Genug ist genug. Drei Jahre musste Red Bull nun mehr oder weniger chancenlos mit ansehen, wie Mercedes reihenweise die Titel einsackte. Ein ungewohntes Gefühl für den österreichischen Rennstall, der von 2010 bis 2013 in ähnlichem Maße die Formel 1 dominierte. Doch dann kam das neue Motoren-Reglement, und alles änderte sich. Mercedes hatte das mit Abstand beste Aggregat, während Renault die Entwicklung verschlafen hatte. Und plötzlich war auch das Chassis der Bullen nicht mehr die Nummer eins.

Nun gab es erneut einen Regelumbruch, dieses Mal will Red Bull aber einer der großen Profiteure sein. Im Gegensatz zu 2014 hat es das Team aus Milton Keynes auch selbst in der Hand, das Chassis produziert man - anders als den Motor - schließlich selbst. Und mit Adrian Newey weiß man das Superhirn der Formel 1 in den eigenen Reihen. "Aus der Tradition heraus: Wann immer es Regeländerungen gab, war Red Bull stark", zeigte sich Motorsportberater Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com selbstbewusst.

So hört sich Aufbruchstimmung an! Noch ist der neue Bolide keinen Meter gefahren, und dennoch hat man bei Red Bull Hoffnungen, Mercedes ganz nahe kommen zu können. "Bei Mercedes können sie nicht mehr auf ihr bewährtes Paket zurückgreifen. Klar wurde es immer weiterentwickelt, aber jetzt fangen wir relativ bei Null an", hält Marko fest. Als die Aerodynamik-Regeln 2009 das letzte Mal grundlegend geändert wurden, gelang dem Team in der Konstrukteurs-WM der Sprung von Platz sieben auf Rang zwei.

2009 wurde aus dem Mittelfeld-Team Red Bull ein Titelanwärter, Foto: Sutton
2009 wurde aus dem Mittelfeld-Team Red Bull ein Titelanwärter, Foto: Sutton

Renault-Update beim Europa-Auftakt

Und dennoch gibt es weiterhin die Unbekannte Renault-Motor. Zwar gelang den Franzosen im vergangenen Jahr bereits ein Fortschritt, von Mercedes war man - besonders im Qualifying - aber noch ein gutes Stück entfernt. Teamchef Christian Horner sieht hierin den Schlüssel für den Erfolg. "Sollten wir beim Motor in der Art zulegen können wie im vergangenen Jahr, dann erhalten unsere Fahrer die Gelegenheit, Mercedes auf Augenhöhe zu begegnen", so Horner gegenüber Sky Sports News. Sein Ausblick auf 2017: "Ich sehe Mercedes für die Saison 2017 als Favoriten, aber ich sehe uns als jenes Team, das sie unter Druck setzen wird."

Helmut Marko rechnet beim Europa-Auftakt in Barcelona mit einer deutlichen Steigerung im Bereich Power Unit. "Wir sollten dann von der Leistung her auf Ferrari-Niveau sein, außer sie machen wieder einen großen Sprung. Auf Mercedes-Niveau sind wir wohl nicht ganz. Aber dieser Rückstand ist dann nicht mehr so eklatant, dass man sagen muss, man hat keine Chance", blickt er im Gespräch mit Motrosport-Magazin.com voraus.

Zu gerne würde man bei Red Bull Mercedes die Rücklichter zeigen, Foto: Red Bull
Zu gerne würde man bei Red Bull Mercedes die Rücklichter zeigen, Foto: Red Bull

Stärkste Fahrerpaarung für Red Bull?

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren soll auch die Komponente Fahrer wieder an Bedeutung gewinnen. Die Autos werden vor allem in den Kurven deutlich schneller, die Herausforderung für die Piloten steigt. Nach dem Rücktritt von Nico Rosberg behaupten nicht wenige, dass Red Bull nun über die beste Fahrerpaarung der Formel 1 verfügt. "Ich weiß nicht, ob sie ihn adäquat ersetzen können", meint Marko mit Blick auf Mercedes. Er weiß: "Die Autos werden schwieriger zu fahren sein. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Wir gehen davon aus, dass wir zwei absolute Top-Fahrer haben."

Namentlich handelt es sich dabei um Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Beide gewannen im vergangenen Jahr bereits jeweils ein Rennen. Während Verstappen die Formel 1 in einer Art und Weise stürmt, die an den jungen Michael Schumacher erinnert, ist Ricciardo inzwischen im Segment der absoluten Top-Fahrer angekommen. Nach einem dezenten Einstieg bei HRT 2011 und Toro Rosso 2012, schaffte der Australier 2014 mit drei Siegen den endgültigen Durchbruch.

In Malaysia lieferten sich Max Verstappen und Daniel Ricciardo ein rundenlanges Duell, Foto: Sutton
In Malaysia lieferten sich Max Verstappen und Daniel Ricciardo ein rundenlanges Duell, Foto: Sutton

Fahrerduo birgt Konfliktpotential

Der Australier blickt äußerst optimistisch auf die kommende Saison. "Nach allem, was ich bisher über das neue Auto gehört habe, würde ich definitiv eine Wette auf uns riskieren", stellte er im Interview mit der offiziellen Formel-1-Website klar. Im selben Atemzug schickt er gleich eine Kampfansage direkt an Lewis Hamilton. "Wenn wir noch einmal die gleichen Fortschritte machen wie im vergangenen Jahr, dann wird er es nicht leicht haben", ist der 27-Jährige überzeugt.

Auf der Strecke begegneten sich die beiden Red-Bull-Piloten bislang mit großem Respekt. In Malaysia lieferten sie sich ein rundenlanges Rad-an-Rad-Duell, zu einer Berührung oder gar einer Kollision kam es aber nicht. Fraglich wird sein, ob dieses faire Miteinander auch im Falle eines Kampfes um die Weltmeisterschaft beibehalten wird. Bei Lewis Hamilton und Nico Rosberg brach selbst eine gute Freundschaft im Zuge der Duelle auseinander. Eine Erfahrung, mit der Red Bull bislang nicht konfrontiert wurde. Sebastian Vettel erhielt bei seinen Titelgewinnen nur punktuell Widerstand von Mark Webber. Die Stärke der Fahrerpaarung könnte sich schlussendlich auch als große Schwäche herausstellen.