Die Formel 1 reist für den 17. Lauf der Saison 2016 zu einem echten Rennstrecken-Klassiker: Als zweites Rennen im Oktober steht der Grand Prix von Japan. Der Kampf um die Weltmeisterschaft findet nach Hamiltons Motorschaden in Sepang unter neuen Vorzeichen statt. Kann der Weltmeister zurückschlagen, oder hat Rosberg nach Suzuka schon eine Hand am Titel? Ferrari steht im Kampf gegen Red Bull ebenfalls mit dem Rücken zur Wand und muss um jeden Preis zurückschlagen. Hinzu kommt das im Land der aufgehenden Sonne unberechenbare Wetter. Das sind die fünf Brennpunkte für den Großen Preis von Japan.

Brennpunkt #01: Hamilton am Boden

Lewis Hamilton erlebte in Malaysia einen herben Rückschlag, Foto: Sutton
Lewis Hamilton erlebte in Malaysia einen herben Rückschlag, Foto: Sutton

Lewis Hamiltons mentale Verfassung musste mit dem Motorschaden in Sepang einen weiteren Tiefschlag in der Saison 2016 verkraften. Nach der Defekt-Serie zu Jahresbeginn hatte der Weltmeister in Barcelona und Baku bereits Nerven gezeigt - bevor er seine beeindruckende Aufholjagd hinlegte. Angesichts des beschwerlichen Saisonbeginns betonte Hamilton immer wieder, dass er auch angesichts seiner in Budapest gewonnen WM-Führung dem Schicksal nicht über den Weg traut. Vor allem die Angst vor dem zu dieser Zeit über ihm schwebenden Motorenwechsel hemmte Hamiltons Zuversicht für den Titelkampf.

In Belgien konnte Hamilton sich dieser Sorge entledigen und kam sogar ohne sonderlich großen Punkteverlust davon. Von da an, sollte man meinen, hätte er eigentlich frei aufspielen können. Doch beim darauffolgenden Rennen in Monza verlor Hamilton nach einem dominanten Wochenende den fast sichergeglaubten Sieg, bevor er in Singapur komplett von der Rolle war und vom Teamkollegen entzaubert wurde. In Malaysia schlug der Brite wie in Italien mit einer unantastbaren Pace zurück, nur um den sicheren Sieg durch einen technischen Defekt zu verlieren. "Ich fühle auch mit Lewis, da ich mich schon selbst in dieser Situation befunden habe. Es ist Mist, wenn man so viele Punkte auf diese Weise verliert", äußerst Rosberg sein Mitgefühl.

Aus Hamiltons einstigem 19-Punkte Vorsprung ist wieder ein Rückstand von 23 Zählern geworden. Das Nervenkostüm des Briten wird in dieser Saison bis zum Äußersten strapaziert. Doch von der Verzweiflung unmittelbar nach der Malaysia-Niederlage ist bei Hamilton mittlerweile nicht mehr viel zu hören: "Dies ist nicht mein absoluter Tiefpunkt. Da gab es ganz sicher andere. Ich werde meine innere Stärke nutzen, um an den nächsten fünf Rennwochenenden zurückzuschlagen." Hamilton ist ein weiteres Mal in dieser Saison angezählt. Schafft er es erneut zurück in den Kampf?

Brennpunkt #02: Bringt der Defektteufel die WM-Entscheidung?

Auch Nico Rosberg musste dieses Jahr schon Rückschläge hinnehmen, Foto: Sutton
Auch Nico Rosberg musste dieses Jahr schon Rückschläge hinnehmen, Foto: Sutton

Der WM-Kampf zwischen Hamilton und Rosberg ist 2016 enger denn je. Mindestens genau so häufig wie das Ego der Fahrer, hat Mercedes diese Saison allerdings die Technik einen Strich durch die Rechnung gemacht. Immer wieder werden die Silberpfeile von technischen Problemen aufgehalten oder ganz lahmgelegt. Auf beiden Seiten der Garage haben diese Zuverlässigkeitsprobleme bereits Punkte und Nerven gekostet.

In den Fan-Lägern der beiden Kontrahenten macht sich bei jedem Defekt neuer Unmut breit. Hamiltons Kommentare nach dem Rennen in Sepang heizten diesen zunehmend an. Die Führungsetage von Mercedes erteilt diesen Theorien allerdings seit jeher eine Absage, wie auch Teamchef Toto Wolff vor dem Japan-GP erneut klarstellt: "Es gibt keine rationalen Erklärungen oder Muster bei diesen Defekten. Wenn es diese gäbe, würden wir es beheben."

Bei noch fünf zu fahrenden Rennen kann unter den Hauben der launischen Silberpfeil-Boliden noch viel passieren. Der Unterschied zum Saisonbeginn ist jedoch, dass jeder weitere Defekt die Vorentscheidung bringen kann - vor allem für Hamiltons Titelambitionen. Der WM-Kampf im Jahr 2016 könnte von der Technik entschieden werden. Vielleicht schon in Suzuka.

Brennpunkt #03: Ferraris Kampf um Anstand und Ehre

Ferrari ist in Malaysia noch weiter hinter Red Bull zurückgefallen, Foto: Sutton
Ferrari ist in Malaysia noch weiter hinter Red Bull zurückgefallen, Foto: Sutton

Ferraris WM-Ambitionen liegen seit Monaten in Scherben. Mit dem Eingeständnis des Versagens wurde von Präsident Sergio Marchionne für die zweite Saisonhälfte die Anweisung ausgegeben, das Jahr mit "Ehre und Anstand" zu beenden. Das bedeutete nichts anderes, als dass die Mannschaft zum Saisonende nicht noch schlechter dastehen sollte, als sie es zur Sommerpause tat. Tatsächlich hat die Abwärtsspirale bei der Scuderia immer noch kein Ende gefunden. Fünf Rennen vor Schluss beträgt der Rückstand auf Red Bull in der Konstrukteurs-WM 46 Punkte. Und nach Sebastian Vettels Abschussmanöver gegen Nico Rosberg in Malaysia verschärfte sich vor allem in der italienischen Presse der Ton zunehmend.

Einen großen Unterschied macht dies jedoch nicht: Die von Marchionne angedrohten Konsequenzen schweben schon seit längerer Zeit über der Ferrari-Belegschaft: "Jeder, der keine Leistung bringt, sollte das Team verlassen." In Suzuka konnte Ferrari letztes Jahr die Plätze drei und vier einfahren, während Red Bull außerhalb der Top-10 leer ausging. Diese Saison erlebt die Formel 1 jedoch nicht nur ein anderes Ferrari, sondern auch ein anderes Red Bull. Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene kann dem Gegner außer Durchhalteparolen momentan nichts mehr entgegensetzen: " Wir sind hier, um zu kämpfen. Das ist unser Job."

Brennpunkt #04: Heimspiel für McLaren Honda

Auf Fernando Alonso und Jenson Button wartet in Japan eines der wichtigsten Rennen der Saison, Foto: Sutton
Auf Fernando Alonso und Jenson Button wartet in Japan eines der wichtigsten Rennen der Saison, Foto: Sutton

Für die McLaren-Mannschaft rund um Fernando Alonso und Jenson Button steht in Suzuka das wohl wichtigste Rennen des Jahres an. Auf der hauseigenen Rennstrecke von Motorenlieferant Honda muss das Team vor den Augen tausender japanischer Fans einfach glänzen - vor allem nach der starken Vorstellung in Sepang. "Wir haben aus unserem Paket in den vergangenen Rennen das Maximum herausgeholt und es wäre fantastisch, wenn beim zweiten Heimrennen des Teams wieder in den Punkten zu landen", so Alonso, der beim letzten Rennen Massa vom zehnten Platz in der Gesamtwertung verdrängen konnte.

Während der Spanier in Malaysia ein Motor-Upgrade bekam und damit für Suzuka optimal gerüstet sein sollte, wird Teamkollege Button auch in Japan noch nicht auf die Entwicklungsstufe zurückgreifen dürfen - beim Heimrennen wird sich das Team auf keinen Fall freiwillig eine Strafversetzung aufhalsen. Der Brite freut sich trotzdem auf seinen vorerst letzten Auftritt im Land der aufgehenden Sonne: "Die Japaner sind sehr leidenschaftliche Motorsport-Fans. Es ist einfach pur, denn sie lieben Racing. Ich liebe das an den Fans dort."

Letzte Saison erlebten die einheimischen Fans jedoch eine Enttäuschung. Im Rennen landeten beide McLaren mit einer Runde Rückstand weit außerhalb der Punkte. Honda-Motorenchef Yusuke Hasegawa möchte dieses Jahr einen besseren Eindruck hinterlassen: "Ich hoffe, dass wir eine Rennen haben werden, auf das wir und auch unsere Fans stolz sein können." Konkret bedeutet das, sich wieder als vierte Kraft zu präsentieren. "Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um das Auto gut abzustimmen und in Reichweite der drei Top-Teams zu landen", fügt Hasegawa an.

Brennpunkt #05: Das Wetter

Das Wetter kann in Suzuka das Rennen zur Lotterie machen, Foto: Sutton
Das Wetter kann in Suzuka das Rennen zur Lotterie machen, Foto: Sutton

Suzuka ist im Formel-1-Zirkus nicht nur für das einzigarte und außerordentlich herausfordernde Streckenlayout bekannt, sondern auch für die immer wieder dort aufkommenden Wetterkapriolen. Durch die Lage nahe der Pazifikküste ist das Wetter in Suzuka stets unberechenbar. Auf der Naturrennstrecke, die auf Wunsch von Honda gebaut und 1962 eröffnet wurde, hat dieser Umstand in der Vergangenheit immer wieder einen hohen Tribut von den Fahrern gezollt

Kleinste Fehler enden in Suzuka an vielen Stellen noch im Kiesbett, was häufig Safety-Car-Phasen nach sich zieht, die den Rennverlauf entscheidend beeinflussen können. Die Wahrscheinlichkeit einer Safety-Car-Phase liegt in Suzuka bei 60 % - und das, obwohl die Formel 1 dort schon seit 1987 gastiert und das Safety Car erst 1994 in der Königsklasse Einzug hielt. Unvergessen natürlich das Schicksal von Jules Bianchi, der unter genau diesen Umständen beim Rennen im Jahr 2014 tödlich verunglückte. Auch dieses Jahr werden viele im Paddock in Suzuka mit ihren Gedanken bei dem verstorbenen Franzosen sein.