Für viele ist es ein Angriff auf den Markenkern der Formel 1. "Hässlich", mault Alain Prost im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Grauenhaft", sagt Nico Hülkenberg. "Damit verliert die Formel 1 ihre DNS, damit fahre ich nicht", poltert Lewis Hamilton. Doch die FIA hält an ihrem Plan fest: Halo soll kommen. Halo, englisch für Heiligenschein, ist ein Aufsatz direkt über dem Cockpit. Drei Streben, eine von vorne und je eine von links sowie rechts hinten, laufen zentral oben vor dem Helm zusammen. Sie sollen Leben retten, indem sie große Teile wie Reifen ablenken. Eine Attrappe nutzte Ferrari im Winter, um Sichteinschränkungen zu testen - der zweite kritisierte Aspekt neben der Optik. Fazit: weder optimal noch dramatisch.

Dritter Kritikpunkt: Halbherzigkeit. Kleine Teile wie die Feder beim Unfall von Felipe Massa in Ungarn lenkt Halo nicht ab. Red Bull hat daher eine Alternative vorgestellt - im Stil einer Windschutzscheibe. Noch dazu ist die Sicht nach vorne frei, eine zentrale Strebe gibt es nicht, und das Cockpit ist oben offen - vor dem Hintergrund von Fernando Alonsos Unfall in Australien nicht zu vernachlässigen. Weil unausgereift will die FIA dem Vorschlag jedoch keine Chance geben. Halo dagegen soll kommen, wenn auch erst 2018. Es wäre nur eine von vielen Sicherheitsrevolutionen in der Formel 1.

1. Der Helm

Seit 1953 sind bruchfeste Schutzhelme verpflichtend, Foto: Sutton
Seit 1953 sind bruchfeste Schutzhelme verpflichtend, Foto: Sutton

Helmpflicht - ja oder nein? Was die Radler-Szene bis heute spaltet, ist in der Formel 1 längst Standard. Ein F1-Pilot, der ohne Helm auf die Strecke fährt? Unvorstellbar! Ach ja? Dann schauen wir doch mal zurück in die frühen 50er Jahre. Mehr als modisch fragwürdige Fliegerbrillen tragen die Herren Fangio, Ascari und Moss anfangs ihrer Laufbahn nicht. Und das nicht einmal zum Schutz, sondern einzig, um bei den Spitzengeschwindigkeiten ihrer Boliden überhaupt die Augen öffnen zu können. Ergänzt wird die Fliegerbrille durch Lederkappen. Der Schutzeffekt ist marginal. Erst ab 1953 sind bruchfeste Schutzhelme verpflichtend. Die Ausführung lässt zu wünschen übrig, erinnert mehr an Bauarbeiterhelme - ohne Visier.

1977 folgt ein erster einheitlicher Helm-Standard durch die FIA, 1994 wird dieser verschärft, zehn Jahre später erneut. Große Berühmtheit erlangt ein Crashtest des Helms von Michael Schumacher: Selbst ein darüber rollender Panzer beschädigt die Lebensversicherung des Rekordweltmeisters nicht. Nach dem Feder-Unfall von Felipe Massa in Ungarn kommt es 2009 zum nächsten Fortschritt - einem verstärkten Kevlar-Streifen an der Oberseite des Visiers. Heute überstehen die Helme sogar Pistolenschüsse oder eine halbe Minute in 800 Grad Celsius heißen Flammen. Gegen Feuer schützt die Piloten zudem die im Lauf der Jahre sukzessive verbesserte Bekleidung - von Unterwäsche bis Rennoverall.

2. Der Sicherheitsgurt

Bei Bottas gab es 2016 Probleme mit den Gurten, Foto: Sutton
Bei Bottas gab es 2016 Probleme mit den Gurten, Foto: Sutton

Nach Einführung der Helmpflicht zur Saison 1953 dauert es satte 19 Jahre bis zur nächsten Sicherheitsrevolution in der Formel 1. Ab 1972 gilt in der Königsklasse das Motto: Erst Gurten, dann Spurten! Seit 1968 waren die Gurte nur empfohlen worden. Heute muss jeder Fahrer verpflichtend einen Sechs-Punkt-Sicherheitsgurt anlegen, will er in der F1 mitmischen. Die sechs Gurte werden dabei separat in ein Schloss eingeklinkt, das sich mit einem Handgriff vom Fahrer öffnen lässt. In nur fünf Sekunden muss er sein Auto verlassen können. Wie wichtig der Gurt ist, zeigt nicht zuletzt der tödliche Unfall von Jochen Rindt: Der einzige Posthum-Weltmeister der Formel 1 soll den bei seinem Unfall 1970 in Monza noch freiwilligen Gurt aus Angst vor den damals häufigen Feuerunfällen nicht ganz korrekt angelegt haben.

1991 führt die F1 neben Tests für Überrollbügel und Überlebenszelle selbige auch für die Sicherheitsgurte ein. Neben der Hauptfunktion als Lebensretter erfüllt der heute rund acht Kilogramm schwere Gurt noch einen anderen Zweck. "Ohne ihn wäre es uns unmöglich, den Bremskräften zu widerstehen", erklärt Nico Rosberg. Moderne Gurte halten Kräfte von bis zu 2,5 Tonnen aus. "Die Gurte, die wir benutzen, funktionieren im Grunde nach demselben Prinzip wie bei Kampfjet-Piloten, die mit enormen G-Kräften klar kommen müssen, genau wie wir", sagt Rosberg.

3. Das HANS-System

HANS schützt den Nacken, Foto: Sutton
HANS schützt den Nacken, Foto: Sutton

Anfangs belächelt, inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt Standard in der Formel 1 ist HANS. Das ist nicht etwa der Name eines Schutzengel-Beifahrers à la John Travolta in der US-Komödie 'Michael', sondern eine Vorkehrung, den Nacken der F1-Piloten zu schützen: HANS steht für Head And Nack Support. Das rund 200 Gramm leichte Kohlefaser-System ist eine Ergänzung des Helms, an dessen Hinterseite HANS mittels zweier Gurte befestigt ist. Ansonsten ruht das an ein Korsett erinnernde System unter dem Gurt auf den Schultern des Fahrers.

Ziel des Konzepts ist, besonders bei Unfällen, aber auch in schnellen Kurven, die laterale Belastung des Nackens durch permanent zerrende Fliehkräfte zu reduzieren und die Wirbelsäule so vor Überdehnung zu bewahren. Seit 2003 ist HANS Pflicht für alle Fahrer der Königsklasse. Ebenfalls vorgeschrieben ist das System zum Beispiel in der DTM, NASCAR, IndyCar Serie und Rallye-WM.

4. Die Sicherheitszelle

Alonso konnte nach seinem heftigen Abflug in Australien sogar selbst aus dem Cockpit klettern, Foto: Sutton
Alonso konnte nach seinem heftigen Abflug in Australien sogar selbst aus dem Cockpit klettern, Foto: Sutton

Es ist die Überlebensversicherung der F1-Fahrer schlechthin: das Monocoque, auch bekannt als Sicherheits- oder Überlebenszelle. Nur das Monocoque ermöglicht augenscheinliche Wunder. Zum Beispiel, dass Robert Kubica 2007 in Kanada oder erst jüngst Fernando Alonso in Australien nach ihren spektakulären Highspeed-Crashs ohne lebensbedrohliche Verletzungen aus ihren Wracks geklettert sind. Beide Unfälle haben etwas gemeinsam: Von den Boliden war nichts übrig, ausgenommen eben das Monocoque. Überhaupt möglich macht das dessen Konstruktion aus dem ultraleichten und gleichzeitig nahezu unverwüstlichen Material Kohlefaser. Seit Anfang der 80er Jahre besteht die Sicherheitszelle in der Formel 1 aus diesem in mehreren Schichten und wabenförmig gestalteten Material, ein erheblicher Fortschritt gegenüber den vorherigen Alu-Wannen.

Im Lauf der Jahre wird das Monocoque schrittweise optimiert, ausgeweitet und immer mehr, zunehmend strengeren, Crashtests unterzogen. Ab dem Jahr 2000 etwa müssen die Wände des Cockpits 3,5 Millimeter stark sein, davon 2,5 aus ultrahartem Kevlar. Inzwischen sind es sogar sechs Millimeter. 2005 wird zudem die Schutzpolsterung auf der Innenseite von 75 auf 100 Millimeter ausgedehnt. Kräften im zweistelligen Tonnenbereich hält das Monocoque ohne Probleme stand - insbesondere beim Frontalaufprall. Zuletzt wurde auch bei seitlichen Crashs nachgelegt. "Man kann es mit einer kugelsicheren Weste vergleichen", sagt Nico Rosberg. Nicht zu verwechseln ist das Monocoque mit der Sitzschale. Diese ist ein völlig eigenes Bauteil, das seit 1999 nicht mehr mit der Sicherheitszelle verbunden sein darf. So ist sichergestellt, dass der Fahrer mitsamt der Schale geborgen und Rückenverletzungen vorgebeugt werden kann.

5. Die Kevlar-Reifenseile

Die Kevlar-Reifenseile sollen herumfliegende Reifen verhindern, Foto: Sutton
Die Kevlar-Reifenseile sollen herumfliegende Reifen verhindern, Foto: Sutton

Lange Zeit gelten die Reifen als gefährlichste Geschosse in der Formel 1. Durch Unfälle abgerissene Pneus fliegen unkontrolliert und mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend, verletzen auch Anfang des Jahrtausends noch Streckenposten in Monza und Melbourne tödlich. Um zumindest die Fahrer vor dieser rund 20 Kilogramm schweren Gummi-Gefahr zu schützen, plant die FIA derzeit die Einführung des Halo-Cockpitschutzes (siehe oben). Doch im Lauf der vergangenen Jahre gab es bereits zahlreiche Bestrebungen, der Wurzel des Übels Herr zu werden: Durch zunehmend verstärkte Halteseile sind die Reifen immer besser an den Boliden fixiert.

Im Jahr 2000 macht die Formel 1 hier einen ersten großen Sicherheitsschritt nach vorne - die seit den 1990er Jahren verpflichtenden Reifenseile werden weiter verstärkt. 2005 folgt die nächste Verbesserung: Doppelte Halteseile aus Kevlar-Fasern, die Kräften von bis zu sechs Tonnen widerstehen müssen. 2017 legt die FIA nochmals nach: Acht Kilonewton Widerstandskraft sind ab kommender Saison angesagt.

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