Trotz einer starken Debütsaison in der Formel 1 stand Pascal Wehrleins Zukunft lange auf der Kippe. Nachdem ihm Esteban Ocon bei Force India und Valtteri Bottas bei Mercedes vorgezogen wurden, blieb für den Mercedes-Junior nur das Cockpit beim Hinterbänkler-Team Sauber. Zu den Niederlagen im Vertragspoker gesellte sich zu allem Überfluss eine Verletzung, die ihn an der Teilnahme der offiziellen Testfahrten in Barcelona hindert. Die Voraussetzungen für seine zweite Saison in der Formel 1 könnten schwieriger kaum sein - dabei könnte 2017 das alles entscheidende Jahr in seiner Karriere werden.

Als Rookie im Manor ging es für Wehrlein 2016 nur um eines: Akzente setzen. Für seine zweite Saison hätte der 22-Jährige gerne die Chance gehabt, mit einem Mittelfeldteam weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit vorzudringen - und sich für das Mercedes-Cockpit zu empfehlen, das ihm Bottas für 2017 weggeschnappt hat. Angesichts des Einjahresvertrages des Finnen stellte Mercedes-Teamchef Toto Wolff ohne Umschweife klar, dass schon 2018 jemand ganz anderes im Auto sitzen könnte: "Nächstes Jahr bieten sich Optionen."

Eine Aussage, bei der sich Wehrlein durchaus angesprochen fühlen darf, wie Wolff hervorhob: "Junge Fahrer, Sebastian, Fernando, Valtteri, viele von ihnen." Wenn es um junge Fahrer geht, steht der hauseigene Nachwuchs bei den Silbernen zweifelsohne hoch im Kurs. Nicht umsonst investiert Mercedes Unsummen in die Karriere von Wehrlein - der diesen Status jedoch nicht mehr exklusiv innehat. Mit Mercedes-Junior Ocon im Force-India-Cockpit steht der DTM-Champion von 2015 quasi im direkten Duell um die große Chance bei den Silberpfeilen.

In den Farben von Manor kämpften Wehrlein und Ocon vergangenes Jahr mit gleichen Waffen, Foto: Sutton
In den Farben von Manor kämpften Wehrlein und Ocon vergangenes Jahr mit gleichen Waffen, Foto: Sutton

Wehrlein vs. Ocon: Es kann nur einen geben

Gemessen an den Resultaten des Vorjahres bieten sich Wehrlein bei Sauber jedoch dieselben bescheidenen Voraussetzungen wie beim Ex-Arbeitgeber Manor. Wenn die Sauber-Ingenieure daran 2017 nichts ändern sollten, könnte es sogar noch schlimmer kommen. Durch den Rückzug von Manor könnte Wehrlein im Sauber ganz alleine dem Feld hinterherdümpeln - mit Teamkollege Marcus Ericsson als einzigem Sparringspartner. Mit Ocon auf der Rennstrecke zu konkurrieren, dürfte sich unter diesen Umständen äußerst schwierig gestalten - denn der Franzose ist im besten Privatteam der letzten Saison gelandet.

Während Ocon also von Punkten und sogar Podestplätzen träumen darf, muss Wehrlein erneut die rote Laterne fürchten. Schwierige Voraussetzungen, um bei den Bossen von Mercedes Eindruck zu schinden - außer natürlich, Sauber nutzt die Regeländerungen um sich zurück in die Sphären von Haas und Toro Rosso zu katapultieren. Ein Szenario, das Wehrleins Vorstellungen eher gerecht würde. "Unser Ziel ist es, uns im Mittelfeld zu etablieren und regelmäßig Punkte zu holen", so der Youngster nach der Vertragsunterzeichnung Mitte Januar.

Fehlstart in die Saison

Ob der Sauber C36 der erwartete Schritt nach vorne ist, wird Wehrlein jedoch erst mit Verspätung herausfinden dürfen. Durch die aus seinem Unfall beim Race of Champions im Januar resultierende Rückenverletzung wird der Sauber-Pilot in Barcelona nur zuschauen dürfen. Ein herber Rückschlag, da die Tests in diesem Jahr durch die Reglementänderungen von einer unermesslichen Wichtigkeit sind: Auf die Piloten warten nicht nur neue Autos sondern auch neue Anforderungen an die Physis und die fahrerischen Fähigkeiten.

Umstände, welche Wehrlein vor dem Auftakt in Melbourne Ende März weit hinter die Gegner zurückwerfen und den Start in die Rennsaison erheblich erschweren. Denn wenn es für ihn am Freitag in Australien erstmals im Jahr 2017 auf die Strecke geht, wird er vor der Aufgabe stehen, die Erfahrungswerte mehrerer Testtage in zeitlich äußerst begrenzten Trainingssessions aufzuholen. Die Erkenntnisse seiner Teamkollegen dürften ihm maximal einen Vorgeschmack auf das geben, was er von seinem neuen Arbeitsgerät erwarten kann.

Als Manor-Pilot kämpfte Wehrlein 2016 noch verbittert gegen Sauber, Foto: Sutton
Als Manor-Pilot kämpfte Wehrlein 2016 noch verbittert gegen Sauber, Foto: Sutton

Sauber hat investiert

Nachdem sich 2016 für Sauber schnell als Debakel herauskristallisierte, kümmerte man sich in der Schweiz frühzeitig um die Vorbereitungen für 2017. Ein entscheidender Schritt war der Einstieg der Longbow Finance AG, welche dem finanziell stark angeschlagenen Rennstall zurück auf die Beine half. Im weiteren Verlauf stockte das Team in Sachen Personal auf, wobei mit Jörg Zander als neuem Technikdirektor eine wichtige Schlüsselfigur gewonnen werden konnte. Der Rückkehrer, der bereits in den Jahren 2006 und 2007 bei Sauber tätig war, erwartet durch die neue Budgetsituation einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem Vorjahr.

"Im Gegensatz zu 2016 werden wir unseren Entwicklungsplan über die gesamte Saison hinweg umsetzen", kündigte er im Interview mit Motorsport-Magazin.com an. Auf Chassis-Seite dürfte das Team einer erneuten Stagnation zweifelsohne besser entgegenwirken können als zuletzt. Doch mit einem Nachteil wird sich Wehrlein wohl über die gesamte Saison hinweg arrangieren müssen: Von Ferrari werden lediglich die Power Units von 2016 geliefert.