In der ersten Woche auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya haben die Teams erste Gehversuche mit ihren 2017er Boliden unternommen. In Sachen Kräfteverhältnis wollte sich bisher noch niemand in die Karten schauen lassen. Bei den letzten Testfahrten wird es jedoch kein Versteckspiel mehr geben. Mercedes, Ferrari und Red Bull werden das Tempo anziehen - und in Sachen Rundenzeiten vielleicht sogar Rekorde brechen. Teams wie McLaren und Toro Rosso müssen auf der anderen Seite bei der Zuverlässigkeit endlich die Kurve kriegen, wenn sie nicht mit einer Baustelle nach Australien reisen wollen. Das sind die sechs Brennpunkte für die zweite Testwoche in Barcelona.

Brennpunkt #1: Mercedes' Wunderwaffen für den W08

Mercedes gab in Barcelona bisher sowohl in Sachen Zuverlässigkeit als auch Pace den Ton an, Foto: Sutton
Mercedes gab in Barcelona bisher sowohl in Sachen Zuverlässigkeit als auch Pace den Ton an, Foto: Sutton

Mit 558 Runden und der von Valtteri Bottas aufgestellten absoluten Bestzeit lieferten die Weltmeister von Mercedes in der ersten Testwoche die von ihnen gewohnte Qualität ab. Teamchef Toto Wolff stapelte nach der ersten Testwoche jedoch tief: "Wir sehen frühe Zeichen, dass es bei uns okay läuft. Aber es nicht mehr oder weniger als das." Dass zwei Bestzeiten in die Hände der Rivalen von Ferrari fielen, dürfte den Silbernen aber trotzdem kein Kopfzerbrechen bereitet haben.

2016 unterlagen sie den Italienern bei den Tagesbestzeiten mit 3:5 und ließen dem Gegner in den darauffolgenden 21 Saisonrennen nicht den Hauch einer Chance. Nachdem bereits in der ersten Woche mit diversen Teilen experimentiert wurde, will die Mannschaft für die finalen Tests vor dem Saisonstart 2017 auf der technischen Seite noch einmal im großen Stil aufrüsten. Die aufmüpfige Konkurrenz darf sich also warm anziehen.

Brennpunkt #2: Zeigen Ferrari und Red Bull ihre wahren Gesichter?

Ferrari wird in der zweiten Testwoche sehr wahrscheinlich erstmals auf Super- und Ultrasoft ausrücken, Foto: Sutton
Ferrari wird in der zweiten Testwoche sehr wahrscheinlich erstmals auf Super- und Ultrasoft ausrücken, Foto: Sutton

Mit Kimi Räikkönens zwei Bestzeiten und Sebastian Vettels schnellster Runde auf Soft-Reifen, die nur zweieinhalb Zehntel langsamer war als die Bestzeit von Valtteri Bottas auf Ultrasofts, spielte Ferrari in der ersten Testwoche auf Augenhöhe mit Mercedes - mal wieder, wenn es nicht um WM-Punkte geht. Der allgemeine Tenor bei den Roten war der bei fast allen Teams übliche: Wichtig ist nur das eigene Programm, der Vergleich zur Konkurrenz spiele noch keine Rolle. Das eigene Programm bedeutete auch, dass bei Ferrari bisher gänzlich auf den Einsatz der Supersoft- und Ultrasoft-Mischungen verzichtet wurde. In Woche zwei dürfte also auch die Scuderia noch einmal die Rundenzeiten runterschrauben.

Mercedes' zweiter großer Widersacher blieb im Gegensatz zu Ferrari bisher komplett unter dem Radar. Red Bull setzte zwar genau wie die Italiener noch keine Rundenzeiten auf den beiden weichsten Reifenmischungen, drängelte sich aber im Zeitentableau auch nicht in den Vordergrund. Dass der RB13 im Vergleich mit dem Mercedes in Sachen Aerodynamik etwas unterentwickelt erscheint, darf laut Toto Wolff nicht zu voreiligen Schlüssen führen. "Es geht darum, das Maximum aus dem Auto zu holen - und ob das jetzt durch besonders ausgefeilte Arbeit oder einen simpleren Ansatz erreicht wird, ist letztendlich irrelevant. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Adrian [Newey] und sein Team einen schwer zu bezwingenden Gegner an die Rennstrecke bringen werden. Ich tippe darauf, dass wir das wahre Auto von Red Bull Racing für die Saison 2017 noch gar nicht gesehen haben", hat er die Gegner aus Österreich auf dem Zettel.

Brennpunkt #3: Rekordjagd auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya

Fazit der ersten F1-Testwoche in Barcelona: (05:24 Min.)

Die Fahrzeuggeneration des Jahrgangs 2017 hielt bei ihrem ersten Auftritt auf der Rennstrecke schon einmal ihr erstes großes Versprechen. Die schnellste Zeit von Bottas war mit 1:19.705 Minuten bereits über drei Sekunden schneller, als die schnellste beim letztjährigen Pre-Season-Test von Vettel aufgestellte Rundenzeit. Auch Hamiltons Pole-Zeit vom Spanien GP wurde um über zwei Sekunden unterboten. Doch um die Rekorde vergangener Tage zu egalisieren, müssen die neuen Downforce-Monster noch die eine oder andere Schippe nachlegen. Die absolute von einem F1-Boliden auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya aufgestellte Bestzeit steht bei 1:18.339 Minuten - aufgestellt von Felipe Massa im Jahr 2008. Wenn die neue Formel 1 sich mit dem Titel der schnellsten Königsklasse aller Zeiten rühmen will, muss da also noch etwas gehen - vielleicht sogar schon bei den Testfahrten.

Brennpunkt #4: Die Sorgenkinder

McLaren MCL32: Technik-Check im Schnelldurchlauf: (02:56 Min.)

In Sachen Looks sind McLaren und Toro Rosso 2017 ganz vorne mit dabei - doch auf der Rennstrecke lief es für die beiden Rennställe aus dem Mittelfeld bisher noch gar nicht. McLarens großankündigte Offensive blieb in der ersten Testwoche gleich mehrfach aufgrund von technischer Gebrechen stecken. Der orangene Bolide der britisch-japanischen Allianz schaffte es auf lediglich 208 Umläufe - und wieder einmal sorgten Unzulänglichkeiten bei der Power Unit für jede Menge Standzeit. Wenn der von Zak Brown und seinen Leuten quasi neu aufgesetzte Traditionsrennstall mit dem MCL32 eine bessere Figur abgeben will als vergangenes Jahr, muss in der zweiten Woche zumindest einmal die Standfestigkeit in den Griff bekommen werden.

Noch schlechter als McLaren stand allerdings Toro Rosso da. Mit nur 183 Runden bildete das italienische Schwesterteam von Red Bull das Schlusslicht beim Wochenpensum. Der bildschöne STR12 blieb in der ersten Woche regelmäßig in der Garage, weil die ab 2017 wieder vom Team eingesetzten Renault Power Units offenbar noch nicht so mit dem Boliden harmonieren, wie sie es sollten. Am Donnerstag verlor das Team dadurch sogar einen kompletten Testtag. Diesen Rückstand gilt es in der zweiten Woche aufzuholen. Immerhin kann die Mannschaft mit der neuen Motorenpartnerschaft dieses Jahr wieder enger mit Red Bull zusammenarbeiten. Das könnte bei der Lösung des einen oder anderen Problems von Vorteil sein.

Brennpunkt #5: Lance Stroll unter Druck

Stroll muss in der zweiten Woche etwas gegen seinen frischen Ruf als Crash-Pilot tun, Foto: Sutton
Stroll muss in der zweiten Woche etwas gegen seinen frischen Ruf als Crash-Pilot tun, Foto: Sutton

Der einzige Rookie der Saison 2017 hatte bisher keinen Einstand nach Maß. Formel-3-Europameister und Milliardärssohn Lance Stroll setzte seinen Williams FW40 schon am ersten Tag nach zwölf Runden ins Kiesbett. Die beschädigten Teile mussten per Privatjet zurück in die Fabrik nach Grove gebracht und dort gerichtet werden. Am nächsten Tag schaffte der 18-Jährige zwar mehr Runden, flog allerdings zwei Mal ab. Der letzte Unfall war so schwer, dass sein Teamkollege Felipe Massa am letzten Testtag gar nicht mehr auf die Strecke gehen konnte.

Dem Ruf des Youngster haben seine bisherigen Auftritte nicht gut getan, denn die Vergleiche mit Crashpilot Pastor Maldonado machen längst die Runde. Wenn er sich vor dem Saisonstart zumindest teilweise rehabilitieren will, täte er gut daran, sein Arbeitsgerät in der zweiten Woche ganz zu lassen. Die Chance dafür wird er allerdings erst ab Donnerstag erhalten, denn das Team setzt an den ersten beiden Tagen sicherheitshalber den brasilianischen Routinier ins Cockpit.

Brennpunkt #6: Feuerprobe für Pascal Wehrlein

Wehrlein wird in der zweiten Testwoche sein Sauber-Debüt geben, Foto: Sauber
Wehrlein wird in der zweiten Testwoche sein Sauber-Debüt geben, Foto: Sauber

Sauber-Neuzugang Pascal Wehrlein musste wegen der aus einem Unfall beim Race of Champions resultierenden Rückenverletzung in der ersten Woche zuschauen, als Teamkollege Marcus Ericsson und sein Ersatz Antonio Giovinazzi die ersten Runden mit dem C36 drehten. Am ersten Tag des zweiten Tests wird der Mercedes-Junior nun aber die Chance erhalten, in seinem neuen Dienstwagen Platz zu nehmen. Momentan ist er allerdings nur für den Dienstag als Einsatzpilot bei den Schweizern vorgemerkt.

In erster Linie wird sich bei seinem Einsatz herausstellen, ob die Verletzung des 22-Jährigen soweit ausgeheilt ist, dass seine körperliche Verfassung einen Einsatz im Formel-1-Boliden zulässt. Sollte dies der Fall sein, wird Wehrlein während der vier noch ausstehenden Testtage ein angemessenes Maß an Vorbereitungszeit für den Saisonauftakt bekommen. Wenn sich jedoch zeigen sollte, dass er noch nicht fit genug ist, könnte dies seinen Einsatz in Melbourne gefährden. Mit Giovinazzi steht der Ersatz für den Ernstfall schon parat.