Pascal Wehrlein erlebte in der Woche des Brasilien-GP einen Tiefschlag nach dem anderen. Zuerst verkündete Force India die Verpflichtung seines Teamkollegen Esteban Ocon für die Saison 2017. Eine Entscheidung, die beim Mercedes-Junior für große Verwunderung sorgte. Im Regenchaos von Interlagos folgte dann die nächste Enttäuschung: Felipe Nasr fuhr für die Erzrivalen von Sauber zwei Punkte ein, womit Wehrleins Arbeitgeber Manor nun das Schlusslicht in der Gesamtwertung ist.

Dass Wehrlein beim verregneten Grand Prix von Brasilien mit der Balance seines Autos auf keinen grünen Zweig kam, war angesichts der schweren Rückschläge fast schon nebensächlich. Im Juli hatte er beim Großen Preis von Österreich einen Punkt für Manor eingefahren, der dem Team über Monate hinweg den zehnten Platz bei den Konstrukteuren, sowie ein Plus von ca. 20 Millionen US-Dollar Preisgeld, gesichert hatte. Nun scheint es so, als ob sie von Sauber kurz vor dem Ziel doch noch abgefangen wurden.

"Das im vorletzten Rennen...", rang Wehrlein im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com um Worte. Die Enttäuschung darüber, die so hart erarbeitete Position auf der Zielgeraden der Saison scheinbar verloren zu haben, saß tief. Hoffnung auf ein Wunder in Abu Dhabi? Fehlanzeige. "In Abu Dhabi wird es sehr schwer, noch irgendwie in die Punkte zu kommen", fügte der 22-Jährige an.

Wehrleins Österreich-Punkte werden Manor wohl doch nicht den zehnten Gesamtrang bescheren, Foto: Sutton
Wehrleins Österreich-Punkte werden Manor wohl doch nicht den zehnten Gesamtrang bescheren, Foto: Sutton

Wehrlein wünscht sich Antworten von Force India

Mindestens genauso schwer, wie diese sportliche Schlappe, wog wohl die Tatsache, dass ihm wenige Tage zuvor das durch Hülkenbergs Renault-Wechsel frei gewordene Force-India-Cockpit durch die Lappen gegangen war. Und als ob das noch nicht genug wäre, war es auch noch der eigene Teamkollege, der ihm den Aufstieg ins aufstrebende Mittelfeld-Team verhagelte. Dabei hatte er Ocon seit dessen Debüt in Spa-Francorchamps fast ausnahmslos im Griff.

Im Qualifying steht es 6:2 für Wehrlein. Lediglich in Sepang und Suzuka hatte er gegen den französischen Stallgefährten das Nachsehen. Im Rennen steht es zwar 5:3 für Ocon, doch Wehrlein hatte in den acht gemeinsamen Grands Prix auch zwei unverschuldete Ausfälle, während Ocon bisher immer die Zielflagge sah. Dementsprechend schwer war es für Wehrlein, die Entscheidung von Force India nachzuvollziehen. Schließlich hatte er in seiner Debüt-Saison eine durchweg starke Visitenkarte abgegeben.

Eine Antwort auf seine Fragen hatte Wehrlein von Force India im Rahmen des Brasilien-Wochenendes noch nicht bekommen. "Nein, ich habe nicht mit ihnen gesprochen", so der Rookie, der auch betonte, dass er keinen Groll gegenüber dem Team von Vijay Mallya hegt. Letztendlich geht es nur darum, weshalb ihm Ocon vorgezogen wurde: "Das Einzige, was ich gesagt habe, war, dass ich aus den Gründen lernen will, aus denen sie mich nicht genommen haben. Das war alles."

Wehrlein hatte Ocon bei Manor über weite Strecken fest im Griff, Foto: Sutton
Wehrlein hatte Ocon bei Manor über weite Strecken fest im Griff, Foto: Sutton

F1-Verbleib: Friss oder stirb?

Zur Saisonmitte wurde Wehrlein noch mit diversen Teams in Verbindung gebracht. Force India war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die heißeste Aktie, da ein Verbleib von Perez und Hülkenberg für sicher galt. Stattdessen war von Renault oder auch Haas als mögliche Option für 2017 die Rede. Haas-Teamchef Günther Steiner hatte schon früh in der Saison gesagt, dass Wehrlein ihn schwer beeindruckt hatte. Diese Gerüchte verliefen sich jedoch in der zweiten Saisonhälfte langsam im Sande - und nachdem auch dort für 2017 bereits sämtliche Cockpits vergeben wurden, sind Alternativen spärlich gesät.

"Für nächstes Jahr gibt es noch einen Platz bei Sauber und einen bei Manor", stellt Wehrlein klar. Ob für ihn nun auch ein Wechsel zum Manor-Rivalen Sauber in Frage kommt? "Davon weiß ich nichts", wiegelt er ab und stellt klar, dass er selbst ohnehin keinen großen Einfluss hat: "Mercedes führt die Gespräche für mich." Wehrlein ist zweifelsohne bewusst, dass neben ihm quasi nur millionenschwere Paydriver im Rennen um die übrigen Stamm-Cockpits sind. Darunter Ericsson, Nasr, Gutierrez oder auch sein ehemaliger Stallgefährte Rio Haryanto. Ob Wehrlein sich gegen diese Konkurrenz durchsetzen kann, ist fraglich: "Es liegt nicht an mir", verweist er auf die bei ihm nicht vorhandenen Sponsoren-Millionen.

Geht Wehrlein den Alonso-Weg?

Alonso 2001 im Debüt-Jahr für Minardi, Foto: Sutton
Alonso 2001 im Debüt-Jahr für Minardi, Foto: Sutton

Letztendlich scheint Wehrlein bei seinen Förderern von Mercedes ein sehr hohes Ansehen zu genießen. Nicht umsonst ließ das Team ihn in diesem Jahr bei den Testfahrten so oft hinter das Steuer des Silberpfeils. Sollte es mit dem Verbleib als Stammfahrer in der Königsklasse nicht klappen, könnte er aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch die Rolle des Reserve-Fahrers bei den Silbernen einnehmen. Er wäre in dem Fall längst nicht der erste Youngster, der nach dem Debüt-Jahr eine Auszeit nehmen muss

Zwei gute Beispiele zeigen, dass ohne Zweifel auch danach noch eine große Karriere möglich sein kann: Fernando Alonso und Felipe Massa. Beide mussten nach ihren Premieren-Saisons für Minardi respektive Sauber jeweils zurück in die zweite Reihe rücken - allerdings bei Top-Teams wie Renault und Ferrari. Dort hatten sie, wie die Geschichte zeigt, eine äußerst erfolgreiche Zukunft. Diese Rolle bei Mercedes einzunehmen, könnte sich für Wehrlein langfristig auszahlen.