Lewis Hamilton reist mit einer gewaltigen Packung vom Malaysia GP back-to-back zum Japan GP. Eigentlich lief in Sepang alles nach Maß für den Weltmeister. Hamilton legte ein überlegenes Wochenende hin, antwortete mit Macht auf die jüngste Erfolgswelle seines Teamkollegen und Erzrivalen um die WM, Nico Rosberg.

Hamiltons bitterer Mercedes-Motorschaden in Malaysia

Dann der Schock. Von Pole gestartet, souverän führend, Rosberg nach dessen Startkollision weit hinter sich und den Red Bull als Punktepuffern wissend streikte in Runde 41 die Power Unit im Heck seines Mercedes. Das Aggregat quittierte den Dienst. Hamilton rollte aus, Rosberg unverhofft auf das Podium. Statt die frisch eroberte WM-Führung an den Briten zu verlieren baute der Deutsche seinen Vorsprung aus. Massiv. Von 8 auf 23 Punkte.

"Das vergangene Wochenende war natürlich eine riesige Enttäuschung", sagt Hamilton. "Ich fühle mit Lewis, da ich mich schon selbst in dieser Situation befunden habe. Es ist Mist, wenn man so viele Punkte auf diese Weise verliert", ergänzt da selbst Rivale Rosberg. Dennoch: "Mit Blick auf den Titelkampf kam mir das Ergebnis in Malaysia natürlich entgegen. Das ist Fakt und ich kann nicht so tun, als ob es anders wäre."

Stürzt Hamilton erneut in die Formkrise?

Umso mehr trifft dies womöglich aus einem anderen Grund zu: Noch zu Saisonbeginn hatten Hamilton ähnliche Probleme, gleich eine ganze Defektserie, in ein Tief gestürzt, das aus Sicht manchen Beobachters schließlich im Mercedes-internen Crash mit Rosberg in Barcelona gipfelte. Erst danach berappelte sich Hamilton, zog sich mit einer Siegesserie vor der Sommerpause aus dem Loch. Kann Rosberg also auf eine zweite Flaute-Phase Hamiltons hoffen?

Eher nicht. So weit will es der Weltmeister diesmal nicht kommen lassen, geht offensiv an die Sache heran. "Es macht keinen Sinn, sich darüber (den Schaden) den Kopf zu zerbrechen. Das schafft nur negative Energie", sagt Hamilton dieses Mal. "Dies ist nicht mein absoluter Tiefpunkt. Da gab es ganz sicher andere. Aber egal, ich werde meine innere Stärke nutzen, um an den nächsten fünf Rennwochenenden zurückzuschlagen. Ich werde weiterkämpfen!", stellt der Champion klar.

Moralische Unterstützung bekommt Hamilton von seinen Bossen, Niki Lauda und Toto Wolff. "Wir haben mit ihm gesprochen und er weiß, dass wir seinen Schmerz teilen", sagt Wolff. Doch ein wenig hadert Hamilton dennoch mit seiner Situation. "Ich denke, es gibt Zeiten, in denen du durch solche Erfahrungen wächst. Aber an einem gewissen Punkt kommt es so, dass die Ertrage in Sachen Wachstum nachlassen während du all diese Erfahrungen machst - ich bin bereits stark", beschreibt Hamilton das Dilemma. Im Klartext: Viel lernen kann er nicht mehr, Hamilton will einfach liefern (können).

Um sich diesen Anblick in Zukunft zu ersparen, würde Lewis Hamilton sogar ein Freies Training opfern, Foto: Sutton
Um sich diesen Anblick in Zukunft zu ersparen, würde Lewis Hamilton sogar ein Freies Training opfern, Foto: Sutton

Training auslassen? Hamilton ordnet alles der Haltbarkeit unter

Doch dazu braucht es jetzt vor allem eines: Zuverlässig funktionierende Motoren. Genau hier liege daher zurzeit sein Hauptaugenmerk. "Ich will sichergehen, dass sie diese mit allem, was geht behandelt, um sicherzustellen, dass sie durchhalten", sagt Hamilton. Wenn das für ihn bedeute, mal eine Trainingssession auszulassen, werde er selbst das in Betracht ziehen. "Ich werde alles tun, was auch immer nötig ist", sagt Hamilton.

Seinem Team vertraue er dabei jedoch absolut. "Die Jungs werden davon lernen und es verstehen", sagt Hamilton. Eine vor dem Hintergrund der jüngst einmal mehr aufgekommenen Sabotage-Diskussionen gute Botschaft für die Mercedes-Mannschaften in Fabrik und Garage. "Wenn dann am Ende der Saison eine höhere Macht nicht will, dass ich gewinne und Champion werde, dann werde ich es akzeptieren", ergänzt der amtierende Weltmeister.

Die Ursache des Motorschadens ist noch nicht geklärt, Foto: Sutton
Die Ursache des Motorschadens ist noch nicht geklärt, Foto: Sutton

Mercedes findet Ursache für Motorschaden

Dass am Ende die Technik die WM entscheidet, hofft indessen Paddy Lowe mindestens genauso wenig wie Hamilton selbst. Immerhin ist er der Hauptverantwortliche des Teams für alle Technikfragen. Entsprechend setzt Lowe alles an die Aufklärung des Sepang-Defekts. Noch ist die Ursache jedoch nicht ergründet. "Malaysia war eine bittere Pille für uns. Wir haben Lewis leider hängen lassen. Wir untersuchen weiterhin die Ursache für sein Motorenproblem und geben alles, um sicherzustellen, dass wir es zunächst verstehen und danach für den Rest der Saison beheben", berichtet Lowe.

Update 06.10., 07.00 Uhr: Inzwischen steht die Ausfallursache fest: Ein defektes Kugelwellenlagar legte Hamilton still. Alle Infos dazu jetzt hier:

Die verbliebenen Motoren für das Saisonfinale werde man nun ebenfalls gründlich untersuchen, ergänzt Toto Wolff. "Wir werden keinen Stein auf dem anderen lassen, um sie für die nächsten Rennen zu checken", sagt der Motorsportchef von Mercedes. Hamiltons Angebot sogar auf Trainings zu verzichten hält er dagegen weder für nötig noch zielführend. "Das würde sein ganzes Wochenende nur insgesamt beeinträchtigen", sagt Wolff.

Einfach werde es jetzt jedenfalls nicht für Hamilton, gesteht Wolff. Jedoch weniger wegen der Motoren, sondern wegen des Punkterückstands auf Rosberg. "Es ist hart, wenn so etwas zu einem entscheidenden Punkt im Titelkampf passiert. Das ist ein herber Rückschlag für ihn", sagt Wolff. "Natürlich wird es schwierig, denn Nico fährt besser denn je zuvor. Das hat er in Singapur bewiesen und danach auch mit seiner großartigen Aufholjagd in Malaysia. Aber die WM ist noch nicht vorbei. Es stehen noch immer fünf Rennen aus."

Mercedes-Duell in Suzuka: Das sagt Lewis Hamilton

Ausgerechnet die erste Etappe dieser Zielgeraden geht nun am bevorstehenden Wochenende in Japan über die Bühne. Ein Schauplatz ganz nach dem Gusto eines Lewis Hamilton. Nach Suzuka kommt er mit zwei Siegen aus 2014 und 2015 im Gepäck.

"Wenn ich so eine Leistung zeige wie am vergangenen Wochenende und das Auto hält, dann ist für mich noch etwas drin. Ich liebe die Strecke in Suzuka. In den vergangenen beiden Jahren war ich dort schnell unterwegs. Hoffentlich kann ich diesen Trend dieses Jahr fortsetzen", sagt Hamilton.

Knallhart kämpfte Hamilton Pole-Mann Rosberg 2015 in Japan in Kurve eins nieder, Foto: Sutton
Knallhart kämpfte Hamilton Pole-Mann Rosberg 2015 in Japan in Kurve eins nieder, Foto: Sutton

Mercedes-Duell in Suzuka: Das sagt Nico Rosberg

Ganz anders sein Teamkollege. Nico Rosberg fehlt ein Japan-Sieg noch völlig. Doch das war in diesem Jahr auch in Monza, Sochi, Spa, Bahrain und Singapur der Fall. Ein Quintett, das Rosberg 2016 geschlossen von seiner Sieglos-Landkarte ausradierte. Folgt in Suzuka der sechste Streich? Warum nicht, denkt sich der Deutsche. "Es ist eine der großartigen Traditionsstrecken, auf denen alle Legenden gewonnen haben. Deshalb wäre es mir eine Ehre, meinen Namen ebenfalls auf diese Liste zu setzen. Ich muss meine letzten Performances dort verbessern. Dort ist es für mich bislang nie richtig gut gelaufen. Aber ich glaube, dass ich in dieser Saison gezeigt habe, dass ich aus den letzten beiden Jahren viel gelernt habe ...", sagt Rosberg.

+++ Großer WM-Chancen-Check für die Saison-Zielgerade +++

Gewinnt Rosberg in Suzuka tatsächlich, kann Hamilton aus eigener Kraft nicht mehr Weltmeister werden. Selbst wenn er Zweiter wird, bedeuten die dann 30 Punkte Rückstand, dass vier Siege zum Saisonabschluss nicht reichen wenn Rosberg jedes Mal auf P2 ankommt. Ein kleine Vorentscheidung kann in Suzuka also durchaus fallen - zumal das Kräfteverhältnis was das Restprogramm anbelangt in Sachen Statistik recht ausgeglichen daherkommt. Motorsport-Magazin.com hat die wichtigsten und interessantesten Faktoren zusammengestellt.

Rosberg vs. Hamilton: Wer hat mehr Motoren?

Zunächst die vielleicht wichtigste, weil aktuellste und brennendste Frage: Wer hat wirklich einen Vorteil in Sachen Motoren? Die nach Hamiltons Defekt in Malaysia für manchen sicherlich überraschende Antwort: Niemand! "Trotz des Motorschadens hat Lewis für die verbleibenden fünf Rennen die gleiche Power Unit-Situation wie Nico - inklusive gebrauchter Power Units, die er in den Freien Trainings einsetzen kann", versichert Technikdirektor Paddy Lowe.

Heißt konkret: Sowohl Rosberg als auch Hamilton haben je eine nahezu brandneue Power Unit, sowie einen mit drei Rennen Laufleistung auf der Kette, wie Toto Wolff ergänzt. Hintergrund dieser Patt-Situation ist, dass Mercedes in Belgien am Hamilton-Boliden gleich doppelt wechseln konnte, da Hamilton selbst bei nur einem Wechsel von ganz hinten ins Rennen gegangenen wäre und das Reglement in dieser Saison dies a) noch erlaubt und b) keine härtere Strafe als Startplatz 22 vorsieht.

Rosberg vs. Hamilton: Wer hat das Momentum?

Ganz klar: Nico Rosberg. Seit Anbeginn der Hybrid-Ära läuft das Duell zwischen Hamilton und Rosberg in Wellen. Mal reitet der eine die Erfolgswelle, dann der andere. Aktuell ist Rosberg oben auf, wie die Formtabelle seit der Sommerpause deutlich zeigt. Hamilton rangiert hier gar hinter Red Bulls Daniel Ricciardo. Somit bleibt die einzige Frage, ob und wenn ja wann, Rosbergs Welle noch einmal bricht.

Formtabelle nach der Sommerpause (Belgien - Malaysia)

PositionFahrerTeamPunkte
1.Nico RosbergMercedes90
2.Daniel RicciardoRed Bull71
3.Lewis HamiltonMercedes48
4.Kimi RäikkönenFerrari38
5.Sebastian VettelFerrari33

Rosberg vs. Hamilton: Wer war zuletzt der besser Saisonfinisher?

Lohnend, wer im Saisonfinish vielleicht einen Run hinlegen kann ist daher standesgemäß der Blick auf die Vorjahre. Zumal sich die Austragungsorte zum Großteil decken. Hier der Blick auf die Ergebnisse der noch ausstehenden Grands Prix in den beiden WM-Duellen der Vorjahre:

Rosberg vs. Hamilton: Wem liegt welche Strecke besser?

Interessant auch der langfristige Trend. Wem liegt welche Strecke insgesamt besser? Ganz kurz: Hamilton hat gleich zu Beginn in Suzuka und Austin offenbar gute Karten, Rosberg fühlt sich eher in Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi wohl. Wie schon gesagt: Eng gehts zu.
Siege Poles Punkte
Rosberg HamiltonRosberg HamiltonRosberg Hamilton
Suzuka 0 220 4182
Austin 0 320 3887
Mexiko City 1 010 2518
Sao Paulo 2 021 7962
Abu Dhabi* 1 222 6092

*doppelte Punkte aus 2014 hier nur einfach gewertet

Rosberg vs. Hamilton: Wie hat Lewis schon aufgeholt?

Zuletzt noch ein Blick auf Hamiltons vielleicht größtes Problem angesichts dieser Ausgeglichenheit: Sein Rückstand von 23 Punkten. Viel, ja. Aber nicht unmenschlich viel. Zumindest nicht, wenn man Lewis Hamilton heißt. Bereits mehrfach drehte der Weltmeister den Spieß gegen Rosberg herum.

So verwandelte Hamilton früher in diesem Jahr 43 Punkte Rückstand nach dem fünften Saisonrennen in 19 Punkte Vorsprung - in nur sieben Läufen.

2014 kam Hamilton gleich zwei Mal zurück. So drehte er nach Ausfall beim Saisonauftakt in Australien den 25-Punkte-Rückstand auf Melbourne-Triumphator Rosberg durch vier Siege am Stück in einen knappen Vorsprung.

Der Deutsche konterte jedoch in der Saisonmitte, doch wieder holte Hamilton auf - fast 29 Punkte dieses Mal.

Nach dem Mercedes-Crash in Belgien wuchs der Rückstand erneut auf knapp 30 Zähler. Doch Hamilton drehte den Spieß ein drittes Mal, wurde mit 67 Punkten Vorsprung Weltmeister. Der Sieg beim Finale in Abu Dhabi wurde ihm dabei allerdings doppelt berechnet, während Rosberg von dieser merkwürdigen Regel wegen eines technisch bedingten Ausfalls nicht profitierte.

Apropos Defekt und Ausfall - wer hatte in den drei Hybrid-Jahren bisland eigentlich die meisten Plagen? Hier die Übersicht:

Defekte bei Mercedes 2014 (mit Auswirkung aufs Rennen)

GPLewis HamiltonNico Rosberg
AUS 2014 Fehlzündungen auf P1, Ausfall
KAN 2014 Bremsdefekt auf P2, Ausfall Bremsdefekt auf P1, Ziel P2
GBR 2014 Getriebeschaden auf P1, Ausfall
DEU 2014 Bremsdefekt im Quali, Start aus Boxengasse
HUN 2014 Benzinleck im Quali, Start aus der Boxengasse
SIN 2014 Elektronikdefekt beim Vorstart, Ausfall
ABU 2014 Hybridsystem-Defekt auf P2, Ziel P14

Defekte bei Mercedes 2015 (mit Auswirkung aufs Rennen)

GPLewis HamiltonNico Rosberg
BAH 2015 Bremsdefekt auf P2, Ziel P3
SIN 2015 Leistungsverlust auf P4, Ausfall
RUS 2015 Gaspedal-Defekt auf P1, Ausfall

Defekte bei Mercedes 2016 (mit Auswirkung aufs Rennen)

GPLewis HamiltonNico Rosberg
CHN 2016 ERS-Defekt im Quali, letzter Startplatz
RUS 2016 ERS-Defekt im Quali, 10. Startplatz
MON 2016 Benzinzufuhr-Defekt im Quali, 3. Startplatz
AUT 2016 Aufhängungsdefekt im Training, Strafversetzung +5
GBR 2016 Getriebedefekt auf P2, Ziel P3
BEL 2016 Motorwechsel vor Quali, vorletzter Startplatz
MAL 2016 Motorschaden auf P1, Ausfall