Wenn in wenigen Tagen die Motoren in Australien aufheulen, ist die Zeit des Belauerns in der Formel 1 vorbei. Die Testfahrten in Barcelona zeichneten kein klares Bild der Favoritenrolle, stattdessen schoben sich vor allem Mercedes und Ferrari die Favoritenrolle gegenseitig hin und her. Mercedes wird dabei unterstellt, dass sie ihr wahres Potential noch nicht gezeigt hätten und über einige Reserven verfügten. Doch perfekt sei gerade die zweite Woche der Testfahrten nicht verlaufen, wie Toto Wolff nochmals unterstreicht.

"Wir haben viele Probleme gehabt bei den Tests. Unser Auto hat sich nicht so verhalten, wie wir uns das vor allem in der zweiten Woche erwartet haben", so Wolff im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. "Jetzt müssen wir die Arbeit richtig machen, damit wir beim Saisonstart in Melbourne das bestmögliche Paket haben. Im Qualifying am Samstag werden wir tatsächlich wissen, was Sache ist", erklärt der Österreicher.

Bei den Testfahrten rückte Ferrari Mercedes mehr als nur auf die Pelle, Foto: Sutton
Bei den Testfahrten rückte Ferrari Mercedes mehr als nur auf die Pelle, Foto: Sutton

Zwischen Fansein und Konzernverantwortung

Ein Großteil der Zuschauer würde es sicherlich begrüßen, wenn der Titelkampf enger und zwischen verschiedenen Teams ausgetragen wird. Auch Wolff ist einer gewissen Abwechslung nicht abgeneigt. Die Oberen des Daimler-Konzerns um Vorstandschef Dieter Zetsche erwarten jedoch eine Fortführung der Dominanz. "Die Kappe, die ich trage, hat einen Stern vorne drauf. Und der Anspruch von Herrn Zetsche, der an mich gestellt wird und den ich auch an mich selbst und die Mannschaft stelle, ist, dass wir gewinnen. Wir wollen ein Jahrzehnt kreieren, in dem Mercedes der Maßstab ist. Das treibt uns an", formuliert Wolff die Zielvorgabe.

Jedoch sei auch er ein Fan des Motorsports und habe entsprechend Freude an engen Duellen. "Ein größerer Wettbewerb macht mehr Spaß. Nicht nur für den Fan, der zusieht, sondern auch für den Fan in mir, der den Wettbewerb gerne mag. Es ist unheimlich zufriedenstellend, ein Rennen zu gewinnen, das mit anderen Teams richtig hart umkämpft war", erläutert er. "Ich hadere permanent mit mir, was richtig ist. Aber im Endeffekt siegt die Mercedes-Kappe."

Die neue Saison beginnt dabei nicht nur aufgrund des neuen Reglements unter neuen Voraussetzungen. Mit Nico Rosberg hat der amtierende Weltmeister das Team ohne Vorwarnung verlassen, zu einem Zeitpunkt, der ungelegener kaum sein konnte. Statt sich vollends auf die Entwicklung des neuen Boliden zu konzentrieren, musste nun auch parallel ein Ersatz für Rosberg gesucht werden. Übel nahm Wolff dem Deutschen seine Entscheidung aber nicht.

Rivalität Hamilton-Rosberg war negativ für das Team

Die Rivalität zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton wurde immer stärker, Foto: Sutton
Die Rivalität zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton wurde immer stärker, Foto: Sutton

"Ich habe sofort versucht, in dieser Situation auch eine Gelegenheit zu sehen. Einerseits war Nico ein Leistungsträger, der sich und seinen Teamkollegen zu Höchstleistungen gepusht hat, zum anderen ist die Rivalität zwischen Lewis und Nico so intensiv geworden, dass sie für das Team negativ war", hält er fest. Teilweise habe das Dauerthema ablenkend gewirkt. "Wir mussten uns immer wieder mit dem Medienecho beschäftigen, das diese Rivalität ausgelöst hat - anstatt uns um Performance-Themen zu kümmern. Diese Animositäten haben teilweise richtige Wellen bei uns geschlagen. Das war nicht gut", so der Mercedes-Motorsportchef.

Für die persönliche Entscheidung Rosbergs, seine Karriere zu beenden, hat Wolff durchaus Verständnis. "Es ist wichtig, für sich selbst festzustellen, was einen antreibt. Das kann sich auch verändern. Ich kann seine Situation nachvollziehen. Nico hat keine finanziellen Sorgen, einen glücklichen Familienstatus und er hat sein Ziel, Formel-1-Weltmeister zu werden, erreicht. Außerdem hat er mit Sicherheit Jahre hinter sich, die alles andere als einfach waren", erklärt Wolff.

Zudem sei die psychische Belastung nach jahrelangen Duellen gegen Hamilton ein entscheidender Faktor gewesen, die Reißleine zu ziehen. "Ich glaube, als er in den letzten Runden des letzten Rennens diesem Druck standhalten musste, da war er an den Punkt gekommen, an dem er sich sagte: Ich will das nicht mehr. Ich habe großen Respekt davor, dass einer mal aus dem Hamsterrad rausspringt und sagt: Auf Wiedersehen!", zieht Wolff seinen imaginären Hut vor Rosbergs Entscheidung.

Wolff: Haben Vettel auf der Rechnung

Tritt Sebastian Vettel mittelfristig in Rosbergs Fußstapfen?, Foto: Sutton
Tritt Sebastian Vettel mittelfristig in Rosbergs Fußstapfen?, Foto: Sutton

Als Ersatz wurde Valtteri Bottas geholt, der Finne wurde aber zunächst nur mit einem Ein-Jahres-Vertrag ausgezeichnet. Für 2018 sind nach aktuellem Stand einige Fahrer frei verfügbar, darunter auch Sebastian Vettel. Der Ferrari-Pilot gilt Gerüchten zufolge als ein heißer Kandidat auf das Silberpfeil-Cockpit, sollte Bottas die Erwartungen nicht erfüllen. Und Toto Wolff gibt zu, dass die Kombination durchaus funktionieren könnte.

"Ich habe zu ihm persönlich ein gutes Verhältnis und kann ihn unheimlich gut leiden. Er würde auch zum Team passen", stellt er klar. "Sebastian ist aber einer, der seinem jetzigen Arbeitgeber absolut loyal ist. Er haut sich mit allem, was er hat, bei Ferrari rein. Was die Zukunft bringt werden wir sehen. Es wäre fahrlässig, den Sebastian nicht auf der Rechnung zu haben", so Wolff.