"Du bist jung und wechselst zu einem Konstrukteur, der all diese Erwartungen hat. Wenn du gewinnst, bist du ein Gott. Wenn nicht, bist du nichts. Dann beginnst du den Druck zu spüren, den du als junger Rennfahrer nicht erwartet hast." Dass ein Werksvertrag Fluch und Segen zugleich sein kann, weiß Alain Prost nur zu gut. Der vierfache Weltmeister fuhr von 1981 bis 1983 für Renault, doch mit dem Titelgewinn sollte es - wenn auch denkbar knapp - nie klappen.

Nico Hülkenberg spürt diesen Druck nicht. Noch nicht. Der Emmericher sucht in diesem Jahr sein neues Glück beim Werksteam aus Frankreich, dessen Rückkehr in die Formel 1 mehr als unbefriedigend verlief. Auch für die kommende Saison 2017 backt Renault kleine Brötchen, von Podestplätzen oder gar Siegen war bislang nie die Rede. Das große Jahr soll 2018 werden, wenn alle Umstrukturierungen innerhalb des Teams abgeschlossen sind.

Viel erreicht - noch viel zu holen

Mit Hülkenberg hat der Hersteller einen Fahrer verpflichtet, der in der Formel 1 schon einiges erreicht hat - und ebenso viel noch nicht. Nach 115 absolvierten Rennen wartet Hülkenberg noch immer auf seine erste Podiumsplatzierung, damit liegt er hinter Adrian Sutil (128 Rennen) und Pierluigi Martini (118 Rennen) auf dem dritten Platz in der Allzeit-Negativliste. Wenn es dumm läuft für Hülkenberg und Renault, zieht er noch dieses Jahr an seinem Landsmann vorbei.

Gleichzeitig standen die Chancen für Hülkenberg nie besser, endlich für seine jahrelange Arbeit in der Formel 1 mit Zählbaren entlohnt zu werden. Ein Konstrukteur kann eine Podest-Garantie sein - oder auch mit wehenden Fahnen untergehen, wie es die Vergangenheit schon so oft gezeigt hat. Um kein zweites Toyota zu werden, hat Renault unterdessen kräftig investiert. Die Teamfabrik in Enstone wird weiter ausgebaut, mit Pete Machin kommt der künftige Aerodynamik-Chef direkt von Red Bull.

Nico Hülkenberg hat noch gut Lachen - Werksvertrag bei Renault, Foto: Sutton
Nico Hülkenberg hat noch gut Lachen - Werksvertrag bei Renault, Foto: Sutton

Zum Erfolg gezwungen

Gleichzeitig musste Frederic Vasseur - ein langjähriger Vertrauter und Ausbilder von Hülkenberg - seinen Hut nehmen. Ein Rückschlag auch für den 29-Jährigen, der nach seinen Jahren mit Force India nun in eine ganz andere Welt aufsteigt? Noch ist alles ruhig. Doch der Druck steigt mit jedem weiteren Misserfolg ein Stück weit an. "Sie sind auf lange Sicht gezwungen, Erfolge abzuliefern. Sonst wird es bitter enden", wusste Hülkenberg im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Nie zuvor hatte Hülkenberg - in den Jahren immer wieder bei Ferrari im Gespräch - so gute Chancen auf Erfolg. Der Aufstieg zum Werkspiloten war die erste Anerkennung seines Talents, doch unterm Strich zählen nur Punkte und Podestplätze. 2017 muss mit dem neuen Auto ein deutlicher Fortschritt gelingen, nachdem die Rückkehr in die Formel 1 im vergangenen Jahr praktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verlaufen war. Mindestens ein Platz im gesicherten Mittelfeld muss der erste Anspruch sein für einen Hersteller, der hunderte Millionen investiert hat.

Renault muss in der Saison 2017 deutlich zulegen, Foto: Sutton
Renault muss in der Saison 2017 deutlich zulegen, Foto: Sutton

Palmer nur Statist

Von Hülkenberg wird erwartet, dass er die Führungsrolle innerhalb des Teams übernimmt. Nicht wenige waren gar überrascht, dass sich Teamkollege Jolyon Palmer eine zweite Saison versuchen darf. Alles andere als ein teaminterner Sieg gegen den relativ unerfahrenen Sohn eines Serien-Promoters wäre eine kleine Katastrophe. Hülkenbergs Messlatte ist 2017 nicht Palmer - es sind nur die Punkte und potenzielle Podestplätze.

Welche Chance Hülkenberg bei Renault hat, wusste er selbst ganz genau: "Man merkt einfach, wie viel Power dahinter steckt. Wenn ein Konzern das möchte, dann setzen die Himmel und Hölle in Bewegung." Das bekam allerdings auch Vasseur zu spüren, der sich mit dem mächtigen Renault-Präsidenten Jerome Stoll und Managing Director Cyril Abiteboul überworfen hatte - und kurzerhand rausgeworfen wurde. So viel Geduld, wie gern proklamiert, hat Renault anscheinend doch nicht. Und mit jedem weiteren erfolglosen Rennen und jeder investierten Million mehr, ticken die Uhren in Enstone ein wenig hektischer.

Langfristig ist Renault zum Erfolg verdammt, kurzfristig kann sich Hülkenberg mit Achtungserfolgen schon einmal zementieren. Gelingt ihm dann tatsächlich ein Sieg, würde er behandelt wie Gott in Frankreich. Knüpfen er und Renault hingegen an die podestlosen Zeiten hat, verschwindet er schnell im Nichts. Fluch und Segen eines Werksfahrers.