Nachdem Pascal Wehrlein auch das zweite Saisonrennen in China verletzungsbedingt absagen musste, keimten erneut Verschwörungstheorien auf. Es wird spekuliert, dass Ferrari als Motorenlieferant von Sauber versucht, mit Antonio Giovinazzi seinem hauseigenen Nachwuchs im Team der Schweizer zu einem Renncockpit zu verhelfen - was für Mercedes-Junior Wehrlein den Verlust seines Arbeitsplatzes bedeuten könnte. Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn verwies derartige Spekulationen nun ins Reich der Fabeln.

"Ich muss diese Leute leider enttäuschen, aber die Geschichte ist eigentlich ziemlich klar. Es ist manchen dort draußen vielleicht nur nicht spannend genug, um es zu verkaufen", so Kaltenborn in Shanghai. Auch Wehrlein-Förderer Toto Wolff und Ersatzmann Giovinazzi bekräftigten nach dem Saisonauftakt in Australien, dass Wehrlein als eigentlicher Stammpilot jederzeit Anrecht auf die Rückkehr ins Sauber-Cockpit hat, sollte er körperlich wieder dazu in der Lage sein.

Auch Kaltenborn lässt keinen Zweifel daran, dass die Abwesenheit ihres Stammfahrers einzig seiner physischen Verfassung geschuldet ist und es dafür keinerlei politische Gründe gibt. "Faktisch ist es so, dass er in den USA diesen Unfall hatte. Ich denke, die meisten von uns haben die Bilder gesehen und dabei auch erkannt, dass es ein ziemlich heftiger Einschlag war. Sein Rücken hat bei dem Unfall gelitten", so die Schweizerin, die ein klare Antwort auf die Spekulationen hat, dass Wehrleins Job in Gefahr sei: "Nein, natürlich nicht."

Pascal Wehrlein war bei den Barcelona-Testfahrten noch guter Dinge, Foto: Sutton
Pascal Wehrlein war bei den Barcelona-Testfahrten noch guter Dinge, Foto: Sutton

Kaltenborn: Müssen Verletzung ernst nehmen

Wehrleins Arbeitgeber will unter keinen Umständen, dass ihr Pilot unnötige Gesundheitsrisiken eingeht, nur um im Cockpit zu sitzen. "Es war ein schwerer Einschlag und die Kompression, die auf dabei auf seine Wirbelsäule eingewirkt hat, war extrem. Diese Dinge muss man ernst nehmen. Man kann sie nicht auf die leichte Schulter nehmen", so Kaltenborn. Auch wenn Wehrleins Genesung noch längere Zeit in Anspruch nehmen sollte, wird er sein Cockpit beim Team behalten: "Es ist keine Frage unserer Geduld. Diese Dinge brauchen Zeit und du kannst es nicht erzwingen. Wir können keine Wunder vollbringen."

Kaltenborn hat nicht den geringsten Zweifel daran, dass Wehrlein nach seiner Rückkehr zur vollen Fitness wieder an seine alte Form anschließen können wird. "Es geht wirklich darum, was er in Sachen Trainingsvorbereitungen verloren hat. Es geht nicht um das Fahren, denn das hat er in den paar Wochen nicht vergessen", so die Teamchefin, die auch das 2017er Reglement als Hindernis für die noch nicht erfolgte Rückkehr Wehrleins sieht: "Das spielt definitiv eine Rolle. Selbst Fahrer, die nicht ein solches Handicap haben, sagen, wie schwierig es ist. Wenn Pascal nicht das Gefühl hat, dass er über das gesamte Rennen 100 % geben kann, werden wir es nicht tun, da es auch eine Frage des Risikos ist."

Wehrlein wollte unbedingt fahren

Die überraschende Absage Wehrleins am Samstagmorgen in Australien warf jedoch viele Fragen auf. Hätten Fahrer und Team nicht schon frühzeitig Bescheid wissen können? "Nein, nicht wirklich", so die Teamchefin. Als Wehrlein für die zweite Testwoche in Barcelona die Freigabe der Ärzte erhielt, war dies für Sauber ein positives Signal hinsichtlich eines Renneinsatzes. "Der Fortschritt, den er danach mit seinem Physiotherapeuten Josef [Leberer] gemacht hat, war sehr gut. Deshalb hatten die Verantwortlichen vom Mercedes Juniorprogramm und wir zusammen entschieden, dass wir keine Anzeichen sahen, ihn in Australien nicht fahren zu lassen ", fügt Kaltenborn an.

Dass Wehrlein es in Melbourne zumindest versuchen wollte, war für seine Teamchefin nur logisch. "Jeder weiß, wie ambitioniert er ist und welch große Ziele er hat. Er ist definitiv niemand, der eine Möglichkeit zum Fahren auslassen würde", ist sich Kaltenborn sicher. "Er wollte wirklich dort sein und fahren, und so war es für ihn umso schwieriger, am Freitag die Entscheidung zu treffen und sich einzugestehen, dass er nicht fit genug war, seine Performance zu 100 % abzurufen."

Wehrlein spricht über seinen Einstieg bei Sauber (02:17 Min.)

Wehrlein reagierte wie andere Piloten vor ihm

Dementsprechend viel Anerkennung brachten Mercedes und Sauber Wehrlein für dessen mutigen Schritt entgegen. "Ich denke, es braucht viel Courage und Intelligenz von einem Fahrer, um diese Entscheidung zu treffen", so Kaltenborn, die außerdem kritisierte, dass Wehrleins Position im Team von den Medien in Frage gestellt wurde: "Ich denke, es ist sehr unfair." Wehrlein habe genauso reagiert, wie es auch andere Piloten in der Vergangenheit nach schweren Unfällen getan hatten.

"Er hat in Australien genau das gleiche gemacht", fügt Kaltenborn an als sie einen Vergleich zu Sergio Perez zieht, der 2011 nach einem schweren Unfall in Monaco zum Pausieren gezwungen war. "Wenn wir uns das Beispiel von Sergio anschauen: Er wollte in Kanada im Auto sitzen und es klappte nicht, also musste wir ihn aus aussetzen lassen." Ähnlich sei es bei Marcus Ericssons Unfall beim Training für den Großbritannien-GP 2016 gewesen: "Auch nach Marcus Unfall war es nicht einfach, wieder ins Auto zu steigen. Der Körper braucht seine Zeit, so ist das einfach."

Bahrain-Comeback fraglich

Nachdem Wehrlein zusammen mit Sauber und seinen Förderern vom Mercedes-Nachwuchsprogramm die Entscheidung getroffen hatte, das zweite Saisonrennen in China auszulassen, wird er in Shanghai auch nicht an der Strecke sein und stattdessen zuhause an seiner Fitness arbeiten. "Wir haben gesagt, dass es wichtig ist, dass er sich jetzt mit einem sehr intensiven Trainingsprogramm wieder an den Punkt zurückbringt, an dem er sagen kann, dass er 100 % abrufen kann. Er trainiert mit Vollgas und er bekommt all unsere Unterstützung", so Kaltenborn.

Bereits in einer Woche steht in Bahrain jedoch das nächste Rennen zur Formel-1-Weltmeisterschaft 2017 an. Ob der Stammpilot bis dahin fit ist, kann seine Chefin zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehen: "Was den Körper angeht, kann dir heute niemand sagen, was in drei oder vier Tagen ist. Das sind alles Spekulationen. Er befindet sich im Moment im Training des Mercedes-Fahrerprogramms. Sie kennen ihn sehr gut und ich bin mir sicher, dass sie eine sehr gute Beurteilung abgegeben werden - und dann schauen wir es zusammen an."