In der Schlussphase des Abu Dhabi GP zeichnete sich der WM-Titel für Nico Rosberg ganz klar ab: Lewis Hamilton führte souverän vor seinem deutschen Rivalen. Dann drosselte der noch amtierende Weltmeister plötzlich das Tempo. Die Idee: Von hinten schließen Vettel und Verstappen auf, können sich womöglich zwischen den eingebremsten Rosberg und Hamilton selbst schieben. Nur so wäre Hamilton noch Weltmeister geworden.

Mehrfach wies Mercedes den Briten an, schneller zu fahren. Hamilton kam der Aufforderung nicht nach. Eine unfaire Verweigerung? Darüber gibt es geteilte Meinungen.

Pro: Hamilton gefährdete Sieg und unterwanderte Teamleistung

Sorry Lewis, aber dieser Trick war voll daneben. Klar, es war die letzte Chance, doch noch das WM-Ruder herumzureißen. Aber mal ehrlich: Wie wahrscheinlich war ein Erfolg mit dieser Herangehensweise? Zuerst ist Rosberg seinerseits ein genauso schneller Verfolger wie Verstappen und Vettel, hätte im ganzen Chaos also ebenso große Chancen gehabt, sogar Hamilton zu überholen, als selbst kassiert zu werden.

Dann noch die Vettel-Gefahr. Zumindest auszuschließen war ein völliger Durchmarsch Vettels an die Spitze, dank der Supersofts an seinem Ferrari, nicht. Zumal Mercedes den Briten auch noch mehrfach auf diese Gefahr hingewiesen hatte - bereits weitaus früher im Rennen. Und mit Platz zwei für Hamilton, wäre der WM-Käse für Rosberg erst recht gegessen gewesen. Da hätte Rosberg selbst noch der weit entfernte Daniel Ricciardo aufschnupfen dürfen.

Damit nicht genug. Dem gesamten Mercedes-Team, insbesondere den unter Hochdruck operierenden Strategie-Gurus daheim in Brackley, hat Hamilton mit diesem Vorgehen alles andere als Respekt für ihre Arbeit erwiesen, hat alle Kalkulationen und Prognose-Modelle mit Füßen getreten - die Strategie-Struktur unterwandert, wie Toto Wolff bei RTL mäkelte -, deren harten Job rückwirkend ad absurdum geführt. Einfach nicht Champion-like. Dann lieber mit einem Knaller-Sieg mit 30 Sekunden Vorsprung zumindest noch zum Abschluss zeigen, wer wirklich den schnelleren Silberpfeil schießt.

Contra: Hamilton hat nichts Verbotenes getan

Kurz und knapp: nein! Man kann Lewis Hamilton so einiges vorwerfen, dass er in Abu Dhabi unfair gefahren sei, allerdings sicherlich nicht. Hamilton hat weder einen Unfall Nico Rosbergs provoziert, noch ein anderes unlauteres Manöver geliefert, sondern einfach nur die Bandbreite der ihm zur Verfügung stehenden strategischen Mittel ausgeschöpft - das ist legal und nicht unsportlich.

Es kann für niemanden überraschend kommen, dass Hamilton an der Spitze fahrend das Tempo gedrosselt hat, um die Konkurrenz zu Rosberg aufschließen zu lassen, diese Option stand bereits seit Tagen im Raum. Dass es je nach Rennverlauf dazu kommen könnte, wussten alle Beteiligten. Solange niemand gefährdet wird, ist gegen langsameres Fahren nichts einzuwenden. Schließlich hätte Rosberg dem Spuk mit einem Überholmanöver auch selbst ein Ende machen können.

Mercedes wäre gut beraten, die sich in ersten Stellungnahmen nach dem Rennen anbahnende teaminterne Diskussion über Hamiltons Verhalten nicht weiter zu vertiefen. Die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft war bereits lange Zeit zugunsten der Silberpfeile entschieden, es ging in diesem Rennen einzig und alleine um den Fahrertitel - hier müssen einfach gewisse Zugeständnisse gemacht werden, solange alles im erlaubten Rahmen bleibt. Und das war in Abu Dhabi definitiv der Fall, eine teaminterne Kollision wie in Barcelona und Spielberg stand nie auch nur annähernd im Raum.