1. S wie Startaufstellung

Viel wurde im Vorfeld darüber spekuliert, ob es zum Saisonfinale in Abu Dhabi zu einer rein silbernen ersten Startreihe reichen würde oder ob sich vielleicht doch Jungspund Max Verstappen oder sein Teamkollege Daniel Ricciardo zwischen die beiden Mercedes quetschen könnten. Ernüchterung für all diejenigen, die sich durch ein Silber-Sandwich mit Bullen-Füllung ein extra Quäntchen Spannung erhofft hätten. Hamilton startet von der Pole, Rosberg geht von Startplatz zwei ins letzte Rennen 2016.

Dabei setzte Hamilton in Q3 den ersten Stich im Showdown um die Weltmeisterschaft. Mit einem Vorsprung von 0,303 Sekunden blieb der Brite als einziger an diesem Wochenende unter der 1:39er Marke. Der WM-Jäger Nummer eins sieht sich gut aufgestellt. "Es kommt selten vor, dass man fast jede Session anführt", so Hamilton. "Deshalb bin ich damit richtig glücklich." Eine kleine Niederlage gesteht sich Teamkollege Rosberg ein: "Ich wollte hier auf der Pole stehen. Demnach bin ich nicht überglücklich."

Foto: Sutton
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Dahinter konnte Red Bull-Pilot Ricciardo seinen Teamkollegen schlagen. Verstappen schaffte es auf Platz sechs nur in die dritte Startreihe. Zwischen die beiden Bullen quetschten sich beide Ferrari-Fahrer. Kimi Räikkönen konnte im letzten Qualifying das Duell noch zu seinen Gunsten hinbiegen: Iceman 11 - Vettel 10. Die Top-10 komplettieren die erneut starken Force India mit Nico Hülkenberg auf P7 und Sergio Perez dahinter vor Fernando Alonso und Felipe Massa.

2. S wie Start

Die Start-/Zielgerade des Yas Marina Circuit ist mit ihren 334,5 Metern relativ kurz. Dennoch birgt die erste Kurve Konfliktpotenzial. Sie ist eng und bietet kaum Platz für mehrere Boliden. Allerdings ist die Auslaufzone drum herum ausreichend, aber der Weg zu Turn 2 ist wiederum sehr kurz. Beim Einsortieren könnte es dort etwas unangenehm werden. Besonders knifflig wird es in der Startphase vor allem nach den beiden langen Geraden. Und gerade wenn das Szenario eintreffen sollte, dass einer der beiden Silberpfeile schlechter wegkommt, würde sich eine interessante Startphase ergeben. Packt der Verlierer am Start die Brechstange aus oder verlässt er sich auf den Grundspeed seines Gefährts und vertraut deswegen darauf, so oder so nach vorne zu kommen?

Ein entscheidender Faktor am Start wird ohne Zweifel sein, was die Konkurrenz macht. Rosberg wird heilfroh sein, dass Verstappen auf Startplatz sechs recht deutlich hinter ihm liegt. Ferrari-Altstar Räikkönen und Red Bull-Routinier Ricciardo sind bekannt dafür, vor allem am Start nicht Unmögliches möglich machen zu wollen. Daher könnte der WM-Leader davon profitieren, hinter sich eher "besonnene" Piloten zu haben.

Streckendaten
Länge: 5,554 km
Runden: 55
GP-Distanz: 305,47 km
Rundenrekord: 1:40.279 Minuten (VET, 2009)
Kurven: 21
Weg bis Kurve 1: 334,5 Meter
Länge Boxengasse: 359 Meter
Zeit in Box bei 80 km/h: 16,17 Sekunden

3. S wie Strategie

Der Reifensatz, auf dem die Piloten die schnellste Runde in Q2 gefahren sind, ist bekanntlich jener, auf dem das Rennen gestartet wird. Während beide Mercedes und beide Ferrari ihren schnellsten Umlauf der Session auf dem ultraweichen Reifen erzielt haben, wählte man bei Red Bull eine andere Strategie. Erneut setzte man für Ricciardo und Verstappen auf den Supersoft-Reifen. Ein Strategievorteil? Niki Lauda wiegelt ab: "Dass Red Bull auf einen anderen Reifen setzen, bedeutet wenig. Der Unterschied ist ganz gering. Es geht dabei um zwei Runden, die sie länger fahren können. Sie sind ähnlich schnell. Der Ultrasoft sollte beim Start besser funktionieren."

4. S wie Strecke

Der Yas Marina Circuit als Saisonabschluss hätte nicht besser gewählt werden können. Das spektakuläre Drumherum mit dem wunderschön beleuchteten Hotel, das besonders beim Rennen zum Tragen kommt ist eine schöne Randerscheinung für die Zuschauer. Die Streckenführung ist jedoch der eigentliche Star des Abu Dhabi Grand Prix. Der Kurs gehört zu den abwechslungsreichsten, anspruchsvollsten und zeitgleich flüssigsten aus der Feder von Strecken-Design-Guru Hermann Tilke. Die Kurvenkombination 15,16 und 17 ist in ihrem Fluss einzigartig. Jener Fluss wird gesprengt durch die Schikane nach der Haarnadelkurve vor der ersten langen Gerade und die Schikane danach. Ein wilder Ritt, der sowohl den Fahrern im Auto als auch den Zuschauern auf der Tribüne oder vor dem Fernseher eine Menge Spaß macht.

Foto: Motorsport-Magazin.com
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5. S wie Spannung

Es ist ein klassisches Finale wie vor zwei Jahren. Der Weltmeister wird im Saisonfinale ermittelt. Ein Showdown sondersgleichen. Den ersten kleinen Vorteil hat sich Hamilton heute im Qualifying erfahren. Mit Startplatz eins steht er vor dem Gejagten Rosberg. Der Deutsche muss wiederum seinen Blick auf die Rückspiegel richten. Während Ricciardo und Räikkönen keine Brachialstarter und faire Sportsmänner sind, starten beide aber dennoch selten schlecht. Sollten beide an Rosberg vorbeischlüpfen und sollte der Deutsche bei einem Rennsieg Hamiltons die Ziellinie als Vierter überqueren, dann war's das mit dem ersten WM-Titel. Der Brite muss sich indes nach vorne orientieren.

Dahinter ist das meiste gesagt und getan. Ricciardos dritter WM-Platz ist in Stein gemeißelt. Um den vierten Platz fighten hingegen Vettel und Verstappen. Der Deutsche liegt lediglich fünf Zähler vor dem Niederländer. Und wer den Youngster kennt, der weiß, dass er alles geben wird, um Vettel Rang vier abspenstig zu machen. Räikkönen auf sechs ist gesetzt, genauso wie Perez auf sieben, Bottas auf acht, Hülkenberg auf neun und Alonso auf WM-Platz zehn.

6. S wie Servus Felipe und Jenson!

Es wird das letzte Formel-1-Rennen für die beiden Routiniers. Jenson Button, Weltmeister von 2009 und Felipe Massa, Vizeweltmeister von 2008 beenden ihre Karrieren. Der Brite debütierte im Jahr 2000 in der Königsklasse. Von Williams ging es zu Benetton, ehe er 2003 bei BAR Honda andockte. 2009 übernahm bekanntlich Ross Brawn das Team, benannte es in Brawn GP um und stellte Button sein erstes und einziges Weltmeister-Auto zur Verfügung.

Foto: Sutton
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Massa kam zwei Jahre später in die Formel 1. Er trat die Nachfolge von Kimi Räikkönen an, der für mehrere Jahre bei McLaren andockte. 2006 ging es für Massa zur Scuderia, die er bereits aus Testfahrer-Zeiten bestens kannte. An der Seite seines sehr guten Freundes, Lehrers und Mentors Michael Schumacher lernte der Brasilianer unglaublich viel dazu. 2007 verhalf er seinem neuen Teamkollegen Kimi Räikkönen im letzten Rennen zu seinem WM-Titelgewinn. Der traurigste Moment des sympathischen Brasilianers ist zweifellos die in letzter Sekunde verlorene Weltmeisterschaft 2008 in seiner Heimat.

7. S wie Sieger

Wer hat nun die besseren Karten, Rosberg oder Hamilton? Der Deutsche liegt in der WM vorne, musste im Qualifying allerdings die erste Niederlage einstecken. Hamilton weiß in jedem Fall, worauf er sich besonders konzentrieren muss. "Der Start wird entscheidend sein", so der Brite. "Heute Abend muss ich mir die Strategie ansehen und überlegen, was nötig ist, damit ich das Rennen gewinnen kann." Trotz einer recht deutlichen Klatsche im Qualifying ist Rosberg unbesorgt. "Ich befinde mich dennoch in einer guten Position, um das Rennen zu gewinnen", so der Deutsche zu Startplatz zwei.

Und wie tippt die Motorsport-Magazin.com-Redaktion? Das sind unsere (nicht immer ganz ernst gemeinten) Tipps für den Land Grand Prix:

Chris Lugert: Gehen wir mal davon aus, dass die fast schon erwarteten technischen Probleme bei Nico Rosberg genau aus diesem Grund der Erwartung nicht auftreten, wird sich kein spannender WM-Kampf entwickeln. Lewis Hamilton wird das Rennen dominant zu Ende bringen, auf taktische Spielereien wird er jedoch verzichten. Rosberg wird Zweiter, Max Verstappen fährt auf Rang drei nach vorne. Wer ein Finale wie 2010 oder 2014 erwartet, wird leider enttäuscht.

Chris' Top-3-Tipp: 1. Hamilton 2. Rosberg 3. Verstappen

Philipp Schajer: Zum Saisonanschluss gibt’s ein richtig geiles Rennen. Sebastian Vettel gewinnt und beschert Ferrari doch noch einen Sieg. Lewis Hamilton wird nur Zweiter, holt aber den WM-Titel, weil Nico Rosberg von Max Verstappen abgeschossen wird. Und Daniel Ricciardo macht als Dritter noch einmal einen Shoey. Ende gut, alles gut.

Philipps Top-3-Tipp: 1. Vettel 2. Hamilton 3. Ricciardo

Jonas Fehling: Genug Negativ-Karma gespart dieses Jahr. Jetzt kommt das Glück endlich mal bei Kimi Räikkönen an. Weil Hamilton zu krass versucht, Rosberg einzubremsen, um ihn hinter ein paar Konkurrenten zu drücken, rutscht der Iceman nicht nur zwischen die Silberpfeile, sondern gleich an beiden vorbei. In Führung liegend weiß er in Abu Dhabi natürlich genau, was zu tun ist und wird von allen allein gelassen - weil sie einfach nicht mehr mithalten können (und weil Hamilton weiter Rosberg-Bremsklotz spielt). Dabei überholt der Deutsche den Briten schließlich einfach und fährt der 44 mit den platt gebremsten Schluffen auch noch weg.

Jonas' Top-3-Tipp: 1. Räikkönen 2. Rosberg 3. Hamilton

Manuel Schulz: Ich habe mir für das Saisonfinale viele Szenarien ausgedacht, eines unwahrscheinlicher als das andere. Beim Tipp gehe ich daher auf das wahrscheinlichste Szenario ein: Fünf Minuten vor dem Start taucht plötzlich eine tiefschwarze Regenwolke über dem Kurs auf. Bis auf Max Verstappen, Sergio Perez und Felipe Massa traut sich aber keiner auf Slicks zu fahren, da der Schauer jede Sekunde drohen könnte. Was dann passiert ist ganz einfache Logik.

Manuels Top-3-Tipp: 1. Ocon 2. Alonso 3. Hülkenberg

Florian Becker: Viele wünschen sich in der einen oder anderen Hinsicht einen richtigen Kracher zum WM-Finale 2016. In Abu Dhabi wird es aber leider nicht zum großen Spektakel kommen. Kein Regen, kein Safety Car, kein Max Verstappen, keine Action. Hamilton wird das Rennen vom Start weg kontrollieren und seinen zehnten Saisonsieg feiern, während Rosberg dahinter auf Platz zwei den WM-Titel klarmacht. Auf dem Podium wird ihnen Daniel Ricciardo Gesellschaft leisten, der versuchen wird, das Mercedes-Duo zur Feier des Tages mal wieder aus seinem Schuh schlürfen zu lassen.

Florians Top-3-Tipp: 1. Hamilton 2. Rosberg 3. Ricciardo