Mark, vor ziemlich genau einem halben Jahr hast du deine Motorsport-Karriere beendet. Gab es seitdem Momente, in denen du deine Entscheidung bereut hast?
Mark Webber: Nein, definitiv nicht. Ich bin immer noch sehr glücklich über meine Entscheidung. Die Kameradschaft mit den Fahrern und auch den Teams vermisse ich schon etwas. Das Rennfahren selbst fehlt mir aber nicht so sehr. Klar, ich habe das quasi mein ganzes Leben lang gemacht. Das kann man nicht so einfach abschalten. Aber hey: Ich bin noch an einem Stück, ich bin happy und sportlich hätte ich nicht viel mehr erreichen können. Also lieber aufhören, bevor es zu spät ist.

Irgendwas muss dir doch fehlen an diesem Leben...
Mark Webber: Ja, das Ausloten von Grenzen zusammen mit den Ingenieuren und den Autos, das habe ich schon sehr genossen. Das fehlt mir zu einem gewissen Grad. Das Adrenalin dabei vermisse ich aber nicht, all den Hype auch nicht. Oh, und auch nicht die Fahrer-Briefings und die Ingenieure, die mir immer gesagt haben, was ich machen soll: 'Tu dies, mach das, spar Sprit' und so weiter. Und im Motorsport musst du bei 100 Prozent sein. Gegen Ende hin war ich bei 90 Prozent. Das wäre auch nicht fair gegenüber meinen Teamkollegen und meinem Team.

Ist es dir schwer gefallen, den Schalter hin zum Ex-Rennfahrer umzulegen?
Mark Webber: Das ist es auch jetzt manchmal noch. Der Übergang läuft noch. Aber ich bin weiter ziemlich beschäftigt. Ich reise viel, sogar mehr als während meiner Zeit in der WEC. Nur mit der Formel 1 war ich noch mehr unterwegs gewesen.

Wenn du jetzt im Fahrerlager unterwegs bist, bekommst du noch viele Angebote für Cockpits?
Mark Webber: Ach, nicht so wirklich. Ich hatte das Angebot, in Australien im Rahmen der Formel 1 das Tourenwagenrennen zu fahren. Natürlich schauen auch die Leute aus der Formel E nach Fahrern. Und als Bottas von Williams weggegangen ist, hatten wir Kontakt. Porsche hat mich auch gefragt, warum ich gehe. Aber du musst hungrig auf deinen Job sein. Formel 1 ist jetzt kein Thema mehr für mich und die Formel E ist was für jüngere Fahrer. Ich bekomme schon immer noch Anrufe, aber nichts von Interesse.

Wir trafen Mark Webber in Stuttgart beim Screening zum neuen Amazon Original 'Le Mans - Racing is Everything', Foto: Motorsport-Magazin.com
Wir trafen Mark Webber in Stuttgart beim Screening zum neuen Amazon Original 'Le Mans - Racing is Everything', Foto: Motorsport-Magazin.com

Vor kurzem warst du in der Formel 1 noch mal Thema. Dein früherer Teamkollege Sebastian Vettel sagte in Barcelona, dass du ihm früher in der letzten Schikane Lehrstunden erteilt hast...
Mark Webber: Ja, in dem Sektor war er nicht so gut. Eigentlich war das genau die richtige Kurve für ihn, aber den letzten Sektor in Barcelona mochte er nicht. Und ich glaube, das gilt auch für die zweite Schikane in Monaco und auch Rascasse. Aber das ist normal. Ich meine, Sebastian hat kaum Schwächen. Er ist in allem so gut. Und wenn es dann so kleine Bereiche gibt... In Barcelona und auch in Monaco habe ich ihn ziemlich oft besiegt, das war natürlich gut für mich. Aber es gab viele Strecken, wo ich nicht verstanden habe, wie er das schafft. Singapur zum Beispiel, da ist er einfach magisch.

Der Wettbewerb hat dein bisheriges Leben bestimmt. Fehlt dir das jetzt?
Mark Webber: In all den Unternehmungen, in denen ich jetzt beteiligt bin, spielt dieser Ehrgeiz auch eine Rolle. Der Motorsport bringt dir so vieles dazu bei: Wie man mit Menschen zusammenarbeitet, wie man schnelle Entscheidungen trifft und wie man für die Zukunft plant. Das macht mir also Spaß, genauso wie das Mountainbike fahren. Aber weißt du, ich genieße es genauso sehr, Zeit mit meinem Hund zu verbringen, ein kleines Feuer zu machen, dabei ein Glas Wein zu trinken und einfach zu entspannen.

Webber beendete seine aktive Karriere nach der WEC-Saison 2016, Foto: Porsche
Webber beendete seine aktive Karriere nach der WEC-Saison 2016, Foto: Porsche

Wir hatten ein wenig auf eine Rückkehr von dir in den Motorsport gehofft. Fernando Alonso soll dich gefragt haben, ob du auch das Indy 500 fahren willst. Stimmt die Story?
Mark Webber: Ja, das war beim Rennen in Bahrain. Da sagte er mir, dass ich da in Zukunft auch mal fahren solle. Und ich nur so: "Ja, klar..." Das war nur ein Spaß von ihm, aber ich kenne Fernando ja, manchmal meint er sowas auch ernst.

Und, keine Lust aufs Indy 500?
Mark Webber: Ich muss das nicht machen. Mir reicht es, Fernando dabei zuzuschauen, wie er sich gut schlägt. Ich habe sehr großen Respekt vor allen Fahrern da drüben. Ich habe es immer geliebt, das Indy 500 zu gucken, als ich noch jung war. Formel 1 und das Indy 500 waren toll anzuschauen. Rick Mears, Emerson Fittipaldi, das waren alles Helden. Als Kind habe ich oft Oval-Rennen geschaut, in Australien war Dirt-Track Racing ja eine große Sache. Ich bin so etwas zwar nie selber gefahren, aber deshalb kenne ich die US-Szene vielleicht etwas besser als die meisten Europäer.

Unvergessen: Webber 2013 beim Singapur GP im Alonso-Taxi, Foto: Sutton
Unvergessen: Webber 2013 beim Singapur GP im Alonso-Taxi, Foto: Sutton

Kannst du nachvollziehen, dass Alonso den Monaco Grand Prix fürs Indy 500 sausen lässt?
Mark Webber: Klar! Für ihn ist Monaco dieses Jahr nicht wichtig. Ein paar Punkte mit McLaren zu holen, ist für ihn nicht wirklich eine Geschichte wert.

Wenn McLaren überhaupt Punkte holt...
Mark Webber: Ja, das ist nicht sicher. Und selbst, wenn: Die sind in der Weltmeisterschaft nur vor Sauber. Wen interessiert das schon? Fernando ist Weltmeister, der will in Monaco gewinnen. Wenn er die Chance dazu gehabt hätte, hätte er Monaco niemals ausgelassen. Aber er muss im kommenden Winter überlegen, was er anderes machen könnte, wenn der McLaren nicht schnell ist. Damit fängt so etwas an. Vielleicht setzt er sich in den Kopf, eine neue Herausforderung zu suchen - und will das Triple gewinnen.

Webber und Alonso kennen sich seit vielen Jahren, Foto: Sutton
Webber und Alonso kennen sich seit vielen Jahren, Foto: Sutton

Wie gehst du damit um, dass du Le Mans nie gewonnen hast?
Mark Webber: Ich hab's ein paar Mal probiert. Und immer wenn ich da war, habe ich das Rennen angeführt. Ich glaube, dass ich alles in meiner Macht stehende getan habe, um zu gewinnen. Letztendlich liefen die 24 Stunden aber nie glatt. Es muss aber alles dafür zusammenkommen. Natürlich wäre ein Sieg in Le Mans schön gewesen. Es war aber nicht mein Plan, es Jahr für Jahr für Jahr immer wieder zu versuchen.

Deine damaligen Porsche-Kollegen Nico Hülkenberg, Nick Tandy und Earl Bamber brauchten nur einen Versuch...
Mark Webber: Ja, das kann klappen. Aber dafür müssen einige Dinge richtig laufen. Aber schau dir einen Bob Wallek an. Der ist 30 Mal in Le Mans gestartet und hat nie gewonnen. Oder Mario Andretti beim Indy 500, das er trotz zahlreicher Versuche nur einmal gewinnen konnte. Für mich wäre es das Risiko jetzt nicht mehr wert.