Lewis Hamilton hält den WM-Kampf spannend bis zur letzten Runde. Der Mercedes-Pilot gewann das völlig chaotische Regenrennen von Brasilien in Sao Paulo. Mit seinem dritten Sieg in Folge vertagte er die Titelentscheidung auf das Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi. Hamilton gelang der neunte Sieg in der laufenden Saison, wodurch er mit Silberpfeil-Rivale Nico Rosberg gleichzog. Gleichzeitig schaffte der Brite Historisches. In der ewigen Siegerliste überholte er Alain Prost mit nun 52 GP-Siegen. Nur Michael Schumacher hat mit 91 Siegen mehr auf dem Konto.

Das Podium: WM-Spitzenreiter Nico Rosberg behielt in einem anstrengenden Rennen die Nerven und überquerte die Ziellinie als Zweiter. Er reist mit zwölf Punkten Vorsprung nach Abu Dhabi. Hinter Rosberg überquerte Max Verstappen die Ziellinie als Dritter. Der Red-Bull-Pilot setzte sich nach einer Aufholjagd zwei Runden vor Schluss gegen Sergio Perez durch. Nach insgesamt fünf Boxenstopps krönte Verstappen seine starke Leistung mit dem siebten Podestplatz in der Königsklasse des Formelsports.

Das Rennen war eine echte Nervenprobe für die Formel 1: Verzögerter Start hinter dem Safety Car wegen Regen, eine ausgiebige Rotphase in Folge von Kimi Räikkönens heftigem Crash sowie weitere Safety-Car-Phasen. Der Brasilien Grand Prix 2016 hatte es in sich!

Die Punkteränge: Perez verlor den sicher geglaubten Podestplatz im letzten Moment und musste sich mit Platz vier begnügen. Sebastian Vettel kämpfte sich nach einem Dreher zurück auf P5, während Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen nach einem heftigen Crash ausfiel. Carlos Sainz, Nico Hülkenberg und Daniel Ricciardo belegten die Plätze sechs bis acht. Großer Jubel bei Sauber: Felipe Nasr sicherte dem Team mit Platz neun die ersten WM-Punkte 2016. Damit überholt der Schweizer Rennstall die Rivalen von Manor in der WM-Wertung. Fernando Alonso komplettierte die Top-10 im vorletzten Rennen des Jahres.

Der WM-Stand: Hamilton stemmt sich weiter mit aller Macht gegen die drohende WM-Niederlage. Nach Brasilien hat er 355 Punkte auf dem Konto - und damit 12 weniger als Rosberg. Der WM-Spitzenreiter reist mit 367 Zählern im Gepäck zum Finale nach Abu Dhabi. Beide Mercedes-Piloten kommen nun auf jeweils neun Siege. Gewinnt Hamilton auch in Abu Dhabi und feiert damit seinen vierten Sieg in Folge, reicht Rosberg Platz drei zum WM-Triumph.

Das sagen Hamilton, Rosberg & Verstappen zum Rennen

Lewis Hamilton: "Mein Rennen war recht entspannt, insgesamt aber das wohl schwierigste Rennen hier in den letzten Jahren. Normalerweise ist der Regen hier sehr hart. Aber ich hatte keine Dreher und keine Fehler. Es sah härter aus als es war. Ich bin weiter auf der WM-Jagd. Bisher ist es super gelaufen für mich, ich werde auch in Abu Dhabi alles geben."

Nico Rosberg: "Ich hätte lieber gewonnen, aber Lewis hat einen super Job gemacht. Die Bedingungen waren schwierig, mit dem zweiten Platz kann ich leben. Gegen Max war es auch ein enges Duell, er ist super gefahren heute. Es freut mich, dass es mit der Strategie geklappt hat, ihn hinter mir zu halten."

Max Verstappen: "Das war ein schwieriges und unglaubliches Rennen mit den ganzen roten Flaggen. Ich habe versucht, andere Linien zu finden, das hat gegen Kimi gut funktioniert. Dann war ich erleichtert, weil die anderen hinter mir etwas langsamer waren. Dann kamen die roten Flaggen. Ich denke, wir hätten fahren können. Na ja, später hat es Spaß gemacht, Nico zu überholen. Dann kam der Schreckmoment und ich war froh, nicht in die Mauer geknallt zu sein. Später waren die Intermediates nicht mehr fahrbar, wir mussten wechseln. Ich konnte dann von hinten viele Autos überholen. "

Das Wetter: Das ganze Wochenende hatte er sich zurückgehalten, doch pünktlich zum Rennsonntag war es soweit: Heftiger Regen in Interlagos. Den gesamten Tag lang regnete es über dem Autodromo Juan Carlos Pace. Wegen der nassen Bedingungen entschied FIA-Rennleiter Charlie Whiting zunächst, den Rennstart um 10 Minuten zu verschieben. Da das Wetter etwas besser wurde, war eine weitere Verzögerung nicht nötig. Das Rennen wurde allerdings - nicht zur Freude der Zuschauer - hinter dem Safety Car aufgenommen.

Der Start:Nach sieben Runden hinter dem Safety Car, wurde das Rennen zum achten Umlauf freigegeben. Hamilton fuhr früh einen Vorsprung auf Rosberg heraus und konnte ihn locker halten. Dahinter überrumpelte Verstappen seinen Vordermann Räikkönen schon in Kurve eins. Der Niederländer übernahm die dritte Position. Ansonsten verlief der zumindest der erste Start ziemlich problemfrei.

Die Nachwehen des Interlagos-Chaos - hier mit Marcus Ericsson, Foto: Sutton
Die Nachwehen des Interlagos-Chaos - hier mit Marcus Ericsson, Foto: Sutton

Die Rot-Phasen: Drama beim Re-Start in Runde 19 nach Ericssons Unfall: Kimi Räikkönen verlor beim Beschleunigen die Kontrolle über seinen Ferrari und drehte sich auf der Start/Ziel-Geraden. Der Finne schlug erst rechts in die Mauer, drehte sich und knallte dann in die linke Seite der Streckenbegrenzung. Glück im Unglück für Räikkönen: Die nachfolgenden Autos konnten knapp ausweichen. Nach dem Unfall wurde das Rennen um 14:46 Uhr Ortszeit mit roten Flaggen zwischenzeitlich abgebrochen.

Der Re-Start hinter dem Safety Car erfolgte 35 Minuten später um 15:21 Uhr. Nach 15 Minuten Fahrt hinter Bernd Mayländer entschied die Rennleitung, das Rennen ein weiteres Mal zu unterbrechen. Buh-Rufe von den nassen Tribünen und Unmutsäußerungen der Fahrer waren die Folge. "Die weltbesten Fahrer der Welt müssen bei so einem Wetter fahren können", sagte Niki Lauda. Der nächste Versuch, das Rennen wieder aufzunehmen, erfolgte um 16:02 Uhr.

Die Reihenfolge: 1. Hamilton, 2. Rosberg, 3. Verstappen, 4. Hülkenberg, 5. Perez, 6. Sainz, 7. Nasr, 8. Ricciardo, 9. Ocon, 10. Wehrlein

Der 3. Re-Start: Genau zwei Stunden nach dem ursprünglichen Start wurde das Rennen zur 32. Runde erneut freigegeben. Verstappen griff furchtlos den Zweitplatzierten Rosberg an und überholte den Mercedes in Kurve 3 auf der Außenseite. Teamkollege Ricciardo schnappte sich Sainz und verbesserte sich auf die fünfte Position. Wehrlein verlor von P9 zwei Plätze an Alonso und Vettel. Hamilton behauptete unterdessen die Führung, wurde aber per Funk vor Verstappen gewarnt.

Bernd Mayländer sammelte einige Führungskilometer in seinem Mercedes, Foto: Sutton
Bernd Mayländer sammelte einige Führungskilometer in seinem Mercedes, Foto: Sutton

Der 4. Re-Start: Weiter ging's in der 56. Runde nach Massas Crash. Alonso drehte sich auf dem Weg bergauf in Richtung Start/Ziel-Gerade, während Hamilton an der Spitze die Führung vor Rosberg, Perez, Sainz und Vettl behauptete.

Die Zwischenfälle: Schreckmoment für Sebastian Vettel: In Runde 11 drehte er sich in der letzten Kurve und kam verkehrt herum zum Stehen. Eine enge Kiste auf einer der schnellsten Passagen der Strecke, denn Hülkenberg konnte Vettel nur knapp ausweichen. Vettel bog wenig später in die Box ab, wo die Ferrari-Crew beim Reifenwechsel auf Intermediates länger als nötig brauchte. Daniel Ricciardo kassierte eine 5-Sekunden-Strafe, weil er nach Räikkönens Crash in die geschlossene Boxengasse abbog. Helmut Marko: "Es war sieben Sekunden, nachdem die Nachricht kam. Wir waren konzentriert wegen des Doppel-Stopps. War unser Fehler." 5 zusätzliche Sekunden auch für Felipe Massa, nachdem er vor der Safety-Car-Linie überholt hatte.

Pech hatte Nico Hülkenberg vor dem dritten Re-Start. Von Platz vier musste er noch während der Safety-Car-Phase die Box für einen neuen Satz Reifen ansteuern. Ein Karbonteil auf der Strecke hatte zuvor für einen Platten am rechten Hinterreifen seines Autos gesorgt. In Runde 39 stockte Red Bull der Atem, als Verstappen sich auf Platz zwei liegend beinahe in der letzten Kurve drehte, sein Auto aber in letzter Sekunde abfing - und den heranrauschenden Rosberg auch noch hinter sich halten konnte.

Marcus Ericsson kurz vor der Einfahrt zur Boxengasse, Foto: Sutton
Marcus Ericsson kurz vor der Einfahrt zur Boxengasse, Foto: Sutton

Die Boxenstopps: Das hintere Feld, angeführt von Kevin Magnussen, bog in der ersten Runde nach der Rennfreigabe in die Box ab und wechselte von Regenreifen auf Intermediates. Die Spitze vertraute zunächst weiter auf die Heavy Wets. Kurz vor Beginn der Safety-Car-Phase in Runde 13 gelang es beiden Red Bulls im letzten Moment, auf Intermedate-Reifen zu wechseln. Verstappen fuhr zu diesem Zeitpunkt auf dem vierten Platz, Ricciardo war Neunter. Bei den Re-Starts nach den Safety-Car-Phasen wurden alle Fahrer angehalten, auf Regenreifen zu starten.

Ricciardo holte sich in Runde 40 als Erster aus der Spitzengruppe Intermediate-Reifen an der Box ab. 4 Runden später wechselte Verstappen von Platz zwei kommend von Heavy Wets auf Intermediate-Mischungen. Ricciardo entschied sich später während einer Safety-Car-Phase wieder um und schnappte sich einen Satz Regenreifen. Verstappen tat es ihm gleich, zu schlecht waren die Bedingungen 20 Runden vor Rennende. Dank einer Aufholjagd kämpfte er sich bis auf den dritten Platz nach vorne.

Mächtig was los in der Boxengasse von Sao Paulo, Foto: Sutton
Mächtig was los in der Boxengasse von Sao Paulo, Foto: Sutton

Die Ausfälle: Für Romain Grosjean war das Rennen vor dem Rennen beendet... Der Haas-Pilot rutschte bei extrem nassen Bedingungen auf dem Weg in die Startaustellung von der Strecke. In der Bergaufpassage Juncao verlor er die Kontrolle und schlug in die Mauer ein. Dabei brach die linke Vorderradaufhängung seines Haas-Boliden. Es war nicht möglich, das Auto rechtzeitig zu reparieren. Bitter, er wäre von Platz sieben gestartet.

In Runde 13 war das Rennen für Marcus Ericsson beendet. Auf Intermediates drehte sich der Sauber-Pilot auf der Start/Ziel-Geraden und blieb bei der Einfahrt zur Boxengasse stehen. Max Verstappen, durch Gischt behindert, konnte ihm auf dem Weg in die Box knapp ausweichen. Nach Räikkönen war auch für Jolyon Palmer vorzeitig Feierabend. Kurz vor dem Rennabbruch kam es zu einer Kollision zwischen Palmer und Daniil Kvyat. Für den Renault-Piloten ging es anschließend nicht mehr weiter.

Felipe Massas letztes Brasilien-Rennen in der F1 endete in Runde 49. Der scheidende Williams-Pilot rutschte in der kniffligen letzten Kurve von der Strecke und verabschiedete sich unter Anfeuerungsrufen und mit Brasilien-Flagge in der Hand von seinen Landsmännern. Der Crash löste die nächste Safety-Car-Phase aus. Nicht besser lief es für Esteban Gutierrez, der seinen Haas-Boliden zehn Runden vor Schluss wegen eines technischen Problems abstellen musste.

Felipe Massa lässt sich nach seinem Ausfall von den Fans feiern, Foto: Sutton
Felipe Massa lässt sich nach seinem Ausfall von den Fans feiern, Foto: Sutton

Die Top-Facts des Rennens

  • 3. Sieg für Hamilton in Folge - 1. In Brasilien
  • 52 F1-Siege: Hamilton überholt Alain Prost
  • Rosberg nach P2: 12 Punkte Vorsprung auf Hamilton
  • Start hinter Safety Car nach 10-minütiger Verschiebung
  • 2. Safety-Car-Phase nach Ericsson-Crash
  • 35 Minuten Rotphase nach heftigem Räikkönen-Unfall
  • Zweite Rotphase - Unverständnis von Fahrern und Fans
  • Massa fällt bei seinem letzten Brasilien-Rennen vorzeitig aus
  • Grosjean verunfallt auf Weg in Startaufstellung

Die Analyse:Hui, was für ein Rennen. Es dauerte lange, war die Wartezeit aber wert. Diesmal geht der Driver of the Day zu Recht an Max Verstappen, der schon allein für ein spannendes Rennen gesorgt hätte. Emotional auch der Brasilien-Abschied von Felipe Massa, bei der Streckenposten sogar Tränen auslöste. Was uns in den kommenden Tagen beschäftigen wird: Waren die langen Rotphasen wirklich nötig? Und: Was ist mit den Regenreifen von Pirelli los? Hier können wir uns auf einige Kritik aus dem Fahrerlager gefasst machen. Ach ja, das WM-Duell gibt es ja auch noch. Hamilton fährt seit Wochen auf oberstem Niveau, doch die Aufholjagd scheint zu spät zu kommen. Aber: Es darf gezittert werden bis zur letzten Runde in Abu Dhabi.