Mit einem neuen Reglement hat die Formel 1 auf die zunehmende Kritik der vergangenen Jahre reagiert. Die neuen Autos sind anspruchsvoller und vor allem schneller. Für Jacques Villeneuve, Weltmeister des Jahres 1997, ist das ein guter Schritt - perfekt sei aber noch lange nichts. Motorsport-Magazin.com hat am Rande der Testfahrten in Barcelona mit dem Kanadier gesprochen.

Schön dich hier beim Test zu sehen, Jacques. Hattest du etwas Zeit, dir die Autos auf der Strecke anzuschauen?
Jacques Villeneuve: Ja.

Was ist dein erster Eindruck von der neuen Formel 1?
Jacques Villeneuve: Sie sehen schnell aus in den Kurven, das ist schön. Es scheint so, als ob die Fahrer aggressiv rangehen können und die Reifen das mitmachen. Das ist gut. Aber letztendlich ist es immer noch dieselbe Technologie. Die Autos sind zu schwer. Und sie sehen zu wendig aus, zu nett. Du verlierst den Eindruck, dass sie schnell sind, denn du siehst nicht, dass der Fahrer mit dem Auto kämpft, um zu überleben. Aber es ist ein guter Schritt gegenüber dem letzten Jahr.

Denkst du, dass der Fahrer mit der neuen Formel 1 mehr im Fokus ist?
Jacques Villeneuve: Ja, es ist wieder physisch geworden. Soweit ich es verstanden habe, können sie sogar wieder am Setup arbeiten und es verstehen. Die guten Fahrer können einen Unterschied machen mit der Fahrzeugabstimmung und der Weiterentwicklung des Autos mit dem Team.

Es wird viel über Überholmanöver gesprochen...
Jacques Villeneuve: Ich interessiere mich nicht für's Überholen. Du wirst nicht mehr Überholmanöver haben. Aber wen juckt es? Du musst nur den Vergleich ziehen. Als ich damals Rennen gefahren bin und wir zu den Testfahrten kamen, waren 20.000 Leute auf den Tribünen. In Monza, 40.000 Leute - bei einer Testfahrt. Nicht einmal ein Rennen, keine Überholmanöver, nichts. Es ging also nie ums Überholen, sondern um diese unglaublichen Autos, die nicht von dieser Welt stammen.

Jacques Villeneuve ist von den neuen Boliden noch nicht restlos überzeugt, Foto: Sutton
Jacques Villeneuve ist von den neuen Boliden noch nicht restlos überzeugt, Foto: Sutton

Was war das Besondere an diesen Autos?
Jacques Villeneuve: Sie hatten keine komplizierte Technologie. Sie hatten einen schönen V10, der viel Lärm gemacht hat und viel Power hatte. Und die Leute dachten: Wow! So viel Leistung aus so einem Motor? Das ist verrückt. Nur weil es verrückt schien, liebten sie es. Du konntest die Vibrationen spüren. Jetzt? Okay, du hast 900 PS. Aber du siehst es nicht, du hörst es nicht, du fühlst es nicht. Das ist nicht aufregend. Und die Leute kamen, um Helden zu sehen. Das war alles, was sie wollten. Also hört auf darüber zu sprechen, mehr Überholmanöver und mehr Show kreieren zu müssen. An dem Punkt als die Formel 1 damit angefangen hat, wurde das Interessiere geringer - jedes Jahr, denn es wurde künstlich und banal.

Denn man dachte sich, okay, da ist nichts Besonderes dran. Lasst uns noch 50 Überholmanöver mehr haben. Es sind halt nur Überholmanöver. Das funktioniert nicht. Lasst uns aufhören, darüber zu reden. Was du sehen willst sind Helden und Gladiatoren. Typen die du siehst und du denkst: Wow, der Typ ist beeindruckend. Er tut etwas, wozu ich nicht in der Lage sind. Es müssen Leute sehen, von denen zu träumst, sie zu sein. Das ist alles, was du brauchst. Und das haben wir nicht.

Würdest du sagen, dass der Motorsound immer noch der größte Nachteil der Formel 1 ist?
Jacques Villeneuve: Ja, die Motoren in der Formel 1 machen keinen Sinn. Die F1 ist nicht hier, um den Leuten das Gefühl zu geben, dass der Planet dadurch ein besserer Ort wird. Es macht einfach keinen Unterschied. Das ist nicht das, was die Formel 1 darstellen soll. Die Formel 1 soll extrem, verrückt und außerirdisch sein. Und das ist sie nicht. Klar, es ist eine schöne Technologie. Aber wen interessiert das? Es ist sehr komplex und sehr teuer, und das ohne Grund. Wir hatten die Drei-Liter-Motoren und wir hatten fast 1000 PS. Das war vor 15 Jahren. Heute hätten die gleichen Motoren 1200 PS.

Vor 15 Jahren seien die Motoren am besten gewesen, meint Villeneuve, Foto: Sutton
Vor 15 Jahren seien die Motoren am besten gewesen, meint Villeneuve, Foto: Sutton

Und sie wären viel leichter...
Jacques Villeneuve: Sie wären viel leichter. Heute sind sie 130 kg schwerer. Und du könntest die Power reduzieren und damit nicht mehr Benzin verbrauchen, als heute. Wenn diese Technologie einfach weiterentwickelt worden wäre, wäre der Benzinverbrauch genauso gut wie heute - ohne Batterie und das ganze Zeug. All diese Entscheidungen waren nicht gut für die Formel und sie helfen nicht, denn der Zuschauer auf der Tribüne interessiert sich nicht dafür. Warum solltest du so einen Motor in deinem Auto haben wollen? Das willst du nicht.

Du hast auch die Reifen angesprochen, die in den vergangenen Jahren so künstlich waren. Denkst du, es ist ein großer Schritt nach vorne für die Formel 1?
Jacques Villeneuve: Ja, das ist ein großartiger Schritt. Letztes Jahr konntest du sehen, dass ein Fahrer im Qualifying drei Kurven attackiert und dann das Tempo drosseln musste, weil die Temperatur und der Reifendruck hoch gingen. Und das war's dann. Ein Fahrer ist in einer Kurve ein bisschen quer gegangen? Das war's, der Reifen war für drei Kurven oder eine ganze Runde fertig. Du konntest nichts machen und sie mussten im Rennen acht Sekunden langsamer fahren, nur um den Reifen zu managen. Also haben sie nur 70 % ihres Potentials genutzt.

Und das war nicht sehr aufregend...
Jacques Villeneuve: Natürlich war es nicht aufregend. Es wurden keine Fehler gemacht, es war einfach nur langweilig. Und dazu hattest du dann noch das DRS: Okay, danke und tschüss. Du standest nicht unter Strom und hast dich gefragt: Wird er ihn überholen oder nicht? Die Frage war: Wie viele Kurven wird er brauchen? Und das war's. Von dem was ich jetzt gesehen habe, denke ich, dass die Fahrer attackieren und mit den Reifen pushen können. Das bedeutet weniger Boxenstopps, aber das mag ich. Mir gefallen zu viele Boxenstopps nicht. Wenn du vier Boxenstopps hast, hast du ein Fenster von zwei Runden. Wenn du nur einen machst, hat das Fenster 20 Runden. Es ist einfach offener.