Für Ferrari war 2016 ein Katastrophen-Jahr. Doch was war 2016 erst für McLaren? Und was 2015? Den britischen Traditionsrennstall hatte es die vergangenen Jahre noch viel härter erwischt als Ferrari. Selbst 2014, als McLaren mit der Mercedes Power Unit noch den besten Motor im Feld hatte, lief es für die Truppe aus Woking nicht. Platz fünf, hinter Mercedes, Red Bull, Williams und Ferrari - gerade so vor Force India.

Mit dem Honda-Einstieg ging es für McLaren richtig bergab: Platz neun 2015, immerhin Rang sechs bei den Konstrukteuren in der abgelaufenen Saison. Während McLaren die fehlende Performance vorwiegend mit dem nicht konkurrenzfähigen Motor rechtfertigte, sahen viele das Problem auch beim Chassis. McLaren war zweifelsfrei nicht auf dem Niveau von Mercedes, Red Bull und Ferrari.

Seit 2008 holte der Rennstall keinen Fahreritel mehr. Trotzdem könnte 2017 für McLaren die große Trendwende bedeuten. Mit dem Aerodynamik-Reglement seit 2014 hatte der Rennstall offenbar Probleme. Zudem schien McLaren die Entwicklung eines vernetzten Fahrwerks verschlafen zu haben.

McLaren-Konzept der beste Kompromiss

2017 kommt allerdings ein komplett neues Aerodynamik-Reglement. Alle Erkenntnisse der vergangenen Jahre sind wertlos. Das komplette Aero-Konzept ist bei den neuen Autos anders. Warum McLaren das besser liegen soll? McLaren stellte das Konzept, das in diesem Jahr kommt, selbst vor.

Das Konzept für die 2017er Regeln stammt von McLaren, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com
Das Konzept für die 2017er Regeln stammt von McLaren, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com

Bei der Findung des neuen Reglements wurden die Rennställe aktiv miteingebunden. Dafür machte die FIA sogar Ausnahmen bei der CFD-Beschränkung. Um ein Konzept für 2017 auszuarbeiten, bekamen die Teams zusätzliche Kapazitäten. Die streng limitierten Teraflops konnten weiterhin für die aktuelle Fahrzeugentwicklung aufgewendet werden.

Während Red Bull ein Konzept mit 1,80 Meter breitem Bodywork favorisierte und in der Strategiegruppe zur Abstimmung stellte, hatte McLaren an einem 1,60 Meter breitem Konzept gefeilt. Eine Zwischenlösung, die bisherigen Autos waren 1,40 Meter breit. Das Red-Bull-Konzept ging vielen zu weit und so einigte man sich auf die McLaren-Lösung. Dass die Briten schon so früh in der Regelfindungsphase an diesem Konzept entwickelten, ist sicherlich kein Nachteil.

Dazu kommt die neue Führung bei McLaren. Die Herrschaft von Ron Dennis ging Ende der abgelaufenen Saison zu Ende, mit Zak Brown trat umgehend ein indirekter Nachfolger in das Unternehmen ein. Auch wenn die Performance des Autos nicht direkt mit den Personalien Dennis oder Brown zusammenhängt, der US-Amerikaner bringt frischen Wind nach Woking und gibt sich bei den Prognosen deutlich zurückhaltender als Dennis, der zu Beginn der Honda-Partnerschaft von "zukünftiger Dominanz" sprach - Siege waren dem Briten wohl zu profan.

Honda: Kein Size-Zero - dafür viel Power

Die Honda-Partnerschaft ist das dritte Teil im McLaren-Puzzle 2017. In den ersten beiden Jahren mussten die Japaner schmerzhaft lernen, die Lernkurve 2016 allerdings war steil. McLaren zwang den Partner nicht mehr zu einem extrem engen Packaging - bei McLaren auch gerne 'Size-Zero-Philosophie' genannt -, und Honda konnte sowohl Zuverlässigkeit, also auch Leistung deutlich steigern.

Der Honda-Antrieb war bisher die größte Schwachstelle, Foto: Honda
Der Honda-Antrieb war bisher die größte Schwachstelle, Foto: Honda

Bei der Energierückgewinnung gelang Honda der größte Sprung. Weil der Energiefluss von der MGU-K weg limitiert ist, befanden sich die Hersteller hier ohnehin auf einem Niveau. Bei der unlimitierten MGU-H-Energie soll Honda inzwischen Klassenprimus sein. Die MGU-H darf beliebig viel Energie rekuperieren und entweder an die Batterie oder direkt an die MGU-K abgeben.

Defizite gab es noch beim Verbrennungsmotor. Aber hier kommt Honda die Token-Abschaffung entgegen. Honda kann das komplette Packaging-Konzept ändern, Turbolader, Verdichter und MGU-H aus dem Inneren des Vs rauswerfen und ähnlich wie Mercedes Turbo und Verdichter getrennt voneinander an Vorder- und Rückseite des Motorblocks anbringen. Dazu dürfte die Vorkammerzündung beim Verbrennungsmotor Einzug halten. Ferrari und Mercedes fahren bereits damit, bei Renault kommt sie wohl auch 2017. "Die Vorkammerzündung ist eine Schlüsseltechnologie des Motors", erklärte Honda-Motorenchef Hasegawa-san gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Tausche Button gegen Vandoorne

Technisch sprechen viele Faktoren dafür, dass McLaren 2017 ernsthaft vorne mitmischen kann. Aber auch bei den Fahrern gibt es allen Grund für Optimismus: Stoffel Vandoorne ersetzt Jenson Button, Fernando Alonso bleibt an Bord. Zuletzt zeigte Button deutlich, dass er seinen Zenit überschritten hat.

Auch bei den Fahrern sollte McLaren 2017 wieder ein Top-Team sein, Foto: McLaren
Auch bei den Fahrern sollte McLaren 2017 wieder ein Top-Team sein, Foto: McLaren

Mit Stoffel Vandoorne kommt nun ein Pilot, der perfekt für die Formel 1 vorbereitet ist. Mit GP2, Super Formula und einem Grand-Prix-Einsatz ist er der wohl am besten vorbereitete Pilot seit langer Zeit. Szene-Kenner attestieren ihm absolutes Superstar-Potential, einige stufen ihn sogar über Max Verstappen ein und stellen ihn auf eine Stufe mit Michael Schumacher, Ayrton Senna und Lewis Hamilton. Unbestritten jedenfalls hat McLaren 2017 eine gute Fahrer-Kombination mit Superstar Fernando Alonso und Youngster Stoffel Vandoorne.

Die Summe aus neuem Reglement, frischem Wind im Konzern, Sprüngen bei der Motorentechnologie und neuem Fahrer-Duo sollte McLaren 2017 wieder zu einem ernsthaften Top-Team machen. Ob es ganz zur Spitze reicht? Das müssen die Testfahrten und die ersten Grands Prix zeigen.