Ein Formel-1-Weltmeister für das Indy 500! Was den US-Fans zuletzt im Jahr 1993 nach Nigel Mansells Wechsel über den Atlantik geboten wurde, ist in wenigen Wochen wieder Realität. Der zweimalige F1-Champion Fernando Alonso gönnt sich einen ersten Ausflug zu den IndyCars.

Indy 500 statt Monaco-GP - ein klares Statement des Spaniers. Er schließt damit aber auch an eine langjährige Tradition an, die in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr gepflegt wurde. Aus Formel-1-Fahrern wurden in dieser Zeit hochprofessionalisierte Spezialisten, die nur noch selten außerhalb ihres angestammten Monocoques Gas geben durften. Motorsportliche Universalhelden suchte man in der Königsklasse daher zuletzt vergeblich. Doch das war nicht immer so. Motorsport-Magazin.com nimmt euch auf eine kurze Zeitreise mit:

Die Anfänge: Indy 500 im Formel-1-Kalender

Als die Formel 1 im Jahr 1950 ihren Rennbetrieb aufnahm, durfte die traditionsreichste Veranstaltung Nordamerikas natürlich nicht im Kalender fehlen. Das Indy 500 war somit am 30. Mai 1950 das dritte je ausgetragene F1-Rennen. Bei den Fahrern der damaligen Zeit erfreute sich das gefährliche Spektakel aber nicht allzu großer Beliebtheit. Größen wie Juan Manuel Fangio, Giuseppe Farina oder Alberto Ascari verzichteten in den ersten Jahren auf die Reise in die USA. Im Gegenzug gingen die Indy-Starter nicht in den europäischen F1-Läufen an den Start. Das damalige Kuriosum: das Indy 500 zählte sowohl zur Formel 1 als auch zur amerikanischen Meisterschaft der AAA.

Reaktionen: Alonso pfeift auf Monaco - Indy 500 here we come!: (01:50 Min.)

1958 versuchte sich Fangio zum ersten Mal in Indianapolis, verpasste aber die Qualifikation. Für die Saison 1961 wurde das Rennen aus dem Kalender gestrichen und kam in dieser Form nie wieder zurück in die Formel 1. In den elf Auflagen des Events hatte es nur ein einziger Nicht-Amerikaner je ins Ziel geschafft: Alberto Ascari als 19. im Jahr 1952.

Legenden jagen die Triple Crown

Kaum war das Rennen nicht mehr Teil der Formel 1, wurde es prompt interessant für deren Fahrer. Die großen Legenden der Sechzigerjahre wie Jim Clark, Jackie Stewart, Graham Hill oder Jochen Rindt wagten als motorsportliche Alleskönner mehrfach den Blick über den Tellerrand des damals noch überschaubaren F1-Rennkalenders.

Graham Hill: Der einzige Träger der Triple Crown, Foto: Sutton
Graham Hill: Der einzige Träger der Triple Crown, Foto: Sutton

Clark war 1963 der erste europäische Pilot auf dem Podest des Indy 500, 1964 der erste europäische Polesitter und ein Jahr später der erste Europäer, der den Klassiker gewinnen konnte. 1966 triumphierte Graham Hill in einem Rennen, das beinahe Stewart in seinem ersten Versuch gewonnen hätte, wäre er nicht acht Runden vor dem Ende mit einer Runde Vorsprung wegen eines Defekts ausgefallen.

Die "Triple Crown of Motorsport" wurde in diesen Jahren zum Mythos. Wie rennverrückt die Motorsport-Asse der damaligen Zeit waren, zeigt ein Blick in den Rennkalender von Jochen Rindt im Jahr 1967: Neben seinen zehn Einsätzen in der Formel 1 fuhr der Österreicher bei den 24 Stunden von Le Mans, beim Indy 500 und holte so nebenbei noch neun Siege in der Formel 2. Von den drei großen Rennen der "Triple Crown" (Indy 500, Monaco GP und 24 Stunden von Le Mans), konnte er mit Le Mans und Monaco aber nur zwei gewinnen.

Fahrer mit Siegen in mindestens zwei Rennen der "Triple Crown":

Fahrer Sieg Monaco GPSieg Indy 500Sieg 24H Le Mans
Graham Hill 1963-'65, '68, '69 1966 1972
Juan-Pablo Montoya2003 2000, '15 -
Jochen Rindt1970 - 1965
Denny Hulme1967 - 1961
Bruce McLaren1962 - 1966
A.J. Foyt- 1961, '64, '67, '77 1967
Maurice Trintignant1955, '58 - 1954
Tazio Nuvolari1932 - 1933

Bis heute blieb es Graham Hill vorbehalten, den Hattrick der drei Klassiker zu holen. Als bereits dreifacher Monaco-Sieger 1966 auch in Indy siegreich, komplettierte er die "Triple Crown" 1972 in Le Mans.

IndyCar vs. F1 - die Eiszeit

In den Siebzigerjahren flaute der Zulauf der Formel-1-Fahrer nach Indianapolis wieder ab. Die USA gebar in dieser Zeit mit den Unser-Brüdern oder A.J. Foyt ihre eigenen Rennlegenden, die nie den Sprung über den großen Teich wagten. Im Gegenzug war Mario Andretti der letzte Mohikaner, der parallel in der amerikanischen Meisterschaft und der europäisch geprägten Formel 1 fuhr. 1982 war er der bis heute letzte F1-Stammfahrer, der im gleichen Jahr parallel dazu beim Indy 500 startete.

Die Professionalisierung der Formel 1 unter der Vermarktung von Bernie Ecclestone und der Neustart des US-Motorsports unter Leitung der CART sorgten für Parallelwelten, in denen es in den 1980er-Jahren keinerlei Überschneidungen gab. 1987 brach endgültig Eiszeit aus, als die F1 den Grand Prix von Monaco im Rennkalender auf das letzte Mai-Wochenende setzte und damit auf direkten Kollisionskurs mit dem Indy 500 ging. Gleichzeitige Starts bei den IndyCars und den F1-Boliden waren endgültig unmöglich geworden.

1993 wechselte Nigel Mansell als amtierender F1-Champion zu den IndyCars, Foto: Sutton
1993 wechselte Nigel Mansell als amtierender F1-Champion zu den IndyCars, Foto: Sutton

Aus der F1 zu den IndyCars und umgekehrt

In den Neunzigerjahren entwickelten sich die IndyCars zur Auslaufzone für in die Jahre gekommene Formel-1-Stars. Mario Andretti oder Emerson Fittipaldi fuhren dort bis nach ihrem 50. Geburtstag noch Rennen. Fittipaldi etwa sollte 1989 und 1993 als Mittvierziger beim Indy 500 triumphieren. Mit Nigel Mansell wagte 1993 sogar ein amtierender Formel-1-Champion den Sprung über den Teich, wo er in seinem Debütjahr den Titel holte. Bei seinen zwei Starts beim Indy 500 blieb ihm ein Sieg allerdings verwehrt (1993 belegte er Rang 3).

F1-Weltmeister, die auch das Indy 500 gewinnen konnten:

Fahrer F1-WeltmeisterSieg Indy 500
Graham Hill 1962, '68 1966
Jim Clark 1963, '65 1965
Mario Andretti 1978 1969
Emerson Fittipaldi 1972, '74 1989, '93
Jacques Villeneuve 1997 1995
Graham Hill 1963-'65, '68, '69 1966
Jim Clark 1963-'65, '68, '69 1965

Aber es ging auch in die andere Richtung über den Atlantik. 1993 schaffte es Michael Andretti, Marios Sohn, aus der IndyCar Series in die Formel 1. Ihm folgte drei Jahre später Jacques Villeneuve - der 1995 das letzte Indy 500 vor der Spaltung der IndyCars in "ChampCar Series" und "Indy Racing League" gewinnen konnte.

Montoya vs. Alonso - das neue Duell?

Im Jahr 2000 schaffte es zum bislang letzten Mal ein Indy-500-Sieger in die Formel 1: Juan-Pablo Montoya. Nach seiner Rückkehr nach Nordamerika gewann der Kolumbianer 2015 den Klassiker zum zweiten Mal und geht in diesem Jahr auf den dritten Titel los. Obwohl er für die aktuelle Saison keinen vollen Vertrag mehr erhielt, wird Montoya beim Indy 500 für das Team Penske starten und damit direkt gegen Alonso antreten.

Der will mittelfristig auf die "Triple Crown" - Siege in Monaco, Indianapolis und Le Mans - losgehen. "Ich will den Hattrick mit Siegen beim Monaco-Grand-Prix, Indy 500 und den 24 Stunden von Le Mans schaffen", ließ er am Mittwoch ausrichten. Damit könnte er sich ein Wettrennen mit Montoya liefern, dem nur noch ein Sieg in Le Mans fehlt. Alonso und Montoya - die Clarks, Hills und Rindts der Neuzeit?