Wieder einmal zierte McLaren das Ende der Liste mit den meisten Runden des Tages. Nur 46 Runden konnte Fernando Alonso am Mittwoch in Barcelona abspulen. Doch nicht nur die geringe Zahl an Kilometern, auch die Rundenzeiten machen derzeit wenig Hoffnung auf Besserung. "Wir sind nicht innerhalb unserer Erwartungen", hält Alonso fest. "Wir sind nicht so schnell, wie wir sein wollten, aber es sind nur Testfahrten. Ich erinnere mich an Red Bull, die haben 2014 bei den Testfahrten nur 7 Runden oder so absolviert und haben in jenem Jahr dann drei Rennen gewonnen", erinnert sich der Spanier zurück.

Wer jetzt glaubt, Alonso hätte den Bezug zur Realität verloren, der irrt. Dem Spanier ist durchaus anzumerken, dass ihn die Situation derzeit mehr als wurmt. "Es gibt Einzelheiten, die wir am nächsten Tag machen müssen, da können wir unser Programm aber auch nicht abspulen, wodurch es sich wieder auf den nächsten Tag verschiebt und so weiter. Und nun sind nur noch zwei Tage übrig, einer für jeden Fahrer. Wir sind hinter unserem Plan in Sachen Zuverlässigkeit, in Sachen Performance", stellt er unmissverständlich klar.

Wo die Probleme liegen, ist offenkundig. Die Power Unit von Honda gibt nichts her. Alonso fürchtet eindringlich davor, dass McLaren seinen Nimbus als Großmacht der Formel 1 dauerhaft einbüßen könnte. "McLaren hat den Sport für viele Jahre dominiert. Ich habe die Meisterschaft oft angeführt und immer seit ich Formel 1 fahre, hatte man Angst vor McLaren als Gegner, denn McLaren hat Dinge schnell erfasst. Das brauchen wir jetzt. Wir brauchen eine Reaktion von jedem einzelnen. Wir müssen vereint bleiben, zusammenarbeiten, aber ich erwarte sofort eine Reaktion vom Team", poltert der Spanier.

McLaren fährt der Konkurrenz hinterher, Foto: Sutton
McLaren fährt der Konkurrenz hinterher, Foto: Sutton

Alonso: Power Unit das einzige Problem

In seinen Ausführungen explizit nicht erwähnt wird Honda. Dabei hatten die Japaner gerade mit McLaren eine mehr als erfolgreiche Vergangenheit. Doch genau das ist es: Vergangenheit. Alonso sieht die Verantwortung komplett bei den Japanern. Das Chassis sei, wie vergangenes Jahr auch, ein großer Wurf, zumindest laut seinen ersten Eindrücken. "Das Chassis fühlt sich gut an. Alles ist unter Kontrolle. Das Auto reagiert gut auf Veränderungen, alles funktioniert gut", lobte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Ich bin glücklich mit der Balance, wie ich die Kurven attackieren kann. Ich denke nicht, dass wir beim Chassis weit weg sind. Wir haben nur ein Problem, und das ist die Power Unit."

Diese These versucht Alonso durch Zahlenwerk zu untermauern. "Unsere Analysen zeigen, dass wir in den Kurven fast nichts verlieren. Aber wir verlieren 30 bis 40 km/h auf der Geraden. Wenn man das hinzurechnet, bekommt man die Zeit die wir auf die Spitzenteams verlieren", so Alonso. Für die kommenden Wochen bis zum Saisonstart gelte es nun, weiter Verbesserungen zu erzielen. Vieles davon klingt aber nach Durchhalteparolen, wie man sie 2015 schon einmal gehört hat.

"Wir wollen in Australien ankommen mit einer mittleren Zuverlässigkeit, um das Rennen beenden zu können und das mit der höchstmöglichen Power. Das ist die erste Priorität", sagte er etwa. "Die zweite Priorität ist es, konkurrenzfähig zu sein, um dann in den Top Fünf, um Podien, um Siege kämpfen zu können. Hoffentlich werden große Entscheidungen getroffen, die die Probleme beseitigen", so Alonso weiter.

Motivation aus schlechten Ergebnissen ziehen

Ende 2017 läuft Alonsos Vertrag bei McLaren aus. Es scheint unmöglich, dass der Spanier diesen verlängert, sollte er noch eine Saison in den Niederungen des Feldes kämpfen. Seine Motivation aber scheint ungebrochen, gerade durch die schlechten Ergebnisse. "Es bringt mir noch mehr Motivation, um weiterzumachen, um zu gewinnen. Ich werde nicht aufhören, Rennen zu fahren, ohne ein gutes Ergebnis. Ich glaube, ich verdiene es", meint der Asturier.

An seinen fahrerischen Qualitäten werde es nicht scheitern, glaubt man Alonso. Er sieht sich in diesem Punkt an der Spitze des gesamten Feldes. "Wenn ich irgendwann im Auto sitze und die anderen sehe, wie sie tolle Linien fahren, später bremsen als ich, früher beschleunigen, bessere Starts machen - an diesem Tag würde ich sagen: Stop, es ist Zeit. Was ich aktuell sehe, ist das genaue Gegenteil. Mehr denn je. Was ich diesen Winter bislang gesehen habe, zeigt, dass ich auf meinem besten Level bin", stellt er klar.

Angesichts der derzeitigen Lage würde sich Alonso in dieser Form wohl gerne im Mercedes von Nico Rosberg sehen. Kurzzeitig war der Spanier wohl tatsächlich Kandidat. Nun aber steht eine weitere Saison bei McLaren an. Ohnehin habe er noch einen laufenden Vertrag, betont Alonso. Bei Valtteri Bottas, der ebenfalls über einen Vertrag bei Williams verfügte, der aber das Cockpit bei Mercedes bekam, sei die Situation anders gewesen. "Er hatte einen anderen Manager", merkte Alonso mit Blick auf Toto Wolff süffisant an.

Fernando Alonso schwankt zwischen Galgenhumor und Hoffnung, Foto: Motorsport-Magazin.com
Fernando Alonso schwankt zwischen Galgenhumor und Hoffnung, Foto: Motorsport-Magazin.com

Gutes Chassis, ein hochmotivierter und um keinen Spruch verlegener Fahrer - wenn jetzt Honda noch einen vernünftigen Motor liefert, scheint eine Wiedergeburt Alonsos an der Spitze also möglich. "Wir sind bereit, um in Australien auf einem guten Level mitzufahren. Das einzige Fragezeichen ist, wie viel Power wir haben werden", skizziert Alonso die Situation. Den Humor hat er dabei nicht verloren. Auf die Frage, ob Kurve drei in Barcelona mit dem McLaren dank neuer Aero-Regeln mit Vollgas durchfahrbar sei, entgegnete er mit Blick auf seinen Antrieb: "Für uns ist es nicht nur Kurve 3. Für uns gehen alle Kurven Vollgas."