Für Nico Rosberg und Lewis Hamilton steht beim 21. Grand-Prix-Wochenende der Saison in Abu Dhabi die Entscheidung im WM-Kampf an. Das Duell am ersten Trainingstag konnte Hamilton mit 2:0 für sich entscheiden - und er hat offenbar noch Reserven für den Rest des Wochenendes. Rosberg hingegen landete in beiden Sessions hinter seinem Teamkollegen. Für den WM-Leader allerdings kein Beinbruch, sondern ein Auftakt nach Maß.

"Das war ein großartiger Tag. Alles lief rund und es gab keine echten Probleme", hielt Hamilton nach seinen zwei Bestzeiten an diesem Freitag in Abu Dhabi fest. Obwohl er Rosberg mit vier beziehungsweise einem Zehntel Vorsprung auf Abstand halten konnte, wäre laut dem amtierenden Weltmeister auf seiner schnellsten Runde im 2. Freien Training noch mehr drin gewesen: "Sie war nicht perfekt, da ich das Auto immer noch spürte, aber gut genug."

Rosberg, dem am Rennsonntag ein dritter Platz zum Titelgewinn genügt, war angesichts seines Rückstandes auf Hamilton nicht beunruhigt. "Das war ein ordentlicher Start ins Wochenende. Die Balance war von Anfang an im richtigen Bereich", so der 31-Jährige, der auf seine Verfolger, angeführt von Sebastian Vettel, am Nachmittag relativ komfortable zwei Zehntel Vorsprung aufweisen konnte.

Dass Rosberg so gelassen auf den Rückstand auf Hamilton reagiert, hängt für Mercedes-Teamchef Toto Wolff mit seinem Reifeprozess als Fahrer zusammen. "Er kommt damit sehr gut zurecht und es scheint nichts zu geben, dass ihn in irgendeiner Weise verunsichern kann. Egal, ob er sich im Aufwind befindet oder nicht. Soweit ich es beurteilen kann, ist das einer der Gründe, weshalb er die Weltmeisterschaft anführt."

Rosberg war vom Rückstand auf Hamilton nicht verunsichert, Foto: Sutton
Rosberg war vom Rückstand auf Hamilton nicht verunsichert, Foto: Sutton

Wolff: Hamilton hat Vertrauen ins Team

Dass Hamilton die Weltmeisterschaft vor dem Finale nicht anführt, ist unter anderem dem Motorschaden beim Malaysia-GP zuzuschreiben. Der Brite äußerte sich in der Pressekonferenz am Donnerstag recht doppeldeutig zum Tausch der Mechaniker zwischen ihm und Rosberg am Saisonbeginn. Wolff ist davon überzeugt, dass die vielen Defekte in dieser Saison das Verhältnis zwischen Fahrer und Team nicht belastet haben. "Er vertraut uns absolut", so der Österreicher.

Aussagen wie sie Hamilton vor dem Rennwochenende tätigte, so Wolff, würden von den Medien gerne aus dem Kontext genommen. "Die ganze Geschichte ist innerhalb das Teams eigentlich ein geschlossenes Kapitel und wird werden damit auch nicht mehr anfangen. Es ändert also auch nichts an der Beziehung zwischen Lewis und mir. Manchmal müssen wir es auch einfach zulassen, dass die Fahrer ihre Gefühle und Emotionen ausdrücken können. Wir wollen sie nicht zu sehr glattbügeln."

Spannung steigt angesichts WM-Entscheidung

Nachdem Rosberg und Hamilton in der ersten Saisonhälfte gleich mehrfach aneinandergeraten waren, war von derartigen Scharmützeln in der zweiten Saisonhälfte nichts mehr zu sehen. Die Stimmung im Team war laut Wolff, trotz des immer näher rückenden Finales, stets gut. "In den letzten paar Rennen hatten wir eine äußerst gelassene Stimmung im Team. Es war sehr produktiv und sehr gut für die Dynamik innerhalb der Mannschaft", so Wolff.

In den Vorbereitungen zum Titel-Entscheider in Abu Dhabi, hat sich an dieser Atmosphäre allerdings etwas geändert. "Es war klar, dass die beiden im Kampf um die Fahrerweltmeisterschaft die größten Rivalen sein würden. Wir haben an diesem Wochenende gesehen, dass es etwas anders ist. Man kann erkennen, dass sich da ein Druck aufbaut, der, denke ich, in dieser Phase der Saison ziemlich normal ist", fügt Wolff an.

Wolff sieht das Kräfteverhältnis zwischen Mercedes und der Konkurrenz unverändert, Foto: Sutton
Wolff sieht das Kräfteverhältnis zwischen Mercedes und der Konkurrenz unverändert, Foto: Sutton

Hamilton & Rosberg sehen noch Arbeit für das Team

Hamiltons Erfolge in den letzten Wochen sprechen wohl eine deutliche Sprache: Dafür, dass er keineswegs von Mercedes benachteiligt wird und dafür, dass der Titelkampf in voller Fahrt ist. Trotz des erfolgreichen Auftakts in das finale Rennwochenende 2016, hat Hamilton jedoch das Gefühl, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, sowohl auf kurzen als auch auf längeren Runs", so der Brite. Rosberg hingegen sah nach seinen Erkenntnissen vom ersten Trainingstag weniger Kritikpunkte.

"Es ist immer interessant, wenn man von höheren Temperaturen zu kühleren am Abend wechselt. Sich daran anzupassen und zu wissen, was einen erwartet, kann eine Herausforderung sein. Aber unser Auto funktionierte bei beiden Bedingungen gut - und das mit viel und wenig Benzin an Bord", so der WM-Führende, der seinerseits aber auch noch eine Baustelle ausmachen konnte: "Bei der Vorbereitung auf das Rennen müssen wir vor allem das Graining an den Vorderreifen in den Griff bekommen."

Für Hamilton ist die Zielvorgabe klar, wenn er seine Außenseiterchancen auf den WM-Titel an diesem entscheidenden Rennwochenende maximieren will. "Die Pole ist mein Ziel. Das ist mir auf dieser Strecke noch nicht gelungen, aber ich weiß, dass ich hier schnell sein kann. Das Auto fühlt sich großartig an und es steckt noch etwas Zeit drin. Darauf werde ich mich jetzt konzentrieren", so der dreimalige Weltmeister.

Letzter Auftritt für den W07 Hybrid

Der Abstand auf die Konkurrenz von Ferrari und Red Bull war am Freitag in Abu Dhabi im grünen Bereich. Wolff erwartet nicht, dass von den Gegnern an diesem Rennwochenende mehr Gefahr ausgeht, als zuletzt. "Generell würde ich sagen, dass die Performances in den letzten vier oder fünf Rennen auf einem sehr ähnlichen Level waren. Das liegt daran, dass jeder mittlerweile die Entwicklung an den 2016er Autos eingestellt hat", so der Mercedes-Teamchef.

So wie für alle Boliden des 2016er Jahrgangs, ist auch für Mercedes' bisher wohl dominantestes Auto nach dem Finale 2016 die Rente angesagt. Mercedes-Technik-Direktor Paddy Lowe will dem W07 Hybrid einen würdigen Abschied bescheren. "Heute Abend bereiten wir diese W07 Boliden zum letzten Mal auf ein Rennen vor. An diesen Autos hat das Team tausende von Stunden hart gearbeitet. Das ist der erste Schritt in Richtung Ausmusterung für diese unglaublichen Fahrzeuge. Hoffentlich können wir ihnen den Abschied ermöglichen, den sie verdient haben", so der Brite.