Keine Überraschung beim Blick auf die Qualifying-Ergebnisse zum Malaysia GP: Lewis Hamilton auf Pole, Nico Rosberg dahinter. Ein recht ereignisarmes Rennen an der Spitze steht uns bevor, könnte man nach der bisherigen Hamilton-Dominanz meinen. Doch Rosberg und Red Bull - vielleicht sogar Ferrari - können noch ein Wörtchen mitreden.

Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle geschrieben, dass der Singapur GP entweder ein langweiliger Alleingang wird oder ein richtiger Kracher. Die meisten hielten uns wegen der zweiten Möglichkeit für verrückt. Die Meinung ist vertretbar, trotzdem trat der zweite Fall ein. Mercedes, Red Bull und Ferrari hatten die Pace für den Sieg.

Zunächst einmal das Mercedes-Duell isoliert: Hamilton in allen Sessions bis auf FP1 mit der Bestzeit. Im Qualifying ließ er Rosberg überhaupt keine Chance. "Die Pace bei den Longruns war gar nicht so unterschiedlich", schränkt Mercedes Motorsportchef Toto Wolff aber ein. So will es Rosberg aber gar nicht sehen. "Ich war auch im Qualifying dran", relativiert er.

Rosberg angriffslustig: Kann überholen

Nur auf den Soft-Reifen fuhren Hamilton und Rosberg Longruns. Medium und Hard teilten sich die Mercedes-Piloten auf. 1:40,764 zu 1:40.834 Minuten für Rosberg endete der Vergleich. Doch die Frage ist, was es bring, im Longrun schneller zu sein. Ist Überholen überhaupt möglich?

Ja, sagt Nico Rosberg. "Das Qualifying ist nicht mehr ganz so wichtig - besonders auf einer Strecke wie dieser, auf der man überholen kann." Speziell dank des Umbaus der letzten Haarnadelkurve, glaubt der Deutsche. Weil jetzt mehrere Linien möglich sind, kann man nah am vorherfahrenden Auto bleiben, ohne direkt in verwirbelte Luft zu kommen. Hamilton hält nicht viel von dieser Theorie: "Du fährst nicht ganz innen, weil dort niemand fährt und demnach kein Gummi liegt."

Die größte Chance, darin sind sich Rosberg und Hamilton einig, ist der Start. "Ich habe schon in Monza das ganze Wochenende dominiert", weiß der Brite. Rosberg sah kein Land gegen den Weltmeister, gewann aber trotzdem - weil Hamilton den Start verbockte.

Rosberg verlor in Ungarn und Deutschland Platz eins am Start, Foto: Sutton
Rosberg verlor in Ungarn und Deutschland Platz eins am Start, Foto: Sutton

Auch Rosberg hatte schon Probleme am Start. In Hockenheim und am Hungaroring hatte er ähnliche Probleme wie Hamilton in Monza und konnte seine Pole nicht nutzen. Das Problem ist, dass die Mercedes-Kupplung zu extrem auf minimale Schwankungen reagiert. Das macht es für die Fahrer schwierig. In Malaysia kommt noch immer die gleiche Kupplung zum Einsatz wie zu Saisonbeginn. "In Singapur hatten wir aber beide gute Starts - wir verbessern uns allmählich", glaubt und hofft Hamilton.

Und so kann die nicht-silberne Konkurrenz schon am Start gefährlich werden. Allerdings startet ausgerechnet Max Verstappen auf Platz drei, der in den vergangenen drei Rennen jeweils Katastrophen-Starts erlebte. Meist soll allerdings die Technik allein dafür verantwortlich gewesen sein.

Nach dem Singapur GP ist der Malaysia GP übrigens das zweite Rennen in Folge, das Mercedes im vergangenen Jahr nicht gewinnen konnte. In Singapur hatte Mercedes die Probleme des Vorjahres größtenteils abgestellt. In Sepang waren die Probleme gar nicht erst so groß. "Wir sind aber stärker als im vergangenen Jahr", glaubt Wolff. "Ich bin skeptisch und zuversichtlich, dass wir morgen gewinnen können. Es wird auf jeden Fall kein einfacher Sieg."

Verstappen-Longruns am schnellsten

Die Longruns von Red Bull, insbesondere die von Max Verstappen, waren am Freitag extrem stark. Auf Soft und Medium war Verstappen deutlich schneller als Rosberg. Allerdings war der Unterschied auf Teamkollege Daniel Ricciardo zu groß, um von gleichen Bedingungen auszugehen. Verstappen war wohl etwas leichter unterwegs.

Longruns vom Freitag

Fahrer Stint-Länge Reifen-Alter Schnitt
Soft
Verstappen 10 15 1:40.498
Rosberg 11 18 1:40.764
Hamilton 11 17 1:40.834
Vettel 11 20 1:40.894
Ricciardo 8 15 1:41.223
Medium
Verstappen 7 14 1:39.773
Rosberg 10 17 1:40.449
Ricciardo 7 14 1:40.749
Vettel 10 17 1:40.754
Hard
Hamilton 9 18 1:40.217
Räikkönen 12 15 1:40.235

Trotzdem ist mit Red Bull im Rennen zu rechnen. An den größeren Abstand im Qualifying hat man sich inzwischen fast gewöhnt. Im Quali-Modus scheint der Leistungsunterschied beim Motor noch größer zu sein. "Wenn sie morgen wieder runterdrehen müssen, könnte unsere Rennpace mit Mercedes mithalten", glaubt Daniel Ricciardo, der hinter seinem Teamkollegen auf Platz vier startet.

In der Tat hat Red Bull einmal mehr extrem im Power-Sektor verloren. Im ersten Sektor verlor Verstappen nur wenig, im zweiten Sektor gar nicht auf Hamilton. Die lange Gegengerade und das Beschleunigen auf Start und Ziel haben drei Zehntel gekostet. Mit anderen Motormodi sieht die Welt hier ganz anders aus.

Ricciardo in Q3 auf Medium schnell genug

Und dann könnte Red Bull bei Ricciardo noch einen Joker ausspielen: Der Australier ist der einzige unter den ersten Zehn, der noch einen frischen Satz Soft zur Verfügung hat. Er qualifizierte sich auf den Medium-Reifen für Q2. Verstappen und die beiden Ferrari-Piloten versuchten das ebenfalls, waren aber nicht schnell genug und mussten noch auf den Soft-Reifen rausgehen.

Pirellis Empfehlungen:

  • Hard: maximal 28 Runden
  • Medium: maximal 23 Runden
  • Soft: maximal 17 Runden

Mercedes hat hingegen einen Satz Medium übrig. Glaubt man Pirelli, kommt der Medium Reifen aber gar nicht zum Einsatz. Schuld daran ist Pirelli selbst: Der Reifenhersteller schreibt in Malaysia vor, dass der härteste Reifen im Rennen mindestens einmal eingesetzt werden muss. Bei einer Zwei-Stopp-Strategie kann man theoretisch zweimal Soft und einmal Medium fahren. Normalerweise wählt dann niemand Soft, Medium und Hard.

Bei einer möglichen Dreistopp-Strategie ist es noch extremer: Weil die harten Reifen zum Einsatz kommen müssen, können die drei Stints davor locker auf Soft absolviert werden. Die Italiener rechnen vor, dass eine Zweistopp-Strategie mit Soft - Medium - Hard die langsamste Variante ist.

Eine große Variable ist allerdings die Asphalt-Temperatur. Im Qualifying wurden knapp 20 Grad weniger gemessen als noch während des 2. Freien Trainings. "Ein paar Wolken können schon großen Einfluss auf die Streckentemperatur haben. Das macht den Unterschied, welche Mischung besser funktioniert", weiß Sebastian Vettel. Toto Wolff beruhigt: "Die unterschiedlichen Strategien unterscheiden sich über die Renndistanz nur um eine Sekunde."

Pirellis Strategie-Vorhersage

  • Schnellste: 3 Stopps mit Soft (14 Runden) - Soft (16 Runden) - Soft (16 Runden) - Hard (10 Runden)
  • 2. Schnellste: : 2 Stopps mit Soft (14 Runden) - Soft (16 Runden) - Hard (26 Runden)
  • Langsamste: 2 Stopps mit Soft (14 Runden) - Medium (23 Runden) - Hard (19 Runden)

Bleibt noch Ferrari. Vettel und Räikkönen zeigten am Freitag ebenfalls gute Longruns. "Mercedes ist aber der Favorit, die Lücke ist zu groß. Sie haben eine halbe Sekunde Vorsprung auf alle anderen", wiegelt Vettel ab. "Wenn sie das Rennen verlieren, wäre das eine große Sache."

Heißt aber nicht, dass Vettel schon aufgegeben hat. "Man weiß nie: Mit einem guten Start und einer guten ersten Runde können viele Dinge passieren." 2015 gab es eine frühe Safety-Car-Phase, beide Mercedes-Piloten kamen zum Reifenwechsel, Vettel blieb draußen und hielt Hamilton und Rosberg das gesamte Rennen lang hinter sich.

Fazit: Auch Sepang ist nicht Mercedes' Lieblingsstrecke. Das zeigte sich schon darin, dass Rosberg große Mühe hatte, überhaupt auf Platz zwei zu kommen. Aber Malaysia ist noch kein Singapur für die Silberpfeile, der Vorsprung auf die Konkurrenz ist zu groß, als dass Red Bull oder Ferrari aus eigener Kraft angreifen könnten. Dazu bräuchte es einen verrückten Start, das Safety-Car oder den berühmten malaysischen Monsun-Regen - oder gleich alle drei zusammen.