In einem über weite Strecken actionfreien Russland Grand Prix war der Start die entscheidende Phase. Hier legte Valtteri Bottas den Grundstein zu seinem ersten Sieg in der Formel 1, nachdem es ihm gelungen war, sowohl Sebastian Vettel als auch Kimi Räikkönen zu überholen. Während der Startphase ging es drunter und drüber, und viele fragten sich: Wie konnte es überhaupt passieren, dass Bottas beide Ferraris schlug? Und warum klappte es bei Silberpfeil-Teamkollege Lewis Hamilton nicht? Motorsport-Magazin.com zerlegt den Start in Sochi in seine Einzelteile.

Wieso konnte Vettel die Pole nicht verteidigen?

Sebastian Vettel kann man keinen Vorwurf machen, beim Start geschlampt zu haben. Laut eigener Aussage habe er es - irritiert durch die zusätzliche Einführungsrunde - zwar etwas zu konservativ angehen lassen. Den Start erwischte er trotzdem gut von der Ideallinie. Zum Verhängnis wurde ihm zunächst der schwache Start von Kimi Räikkönen, denn so konnte Valtteri Bottas sich sofort in Vettels Heck klemmen und vom Windschatten profitieren.

Vettel musste nicht nur ohne Windschatten fahren, sondern hatte obendrein noch Gegenwind. Das verstärkte den Windschatten-Effekt in Sochi zusätzlich. "Ich hatte das Gefühl, als ob ich mit einem Zelt hinter mir herfahre", sagte der Ferrari-Pilot. Der Gegenwind habe ihn beim Beschleunigen bis zu 15 km/h gekostet, vermutete Vettel.

Als er Bottas' Silberpfeil mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss schon mitten in Kurve 1 im Rückspiegel sah, zog Vettel auf die Innenseite, um sich für Kurve 2 zu verteidigen - doch Bottas überholte dank seinem überlegenen Speed locker auf der Außenseite. So musste Vettel dem späteren Sieger chancenlos die Führung überlassen.

Vor Kurve 2 wurde es für Vettel sogar noch brenzlig mit Kimi Räikkönen, der dank Vettels Windschatten plötzlich heranfahren konnte. Der vierfache Weltmeister hatte aber gerade noch genügend Vorsprung, um leicht nach außen zu ziehen und dadurch einen besseren Eingang in die Kurve zu finden. Auf der Innenseite musste Räikkönen stattdessen leicht lupfen und seinem Teamkollegen den Vorrang überlassen.

Vettel hatte keine Chance gegen Bottas' Windschatten, Foto: Sutton
Vettel hatte keine Chance gegen Bottas' Windschatten, Foto: Sutton

Wovon profitierte Bottas beim Start?

Offensichtlich vom Windschatten und Vettels gleichzeitigem Gegenwind. Die Bedingungen spielten Bottas so sehr in die Karten, dass er sich noch vor dem Eingang zu Kurve 2 vor Vettel einordnen konnte. Allerdings wäre es unfair, nur das Wetter für Bottas' Überholmanöver verantwortlich zu machen. Tatsächlich erwischte er den besten Start aus der Spitzengruppe.

Unwesentlich besser als Vettel, doch das reichte letztendlich aus. "Vielleicht war mein Start ein bisschen besser als der von Seb, aber es war eng", sagte Bottas. Jedenfalls war er viel stärker als der von Landsmann Räikkönen, der Bottas überhaupt nichts entgegensetzen konnte. Kimi hatte es nicht leicht, schließlich musste der von der schmutzigen rechten Seite starten. Wäre es ihm gelungen, vor Bottas zu bleiben, hätte das Rennen wohl ganz anders ausgesehen.

Nach seinem Sieg verriet Bottas, wie hart er gemeinsam mit Mercedes an der Verbesserung seiner Starts gearbeitet habe - das war früher bei Williams nicht immer seine Paradedisziplin gewesen. "Wir haben im Januar und Februar viel Arbeit mit dem Team investiert", so Bottas. "Wir haben stundenlang alle meine Starts aus jedem Jahr analysiert, was schiefgelaufen war. Da habe ich viel bei gelernt und ich werde immer besser." Das kann vor allem 2017 nicht schaden, wo die Fahrer aufgrund des Reglements noch mehr auf sich allein gestellt sind.

Valtteri Bottas ging schon früh in Führung, Foto: Sutton
Valtteri Bottas ging schon früh in Führung, Foto: Sutton

War Hamiltons Start wirklich schlecht?

Bottas gelang es scheinbar spielend, beide Ferraris hinter sich zu lassen - warum dann nicht auch Lewis Hamilton, dem großen Verlierer des Russland Grand Prix? Am Start lag es jedenfalls nicht, da kam Hamilton ähnlich gut weg wie Vettel und Bottas. Und doch kam er am Ende der Startphase nicht über seinen vierten Startplatz hinaus - weil alles gegen ihn lief.

Von der rechten Seite und mit dem lahmenden Räikkönen vor sich, hatte Hamilton keine Chance, mit Bottas oder Vettel mitzuhalten. Also musste Platz drei sein Ziel sein. Auf dem Weg in Kurve 1 wurde es eng mit Räikkönen, der die Innenseite für sich beanspruchte. Von außen kam zudem ein Red Bull angeschossen, der Hamilton kurzzeitig irritierte und zum leichten Gegenlenken zwang.

Trotzdem hätte Hamilton den Sprint bis zu Kurve 2 gegen Räikkönen gewinnen können, hätte ihm nicht der Windschatten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn es war Kimi auf der Innenbahn, der von Vordermann Vettel profitierte und durch den Windschatten ein paar km/h gewann. Hamilton hatte zunächst kein Auto vor sich.

Vor Turn 2 scherte Bottas dann nach links aus und hätte Hamilton ebenfalls Wundschatten geliefert, doch nur wenig später zog Vettel hinter dem führenden Mercedes-Silberpfeil rein. Hamilton geriet sofort in Dirty Air und musste lupfen. "Ich hing dann in der Kurve fest und musste die Position halten", erklärte Hamilton. Das verschaffte Räikkönen ausreichend Luft, um auf der Innenseite von Kurve 2 am Briten vorbeizuschlüpfen.

Das Rennen war praktisch schon vor Kurve 2 gelaufen, Foto: Sutton
Das Rennen war praktisch schon vor Kurve 2 gelaufen, Foto: Sutton

Wer erwischte den schwächsten Start?

Eindeutig Kimi Räikkönen. Daraus machte der Drittplatzierte auch überhaupt kein Geheimnis. "Im Vergleich zu Seb hatte ich einen ziemlich schlechten Start", räumte der Finne ein. "Ich hatte durchdrehende Räder. Ich weiß nicht genau, warum. Es war rutschig und ich war sicher, dass ich noch viel mehr verlieren würde." Dass Räikkönen von der dreckigen Seite des Grid starten musste, half natürlich nicht.

Hamilton ging es nicht besser, und doch schaffte er es, sich bis Kurve 1 direkt neben Räikkönen zu setzen. Dann hatte der Ferrari-Pilot Glück, dass sich das Treiben zwischen Vettel und Bottas vor ihm - und nicht vor Hamilton - abspielte. Dank des daraus resultierenden Windschattens konnte er seinen Nachteil vom Start ausbügeln.

Räikkönen ging die entscheidende Kurve 2 schließlich etwas abenteuerlich an und blieb eng auf der Innenbahn der Ecke. Viel anderes blieb ihm allerdings auch nicht übrig, sonst hätte er den einlenkenden Vettel am Heck erwischt. Der Platz reichte gerade noch aus, um vor Hamilton die Tür zu schließen und Platz drei zu verteidigen. "Danach ist nicht mehr viel passiert", fasste Räikkönen die folgenden Runden bis zum Zieleinlauf zusammen.