Wäre da nicht dieses einmalige Highlight aus dem Vorjahr in Bahrain - Platz zehn bei seinem F1-Debüt als vorübergehender Ersatz für den damals nach einem Crash verletzten Fernando Alonso -, so hätte Stoffel Vandoorne bislang nur furchtbare Tage in der Königsklasse mit McLaren verbracht.

Nicht nur bei den Testfahrten im Winter, auch - oder gerade - zu Saisonstart. Ein letzter Platz unter allen Klassifizierten in Melbourne, ein Ausfall in China und zuletzt - als vorläufiger Tiefpunkt - ein nicht einmal gestarteter Bahrain GP. Allesamt Resultate der einmal mehr gewaltigen Probleme mit der Zuverlässigkeit des McLaren-Honda anno 2017.

Vandoorne knackt Renndistanz in Bahrain

Umso erfreulicher die ersten Testfahrten innerhalb der Saison, ebenfalls in Bahrain. Nachdem Simulatorfahrer Oliver Turvey am Vortag noch erneut wegen der Defekt-Anfälligkeit des Boliden aus Woking/Sakura kaum zum Fahren gekommen war, ging es für Vandoorne am zweiten und finalen der beiden Testtage endlich merklich aufwärts. Mit 81 Runden spulte der Belgier bei höchst Material mordenden Bedingungen in der Wüste deutlich mehr als eine Renndistanz ab.

Sein bester Tag überhaupt also bei McLaren? "Darüber habe ich nicht nachgedacht. Allgemein ist es aber sicher unser bester Tag der Saison gewesen, weil wir sehr viel gelernt haben und viele Runden ohne Probleme geschafft haben. Für diese Saison vielleicht der beste Tag", sagt Vandoorne auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Für diese Saison - ja, sein Punkt zum F1-Debüt im Vorjahr hat Vandoorne bei all dem Frust der vergangenen Wochen nicht vergessen.

Bahrain-Test, Tag 2: Zeiten und Runden

POS Fahrer Team Zeit Runden
1 Bottas Mercedes 1:31,280 143
2 Vettel Ferrari 1:31,574 64
3 Sainz Toro Rosso 1:31,884 68
4 Vandoorne McLaren 1:32,108 81
5 Magnussen Haas 1:32,120 87
6 Ocon Force India 1:32,142 60
7 Kvyat Toro Rosso 1:32,213 61
8 Paffett Williams 1:32,253 126
9 Sirotkin Renault 1:32,287 90
10 Gasly Red Bull 1:32,568 65
11 Wehrlein Sauber 1:34,462 91
12 Perez Force India 1:35,015 70

McLaren mit Setup-Spezialprogramm für Vandoorne

Erleichtert fühle er sich angesichts des endlich erfolgreichen Tages deshalb jedoch nicht. "Von Erleichterung würde ich nicht sprechen. Aber natürlich bin ich zufrieden mit all den Runden, die wir gefahren sind. Wir hatten einen ordentlichen Tag mit vernünftigen Setup-Tests", sagt Vandoorne. "Wir sind heute im Grunde nach links, rechts, in die Mitte, überall hin gegangen mit dem Setup", beschreibt der Belgier. "Das war für das Team gut, so zu sehen, woher die Performance kommt. Aber auch für mich, um zu wissen, in welcher Richtung das Auto tatsächlich besser performt", sagt Vandoorne.

Renndirektor Eric Boullier nennt diese Erfahrung für seinen Pilot gar "unbezahlbar". Man habe all die Abstimmungsänderungen extra vorgenommen, damit Vandoorne diese Unterschiede spüre. "Was die Erfahrung angeht war das 1000 mal wichtiger als ein Rennen", sagt Boullier.

An Rennwochenenden hatte Vandoorne ohnehin bislang noch nicht genug Gelegenheit, wirklich Erfahrung zu sammeln. Immer wieder funkten Defekte, Probleme oder äußere Umstände wie in China (abgesagter Freitag) dazwischen. Entsprechend holprig startete die erste volle F1-Saison Vandoornes. "Das war das erste Mal, dass wir einen Tag ohne große Probleme hatten und unser eigentliches Programm durchziehen konnten", erinnert Vandoorne. "Wir haben heute mehr oder weniger alles geschafft. Wir sind Setup-Kram durchgegangen, den wir eigentlich schon in Barcelona hätten beenden sollen", verdeutlicht Vandoorne, welch langen 'Rattenschwanz' in Sachen Test-Programm McLaren bereits hinter sich herschleift. "Es waren schon ein paar ziemlich fundamentale Dinge, die wir verstehen mussten", ergänzt Vandoorne.

Genau deshalb reicht McLaren ein einziger guter Tag jedoch längst nicht mehr. "Heute war es gut, aber es gibt keine Garantie, dass es das nächste Mal wieder gut läuft", warnt Vandoorne. Der Belgier weiß bereits genau, wie der Hase in der Formel 1 läuft. "Wir brauchen nicht einen Tag wie diesen. Wir brauchen, dass es die ganze Zeit so läuft", stellt Vandoorne klar. Er hoffe nach diesem erfolgreichen Mittwoch jetzt jedenfalls, auch an den kommenden Rennwochenenden Verbesserungen zu sehen.

Vandoorne überzeugt: McLaren-Verbesserung kommt

Grundsätzlich sieht Vandoorne McLaren dafür auch durchaus passabel aufgestellt. "Ich denke, dass unsere Basis schon recht stark ist. Heute und auch schon am Wochenende habe ich mich im Auto wohlgefühlt. Das Chassis verhält sich gut und in in den nächsten Rennen bringen wir weitere Teile ans Auto, sodass es potentiell sehr stark wird", sagt Vandoorne.

Das Wort, auf das es hier vor allem ankommt: potentiell. Denn so gut das Chassis auch sein mag, reicht das noch lange nicht, wenn die Leistung nicht Schritt halten kann. "Wir wissen, dass unser größtes Defizit noch immer die Power ist und das macht eben viel Rundenzeit aus", erinnert Vandoorne. Von McLaren-Seite könne man nur alles tun, um sicherzustellen, dass die neuen Teile gut funktionieren würden. Dann gilt es für McLaren aber abzuwarten, was die Honda-Ingenieure so aus dem Hut zu zaubern in der Lage sind.

Von Bahrain GP auf Bahrain-Test jedenfalls habe er im Auto nicht keinen merklichen Unterschied gespürt, berichtet Vandoorne. "Ich habe heute nicht viele Overlays gesehen und möchte dazu deshalb nicht allzu viel sagen. Es gibt aber viele Background-Tests in Sachen Motor. Aber was die Power betrifft, ist es recht ähnlich zum Wochenende", sagt der Mclaren-Pilot zu Motorsport-Magazin.com.

Stoffel Vandoorne probierte in Bahrain so ziemlich alles in Sachen Setup, was der McLaren hergibt, Foto: Sutton
Stoffel Vandoorne probierte in Bahrain so ziemlich alles in Sachen Setup, was der McLaren hergibt, Foto: Sutton

Schaden für Vandoorne-Karriere durch McLaren-Debakel?

Für ihn selbst und seine Karriere sei die gegenwärtig schwierige Situation jedoch kein Problem. "Ich spüre da im Moment keinen riesigen Druck. Aber gleichzeitig nehme ich es nicht locker", sagt Vandoorne. "Ich kenne das Team gut und bin seit langer Zeit mit ihnen zusammen. Ich mache meinen Job so gut ich kann, arbeite mit den Ingenieuren und dem Team", beschreibt er.

Zudem sei offenkundig, dass McLaren derzeit nicht konkurrenzfähig sei, er also nicht mal eben um die Pole kämpfen könne. "Das ist nicht wirklich relevant gerade", sagt Vandoorne. "Aktuell ist es einfach eine schwierige Saison, in der es darum geht, uns durch die Probleme zu manövrieren. Rückendeckung bekommt der überlegene GP2-Champion von 2015 von seinem Renndirektor bei McLaren. "Er ist in einer komfortablen Position. Er muss nicht jedes Rennen zeigen, was er kann. Wir glauben an ihn. Er hat keinen Druck", sagt Boullier. Vandoorne bekomme gerade in diese so schwierigen Zeit für das Team insgesamt alle Unterstützung, um in seiner Karriere als Rennfahrer voran zu kommen. Bei McLaren indes sei er sowieso mit einem Langzeitvertrag ausgestattet. "Er kann warten. Es (die aktuelle Gesamtlage McLarens; d. Red.) ist schlimmer für Fernando ..."