Es waren Situationen, die man so gar nicht mehr gewohnt war. Sowohl in Austin, als auch in Mexiko musste sich Mercedes harter Konkurrenz erwehren. Daniel Ricciardo hätte beim USA GP beinahe den zweiten Platz belegt, gleiches wäre auch für Max Verstappen in Mexiko möglich gewesen. Prozessionsfahrten beider Silberpfeile, mit denen sie die Konkurrenz frühzeitig im Rennen alt aussehen lassen? Zuletzt Fehlanzeige. Hat die Konkurrenz von Red Bull und Ferrari tatsächlich aufgeholt? Oder stecken ganz andere Gründe dahinter? Motorsport-Magazin.com analysiert.

Ein Blick auf die groben Zahlen lässt zunächst keine Veränderung erkennen. Nach der Sommerpause fuhr Mercedes immer auf die Pole Position, zuletzt bildeten die Silberpfeile vier Mal geschlossen die erste Reihe. Mit Ausnahme des Malaysia GP hat Mercedes auch jedes dieser Rennen gewonnen. Und auch in Sepang wäre das Weltmeister-Team wohl unschlagbar gewesen, wenn nicht eine Startkollision (Rosberg) sowie ein Motorschaden (Hamilton) dazwischen gekommen wären.

In Malaysia ging Lewis Hamilton der Motor hoch, Foto: Sutton
In Malaysia ging Lewis Hamilton der Motor hoch, Foto: Sutton

Seit Malaysia: Mehr Ausgeglichenheit in den Rennen

Und doch hat sich seit jenem Hamilton-Ausfall etwas verändert. Sah die Konkurrenz bis dahin weder im Qualifying, noch im Rennen irgendein Land, dürfen sie nun sogar von Angriffen auf den Sieg träumen. Mercedes hatte keine Erklärung für den Motorschaden an Hamiltons Auto, daher wurde der Japan GP mit einer konservativen Herangehensweise bestritten. Ein weniger aggressiver Motorenmodus, anderes Motorenöl. Prompt sank der Vorsprung um einige Zehntel im Qualifying. "Wir sind nicht so scharf gefahren, wie wir könnten", gab Toto Wolff in Suzuka zu.

Im Rennen kontrollierte Nico Rosberg das Geschehen zwar, doch auf einem anderen Niveau. Gerade einmal fünf Sekunden lag der Deutsche im Ziel vor Max Verstappen. Auch Ferrari befand sich in einer starken Position und hätte auf der Strecke den am Start zurückgefallenen Lewis Hamilton schlagen können. Eine falsche Strategie machte dieses Unterfangen für Sebastian Vettel jedoch unmöglich.

Sebastian Vettel wäre in Japan beinahe vor Hamilton gelandet, Foto: Sutton
Sebastian Vettel wäre in Japan beinahe vor Hamilton gelandet, Foto: Sutton

Rosberg mehrfach im Glück

Dieser Trend setzte sich fort. In Austin gewann Hamilton dann zwar wieder mit fast 20 Sekunden Vorsprung vor dem ersten Nicht-Silberpfeil. Doch das war nur die halbe Wahrheit. Red Bull erkannte die Chance und versuchte per Strategie, an Mercedes vorbeizukommen. Mit den superweichen Reifen wollte man aus Reihe zwei gleich in Führung gehen, zumindest an Rosberg kam man auch vorbei. In den ersten Runden ließ Daniel Ricciardo auch Spitzenreiter Hamilton nicht entwischen. Erst durch den zunehmenden Reifenverschleiß am Red Bull konnte sich Hamilton absetzen.

Im Duell mit Rosberg hatte Ricciardo nach wie vor gute Chancen, ehe ein ungünstiges Virtuelles Safety Car den Mercedes quasi durch einen Freistopp am Australier vorbei brachte. Mit den älteren Reifen und moralisch leicht angeschlagen hatte Ricciardo nichts mehr auszusetzen. Der letztendliche Rückstand auf Hamilton von knapp 20 Sekunden entsprach nicht der Realität der Performance.

Ganz ähnlich lief es auch in Mexiko. Auf einer Strecke, die besonders den Motor beansprucht, konnte Red Bull Paroli bieten. Und auch Ferrari präsentierte sich stark, zumindest im Rennen. Doch erneut hatte zumindest Rosberg das Glück auf seiner Seite. Beide Red Bulls wurden von Sergio Perez entscheidend aufgehalten, Vettel hing zu Rennbeginn hinter Massa fest. "In einer perfekten Situation hätte unsere Strategie, die sehr aggressiv war, noch besser funktioniert", sagte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hinterher.

Nico Rosberg konnte in Mexiko das Tempo seines Teamkollegen nicht mitgehen, Foto: Sutton
Nico Rosberg konnte in Mexiko das Tempo seines Teamkollegen nicht mitgehen, Foto: Sutton

Qualifying ist die halbe Miete

Schafft es Mercedes im Qualifying weiterhin, im entscheidenden Moment nochmals zuzulegen, agieren die Silberpfeile im Rennen weit weniger dominant. Schon die Longruns am Freitag gestalteten sich zuletzt ausgeglichen. Dieser Eindruck bestätigt sich dann meist im Rennen. Dennoch: Wer von der Pole startet, hat es in der Formel 1 leichter. In sauberer Luft, ohne Verkehr, können Rosberg oder Hamilton einen kleinen, entscheidenden Vorsprung herausfahren. Diesen verwalten sie dann problemlos - ob Schongang oder nicht.

In Mexiko kam Hamilton so nie in die Bredouille, Rosberg hatte jedoch das gesamte Wochenende über mit den Reifen zu kämpfen. "Dieses Jahr war einzigartig wegen der Temperaturen. Die Reifen waren immer kalt, dadurch wurde das Auto nervös. Das ist eine ziemlich einzigartige Erfahrung dieses Wochenendes gewesen", so Rosberg nach dem Rennen. In selbigem musste er sich gegen einen heranstürmenden Max Verstappen erwehren. Doch kein Grund zur Panik, wie der WM-Führende meinte. "Im Rennen lief es ziemlich gut für mich, oder? Das war keine Schadensbegrenzung. Ich wollte gewinnen, das hat aber nicht funktioniert. Lewis war schneller und hat einen super Job gemacht", konzentrierte er sich nur auf die Spitze.

Ob Mercedes nun einfach Gas herausgenommen hat oder die Konkurrenz tatsächlich stärker geworden ist, ist schwer nachzuvollziehen. Dennoch zeigt sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner begeistert von der Entwicklung seines Teams in den letzten Wochen. "Wir freuen uns auf die letzten beiden Rennen. Es ist sehr ermutigend zu sehen, dass wir näher und näher an Mercedes herankommen", so Horner. "Wir knabbern immer mehr ab und man sieht nicht mehr die Abstände, die Mercedes in den Jahren zuvor hatte. Für dieses Jahr hilft es nicht mehr viel, aber ich hoffe, es sorgt für eine konkurrenzfähigere Formel 1 2017", blickt er optimistisch in die Zukunft.