Spanien Grand Prix, Runde 23: Valtteri Bottas macht sich gegen Verfolger Sebastian Vettel mehr als breit, hält den Ferrari-Piloten zwei Runden lang trotz wesentlich älterer Reifen auf. Vettel kämpft sich in Runde 25 fast schon halsbrecherisch am Mercedes-Piloten vorbei, der eine Runde darauf in die Box zum Reifenwechsel abbiegt. Die Aktion brachte Lewis Hamilton entscheidende Sekunden auf Vettel und später den Sieg in Barcelona. Aber: Hat Mercedes mit dem Bottas-Opfer sauber gehandelt?

Pro: Bottas-Blockade legitim

Bottas' Rennen für Hamiltons Sieg-Chancen zu sabotieren war seitens Mercedes ein völlig legitimer Schachzug. Klar, mit seiner Blockade hat der Finne aktiv in Vettels Rennen eingegriffen. Doch unter dem Strich ist und bleibt es eine Teamorder wie jede andere. Es macht keinen Unterschied, ob Toto Wolff und seine Strategen Hamilton einfach nur vorbeiwinken, wie es in Bahrain der Fall war, oder ob sie den langsameren Teamkollegen als rollende Schikane einsetzen.

Es geht um die Formel-1-Weltmeisterschaft und gerade die Top-Teams schrecken seit jeher nur selten davor zurück, den Konkurrenten mit allen verfügbaren Mitteln in die Parade zu fahren. Gerade Ferrari kann ein Lied davon singen. Außerdem, wenn einer der beiden Fahrer ohnehin keine Chance auf den Triumph hat und dafür dazu beitragen kann, dass das Team am Ende als Sieger dasteht, kann er seinem Arbeitgeber in dieser Situation den größtmöglichen Dienst erweisen. Das versteht nun wirklich jeder. Selbst der ehrgeizige Michael Schumacher machte 1999 nach seinem Beinbruch-Comeback für Eddie Irvines WM-Chancen mehr als ein Mal den Weg frei.

Abgesehen davon griff Bottas im Duell mit Vettel zu keinem Zeitpunkt in die Kiste mit den dreckigen Tricks. Der Zweikampf lief sauber ab und als der Ferrari-Pilot zum entscheidenden Manöver ansetzte, gab sich Bottas fair geschlagen. Da gab es in der Vergangenheit ganz andere und noch viel offensichtlichere, um nicht zu sagen dreistere Aktionen.

Vor allem die durch die Mercedes-Stallorder in Barcelona benachteiligte Ferrari-Truppe dürfte sich noch sehr gut daran erinnern, wie Irvine 1997 in Suzuka Schumacher vorbeiließ, nur um dessen Widersacher Jacques Villeneuve danach im Weg herumzustehen, bis dieser etwa zehn Sekunden eingebüßt hatte.

Contra: Erlaubt, aber heikel

Sebastian Vettel ärgerte sich ein bisschen über die Bottas-Blockade. Doch das Thema dürfte schon am Montag wieder gegessen sein. Aber man stelle sich mal vor, es hätte in dieser brenzligen Situation zwischen den beiden gekracht! 'Bottas crasht Hamilton zum Sieg' - mit dieser Schlagzeile wäre Mercedes wohl trotz des Sieges alles andere als happy gewesen. Der Shitstorm wäre nur eine Frage der Zeit gewesen.

Natürlich war es Mercedes' gutes Recht, Bottas rundenlang als Bremsklotz für Vettel auf der Strecke zu lassen. Genauso war es aus Bottas' Sicht vollkommen in Ordnung, den Ferrari nicht einfach vorbeizuwinken. Nur: Mit dieser Strategie nahm Mercedes Bottas früh jegliche Siegchancen, ließ ihn mit viel zu alten Reifen verhungern. Wäre Vettel nicht dahinter gewesen, hätte sich Bottas - wie Hamilton - früher neue Reifen abholen und wirklich kämpfen dürfen.

Bottas war also das ultimative Strategie-Opfer, um Hamilton respektive Mercedes zum Sieg zu verhelfen. Das ist nicht verboten - und mit einem wie Bottas kann man es ja machen... Ob Hamilton auch freundlich genickt hätte, wenn ihm das Team befohlen hätte, das eigene Rennen quasi wegzuwerfen?

Stallregie ist seit Jahren ein heikles Thema bei den Silberpfeilen - in Barcelona haben sie das Fass selber wieder aufgemacht. Und das zu einem mehr als unguten Zeitpunkt, schließlich hatte Bottas gerade erst in Russland gewonnen. Doch selbst als GP-Sieger stellte er sich in den Dienst der Mannschaft - wenn auch diesmal ohne größere Wahl. Bottas wird wie gewohnt gute Miene zum bösen Spiel machen. Hat er aber größere Ambitionen als nur die Nummer 2 zu sein, könnte es intern krachen.