Wie schon an den vergangenen drei Rennwochenenden war für Nico Rosberg auch beim Qualifying für das Saisonfinale in Abu Dhabi nur die zweite Startposition drin. In den vergangenen beiden Jahren konnte sich der WM-Leader auf dem Yas Marina Circuit jeweils die Pole Position sichern, doch beim Zeittraining für das WM-entscheidende 21. Saisonrennen musste er sich Lewis Hamilton geschlagen geben. Obwohl ihm diese Position auch im Rennen zum Titelgewinn genügen würde, will er den Teamkollegen am Sonntag im Kampf um den Sieg herausfordern.

"Ich wollte hier auf der Pole stehen. Demnach bin ich nicht überglücklich", so der WM-Führende, dem am Ende etwa drei Zehntel auf Hamilton fehlten. Dabei konnte er bei sich keinerlei Unzulänglichkeiten ausmachen, als es im Qualifying ernst wurde: "Es hatte gar nichts mit mir zu tun, sondern eher damit, dass Lewis einfach einen guten Job gemacht hat."

Der Titelfavorit, der am Sonntag mit zwölf Punkten Vorsprung in das Finale gehen wird, machte keinen Hehl daraus, dass der Teamkollege in der Qualifikation außer Reichweite war. "Meine Runde war in Ordnung, aber ich wäre nicht dazu in der Lage gewesen, seine Zeit heute zu fahren", hält Rosberg fest.

Zur Verunsicherung Rosbergs konnte diese Niederlage aber offenbar nicht beitragen. Ganz im Gegenteil, denn der 31-Jährige beteuert, auch angesichts der zum Greifen nahen Weltmeisterschaft an seiner Herangehensweise nichts ändern zu wollen: "Es macht für mich Sinn, einfach genauso weiter zu machen, wie ich es die ganze Saison über schon getan habe. Das hat für mich funktioniert und deshalb stehe ich jetzt, wo ich stehe."

Auch Hamiltons verbale Sticheleien prallen an Rosberg offenbar ab. "Daraus mache ich mir nichts. Für mich ist es nur wichtig, mich auf mein Rennen zu konzentrieren. Dafür bin ich hier und nicht dafür, um über Kommentare anderer oder Eventualitäten nachzudenken."

Rosberg will Hamilton kräftig einheizen

Rosberg will in Abu Dhabi neben seiner Herangehensweise auch seinen bisherigen Ambitionen treu bleiben. "Ich feuere aus allen Rohren, um dieses Rennen zu gewinnen. Ich werde dafür kämpfen", so der WM-Leader, der sogleich eine Kampfansage an den großen Rivalen Hamilton schickt: "Ich freue mich auf das Rennen am Sonntag und natürlich werde ich ihm kräftig einheizen."

Angesichts seines komfortablen Punkte-Polsters wäre das hinsichtlich des Titelgewinns gar nicht notwendig. Selbst ein dritter Rang würde Rosberg bei einem Hamilton-Sieg noch die Bahn zum ersten WM-Titel freimachen. Rosberg allerdings prüft schon seine Chancen, um dem Kontrahenten möglichst früh im Rennen den Schneid abzukaufen: "Gerade der Start ist immer eine Möglichkeit, wie wir wissen."

Die Szenarien für einen Rosberg-Titel

Nico Rosberg wird in Abu Dhabi Weltmeister, wenn er...

  • ... mindestens Dritter wird.
  • ... Vierter, Fünfter oder Sechster und Hamilton maximal Zweiter wird.
  • ... Siebter oder Achter und Hamilton maximal Dritter wird.
  • ... als Neunter oder schlechter abschneidet und Hamilton maximal Vierter wird.
  • ... und Hamilton beide ausfallen oder außerhalb der Punkteränge ins Ziel kommen.

Keine Angst vor Red Bull & Co.

In den letzten drei Rennen konnte Rosberg seinem Anspruch auf den Rennsieg nicht unbedingt gerecht werden. Statt mit Hamilton an der Spitze, kämpfte er regelmäßig mit der Konkurrenz von Red Bull, die ihm vor allem in Form von Verstappen sehr nahe kam. Angst vor einer Wiederholung hat Rosberg aber offenbar nicht: "Die Sorge habe ich ehrlich gesagt gar nicht."

Dass die Gegner mit etwa einer halben Sekunde Rückstand im Qualifying weit abgeschlagen waren, war für ihn angesichts seiner Sieg-Ambitionen von keiner großen Wichtigkeit. "Auf die Jungs hinter mir habe ich nach dem Qualifying gar nicht so geschaut. Ich habe auf die drei Zehntel Rückstand auf Lewis geschaut und das war es, worüber ich nicht besonders glücklich war. Es kommt nicht wirklich darauf an, wer hinter mir steht", sagt Rosberg.

Sowohl Daniel Ricciardo als auch Max Verstappen waren im Q2 mit einer alternativen Strategie unterwegs und werden das Rennen auf dem Supersoft-Reifen starten, während Rosberg und Hamilton auf Ultrasoft den ersten Stint absolvieren werden. Dass Red Bull offenbar sämtliche Register zieht, um Mercedes beim Finale Gefährlich zu werden, verunsichert Rosberg keineswegs, wie er selbstbewusst klarstellt: "Überhaupt nicht. Weil unsere Strategie die Beste ist."

Sollte es wider Erwarten doch zu einer Konfrontation mit der nicht-teaminternen Konkurrenz kommen, hält Rosberg auch hier an seiner Marschroute fest, wie er gegenüber Motorsport-Magazin.com durchklingen ließ: "Da ist auch immer ein Risiko dabei. Aber ich muss ja auf alle Fälle mal die Zielflagge sehen, sonst kann ich das Rennen nicht gewinnen."

Nico Rosberg fürchtet sich in Abu Dhabi nicht vor Red Bull & Co., Foto: Sutton
Nico Rosberg fürchtet sich in Abu Dhabi nicht vor Red Bull & Co., Foto: Sutton

Rosberg mit Strategie-Nachteil gegen Hamilton?

Von der Pace her sieht es so aus, als ob Mercedes in Abu Dhabi erneut unantastbar ist. Doch so sehr sich die Teamführung auch darum bemüht, gleiche Voraussetzungen für beide Piloten zu schaffen, so schwierig könnte sich dieses Vorhaben am Sonntag gestalten. Da in jedem Fall ein Mercedes-Fahrer die Weltmeisterschaft gewinnen wird, hat das Team für das WM-Finale seine ganz eigenen Zielvorgaben.

" Egal was morgen passiert: Das Auto, das führt oder vorne liegt, hat in Sachen Strategie Priorität. Denn das Rennen zu gewinnen, ist unser oberstes Ziel. Der zweite Fahrer kann sich entweder für die gleiche Strategie entscheiden, oder eine andere Variante wählen. Aber die Abläufe für morgen ändern sich nicht, nur weil es das Finale ist. Unser oberstes Ziel bleibt, das Rennen zu gewinnen", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Mercedes will Rosberg vor Wiederholung von 2014 bewahren

Aussichten, die Rosberg unter Umständen wenig gefallen könnten, sollte er sich am Start nicht gegen Hamilton durchsetzen können. Genau wie die Tatsache, dass auch beim bisher sorglosen Rosberg im letzten Rennen noch einmal der Defekt-Teufel zuschlagen könnte. Das Team wird jedoch, wie an den bisherigen 20 Rennwochenenden, dafür sorgen, dass die Power Unit Rosberg auch ein letztes Mal in diesem Jahr treu zur Seite stehen wird. "Wir müssen ihnen ein zuverlässiges Auto und eine Strategie geben, die für beide funktioniert."

Vor zwei Jahren ließ Rosberg sein Bolide ihn im Finale im Stich. "Ich kann mich daran erinnern, wie schmerzhaft Abu Dhabi 2014 für Nico war. Im gleichen Jahr hatte aber auch Lewis seine Probleme", sagt Wolff. Für den Teamchef steht allerdings fest, dass es dieses Jahr keinesfalls einen unverdienten Weltmeister geben wird. "Es ist ein mechanischer Sport, und das kann passieren. Derjenige, der Sonntagabend mehr Punkte hat, ist für mich ein verdienter Weltmeister."