landsmann auf weiter auf seine Chance - allem Trara um Stallorder und Vettel-Bevorzugung zum Trotz oder vielleicht gerade deshalb mehr denn je. Von Rennen zu Rennen kommt Räikkönen 2017 jedenfalls besser in Fahrt, hat seine Setup-Schwierigkeiten der ersten drei Läufe ausgeräumt.

In zwei der vergangenen drei Grands Prix stand der Iceman auf dem Podium, außerdem zweimal in Startreihe eins, darunter seine erste Pole Position seit neun Jahren. Auch in Spanien hätte nach einem guten Start eineiges drin sein können, doch verdarb ein unverschuldeter Startcrash alles.

Für Red Bull sind Mercedes und Ferrari bereits in weiter Ferne, Foto: Mercedes-Benz
Für Red Bull sind Mercedes und Ferrari bereits in weiter Ferne, Foto: Mercedes-Benz

Red Bull: Warum Verstappen & Ricciardo chancenlos sind

Und Red Bull? In Monaco ließen die Senkrechtstarter der zweiten Saisonhälfte 2016 mit Augenhöhe zu Mercedes aufmerken. Doch lag Monte Carlo den Boliden des Teams schon immer besonders gut. Vor allem aber ist der Punkterückstand für Max Verstappen (45 Punkte) und Daniel Ricciardo (52 Punkte) bereits jetzt fast aussichtslos groß.

Mehr als drei Siege fehlen dem besser klassierten Ricciardo bereits auf Vettel. Zudem müssten Verstappen oder der Australier ja gleich an allen vier besser platzierten Ferrari bzw. Mercedes vorbei, nicht nur an Vettel alleine.