Alle permanent akkreditierten Formel-1-Journalisten haben die Möglichkeit, sich ein sogenanntes Fotoleibchen zu holen. Damit kann man direkt an den Ort des Geschehens, kann die Formel-1-Boliden aus der Perspektive der Streckenposten sehen. Normalerweise verfolgen wir Journalisten die Formel-1-Sessions im Media Center auf Bildschirmen, oftmals gibt es nicht einmal Fenster. Das Fotoleibchen holen sich nur die wenigsten.

Anders in Monaco: Am Donnerstag gingen der FIA sogar die Fotoleibchen aus - jeder wollte die neuen Autos auf den engen Straßen von Monaco sehen. Glücklicherweise habe ich noch ein begehrtes Leibchen bekommen und konnte das 2. Freie Training an der Strecke verfolgen.

Aus dem Media Center geht es einmal durch das Formel-1-Paddock, vorbei an Red Bulls legendärer schwimmenden Energy Station, hin zu Rascasse. Ein erster Blick auf die Autos von hinten: Die breiten Boliden mit den dicken Pneus wirken deutlich brachialer an dieser Stelle als in den letzten Jahren - dabei war Monaco auch mit den alten Autos schon alles andere als schlecht.

Kein Sound-Problem in Monaco

Dann ein kurzer Gang vorbei an den Tribünen Richtung Schwimmbad. Die zweite Schwimmbad-Schikane hatte schon im 1. Training für spektakuläre Bilder gesorgt, weil mehrere Piloten der Leitplanke hier etwas zu nahe kamen. Ein mutiger Fotograf wurde sogar zurückgeschickt, weil er den Boliden oder die Boliden ihm gefährlich nahe kamen.

Der Ausgang der ersten Schwimmbad-Schikane ist immer besonders eindrucksvoll. In diesem Jahr stehen die Piloten voll auf dem Pinsel, haben am Ausgang rund 250 km/h auf dem Tacho stehen. Man kann mit dem bloßen Auge sehen, wie die Autos am Ausgang beim Positionieren für die zweite Schikane versetzen. Auch Ross Brawn lässt sich dieses Spektakel nicht entgehen, der Chef höchstpersönlich ist mit Fotografenleibchen an der Strecke.

Die Stelle war schon mit den alten Autos spektakulär, aber die neuen Boliden sind hier unfassbar. Hier schafft die Formel 1 genau das, was viele lange Zeit vermissten: Sie vermittelt dem Zuschauer wieder das Gefühl, so etwas nicht selbst schaffen zu können, sich es nicht einmal zu trauen.

Dann weiter zu Tabac, auf dem Weg dahin läuft mir noch ein geknickter Jolyon Palmer über den Weg, der sein Auto mit einem Defekt abstellen musste. Die Linkskurve wirkt mit den neuen Autos unfassbar eng, am Scheitelpunkt fahren die Autos nur Millimeter an der Leitplanke und Zentimeter an mir vorbei.

Der Lärm in Monaco ist auch mit den Power Units fast ohrenbetäubend, aber vorbei an der Hafenschikane hinein in den Tunnel wird es extrem. Die meisten halten sich die Ohren zu. Ich steige in den Aufzug, der mich direkt zum Casino bringt.

Stroll-Crash aus nächster Nähe

Die Passage hoch zum Casino ist extrem steil, die Fahrer werfen die Boliden mit 260 in die nicht enden wollende Linkskurve. Plötzlich ein lauter Knall, Lance Stroll hat den Williams etwas zu schnell reingeworfen. Hunderte von Kleinteilen haben es durch die Leitplanke geschafft, die größeren Teile blieben abgeknickt am Williams hängen.

Lance Stroll hat den Williams etwas zu schnell in die Linkskurve geworfen, Foto: Motorsport-Magazin.com
Lance Stroll hat den Williams etwas zu schnell in die Linkskurve geworfen, Foto: Motorsport-Magazin.com

Nach kurzer Unterbrechung noch ein Stopp runter zu Mirabeau: Auf der kleinen Kuppe trennt sich bei den Autos die Spreu vom Weizen. Mercedes hat offensichtliche Probleme, Lewis Hamilton ist zwar früh am Gas, rutscht aber quer runter zur Bodenwelle. Anders Pascal Wehrlein im Sauber: Er muss fast bis zur berühmten Bodenwelle warten, bis er wieder auf dem Gas stehen kann. Sebastian Vettel im Ferrari hingegen fährt wie auf Schienen runter zu Mirabeau.

Dann wieder zurück ins Fahrerlager, Stimmen einholen nach dem Training. Die Zeiten bestätigten den Eindruck von der Strecke: Fast zwei Sekunden war Vettel schneller als vor einem Jahr im Training, eine Sekunde sogar unter dem Streckenrekord. Auch die Fahrer bestätigen den Eindruck: "Wenn wir eine Sekunde schneller sind, sieht das nicht nach viel aus, aber es ist so viel schneller im Vergleich zum letzten Jahr", sagt mir Carlos Sainz mit einem Funkeln in den Augen.

Selbst Lewis Hamilton, der nach der Mercedes-Performance am Nachmittag eigentlich bedient sein müsste schwärmt: "Monaco ist immer wahnsinnig toll zu fahren, aber das ist definitiv das beste Auto, das ich jemals hier gefahren bin." Wegen des höheren Grips hatte Hamilton zuvor erwartet, Monaco wäre nun einfacher. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. "Es ist noch viel cooler hier zu fahren, aber auch schwieriger", meint Romain Grosjean. Genau das kommt auch beim Zuschauer rüber.