Nach dem unerwarteten Formel-1-Debüt beim Großen Preis von Australien konnte Ferrari-Entwicklungsfahrer Antonio Giovinazzi mit Recht stolz auf sich sein. Während der eigentliche Rookie im Feld, Lance Stroll, an seinem Premieren-Wochenende eine eher durchwachsene Vorstellung ablieferte, behielt Giovinazzi bei seinem Auftritt als Ersatzfahrer von Sauber-Pilot Pascal Wehrlein eine weiße Weste. Der Scuderia gab er damit neben Vettels Sieg doppelt Grund zum Feiern.

"Gratulation an Antonio zu seinem Debüt in der Formel 1", hatte Ferrari-CEO Sergio Marchionne nach dem Sieg seiner Scuderia in seinem Statement nach dem Auftaktrennen in Australien sogar noch Worte übrig, um seinem Junior-Fahrer zum zwölften Platz in dessen erstem Grand Prix zu gratulieren. Dabei war dieser eigentlich nur als Lehrling seines Teams nach Melbourne gereist.

"Ich freue mich sehr für Ferrari, dass sie wieder zurück sind. Sie sind zurück an der Spitze und ein italienischer Fahrer ist zurück in der Formel 1. Ich glaube, viel mehr hätten sich die italienischen Fans nicht wünschen können", resümierte Giovinazzi, der seit Jarno Trulli und Vitantonio Liuzzi im Jahr 2011 der erste Italiener ist, der an einem Rennen der Königsklasse teilgenommen hat.

Wem er seinen überraschenden Einstand in der Königsklasse zu verdanken hatte, vergaß er dabei natürlich nicht. "Ich hatte großes Glück, hier zu sein. Alle Fahrer träumen davon, einen Formel-1-Grand-Prix zu fahren. Ich will mich bei der Scuderia Ferrari und Sauber für diese Möglichkeit bedanken", so Giovinazzi, der das ganze Wochenende über sein Glück kaum fassen konnte: "Ich habe wirklich jede einzelne Runde im Auto genossen."

Giovinazzi musste in Australien ohne viel Vorbereitung für Sauber ran, Foto: Sutton
Giovinazzi musste in Australien ohne viel Vorbereitung für Sauber ran, Foto: Sutton

Mission erfüllt

Die Premierenvorstellung Giovinazzis war in der Tat beeindruckend. Nachdem Wehrlein am Samstagmorgen seinen Rückzug vom Auftaktwochenende bekanntgegeben hatte, blieb dem Italiener nur das 3. Freie Training, um sich mit dem für ihn völlig unbekannten Kurs im Albert Park vertraut zu machen. Doch vom ersten Moment an setzte er keinen Fuß falsch. "Ich hatte nur das FP3 und wusste nicht, wo das Limit im Qualifying ist. Aber das klappte gut", so Giovinazzi, der den Einzug ins Q2 nur haarscharf verpasste und sofort auf Augenhöhe mit Teamkollege Marcus Ericsson unterwegs war.

Am Renntag ging es für ihn darum, das Maximum aus seiner bis auf weiteres vielleicht einzigen Chance zu machen. Dass er dabei ziemlich defensiv unterwegs war, war für ihn Teil seiner Taktik: "Für das Rennen hatte ich keine große Erfahrung mit dem Abbau der Reifen. In der GP2 bauen die Reifen sehr schnell ab, und das Team wollte, dass ich die erste Rennhälfte ohne Reifenwechsel fahre. Also habe ich es locker angehen lassen, weil ich nicht nach einem zusätzlichen Boxenstopp fragen wollte."

Bester Rookie ohne Anlauf

Mit einer fehlerfreien Vorstellung dem zwölften Platz war er unter dem Strich vollends zufrieden, denn seine Ziele und die des Teams hatte er erreicht: "Es ging für mich darum, die Reifen und das Auto verstehen. Mein Ziel war es, Erfahrung zu sammeln." Dass er sowohl am Samstag als auch am Sonntag die kleine Sensation knapp verpasste, änderte daran nichts: "Im Zeittraining nur zwei Zehntel hinter Q2 und im Rennen nur zwei Plätze von den Punkten entfernt... Es war aber trotzdem ein gutes Wochenende."

Zudem war ihm nicht entgangen, dass er von den Rookies im Feld die Zielflagge als erstes sah. "Stoffel ist letztes Jahr schon ein Rennen gefahren, aber er war natürlich auch ein Rookie. Ocon ist schon ein halbes Jahr dabei, nur Lance hatte noch keinen Start. Bester Rookie mit solch einer geringen Vorbereitung zu sein, damit bin ich sehr glücklich", so das Fazit der italienischen Formel-1-Hoffnung.

Auf Ferraris hauseigenen Teststrecke in Fiorano durfte Giovinazzi schon im roten Boliden Platz nehmen, Foto: Ferrari
Auf Ferraris hauseigenen Teststrecke in Fiorano durfte Giovinazzi schon im roten Boliden Platz nehmen, Foto: Ferrari

Italiens Nummer eins auf vier Rädern

Mit 23 Jahren ist Giovinazzi angesichts des mittlerweile in der Formel 1 herrschenden Jugendwahns längst nicht mehr die jüngste Nachwuchshoffnung. Doch mit seiner beeindruckenden Debüt-Saison in der GP2, bei der er nur hauchdünn den Titel gegen Red-Bull-Junior Pierre Gasly verpasste, fuhr sich Giovinazzi auf das Radar der F1-Teams. "Der November war schlecht, denn ich habe die GP2 Meisterschaft im letzten Rennen verloren. Ab Dezember war dann aber wieder alles gut. Erst der Kontakt zu Ferrari, dann der Barcelona-Test für Sauber: Was könnte ich mir mehr wünschen?", so der Italiener über seinen rasanten Aufstieg.

Als Ferrari Giovinazzi kurz vor Weihnachten 2016 als dritten Piloten bekanntgab, war zunächst noch unklar, ob er auf eine zweite Saison in der GP2 mit dem Ziel des Titelgewinns angesetzt würde. Nachdem sein Name jedoch nicht in den Starterlisten der jetzigen Formel 2 auftauchte, war klar, dass die Scuderia andere Pläne mit dem Youngster hat. Als Lehrling des Teams soll er in diesem Jahr an jedem Rennwochenende in der Ferrari-Garage vor Ort sein. Ein klares Zeichen für das Interesse der Italiener, ihn möglichst schnell für die Formel 1 fit zu machen. Als Wehrlein vor den Testfahrten verletzungsbedingt ausfiel, war der Name Giovinazzi so schnell im Spiel.

Zukunft bei Ferrari

Der Ferrari-Junior machte bei den Barcelona-Tests und am Auftaktwochenende zweifelsohne das Beste aus seiner Chance in der Formel 1. In China soll Wehrlein wieder den zweiten Sauber neben Ericsson übernehmen. "Ich werde mit Ferrari in China sein, denn ich bin ihr dritter Fahrer", stellt Giovinazzi klar. Das bedeutet für ihn zwar, dass er nur als Zuschauer vor Ort sein wird - ein Problem hat er damit aber offenbar nicht: "Ich wusste, dass es dieses Jahr so sein würde."

Giovinazzi scheint nach Jules Bianchi der erste Pilot zu sein, den die Scuderia wieder gezielt für ein Cockpit in ihrem Werksteam aufbaut. Der vor knapp zwei Jahren nach seinem schweren Unfall beim Saisonfinale 2014 verstorbene Franzose galt fast schon als sicherer Kandidat für ein Ferrari-Cockpit. Giovinazzi könnte diesen Kreis in einigen Jahren schließen. Die Vorstellung eines italienischen Piloten hinter dem Steuer eines Ferraris gefällt ihm jedenfalls: "Das hoffe ich sehr."