Wie sehr hat es dich genervt, herumzureisen und statt Auto zu fahren, nur herumzusitzen und unsere dummen Fragen zu beantworten?
Stoffel Vandoorne: Die Frage hätte ich erraten können. Das ist die Frage, die mir fast jede Woche gestellt wird. Klar, als Fahrer willst du immer in einem Auto sitzen - das ist normal. Aber ich wusste seit Jahresbeginn, dass ich in dieser Situation sein würde. Zum Glück habe ich mit der Super Formula in Japan auch ein Rennprogramm, das parallel zu meiner Reserverolle bei McLaren läuft. Es ist also nicht so, dass ich dieses Jahr nichts tue. Ich bin immer noch fleißig, bleibe fit, fahre ein paar Rennen und halte mich damit in Form. Klar, es bedeutet viel Reiserei - und auch viel Medienarbeit. Aber ich denke, das ist ein Teil des Lernprozesses. Ich wusste es seit Beginn des Jahres, und dann stellst du dich darauf ein und bereitest dich darauf vor. Dass ich jetzt einen Rennvertrag erhalten habe, versüßt mir das Ganze einfach nur.

Wir haben mit Wehrlein, Ocon und Palmer dieses Saison drei Rookies in der Formel 1. Keiner von ihnen hat in den Nachwuchsklassen das gezeigt, was du gezeigt hast. Okay, Palmer hat zwar die GP2 gewonnen, aber das war in seinem vierten Jahr - also nicht so, wie es bei dir war. Wie denkst du darüber, dass die drei früher in der Formel 1 waren als du?
Stoffel Vandoorne: Ich kann gegen diese Leute nichts haben. Ich sollte mich auch nicht mit ihnen vergleichen. Manche Leute kommen schneller in die Formel 1, als andere. Im Extremfall haben wir Leute wie Max, die sehr schnell dort ankommen. Und auf der anderen Seite, wenn ich nächstes Jahr in der Formel 1 fahre, bin ich vielleicht das andere Extrembeispiel, das sehr lange dafür gebraucht hat.

Vandoorne: Mein Alter ist kein Nachteil

Du sprichst von den jungen Fahrern. Sainz war bei Toro Rosso mit 20 Jahren schon alt, als Max kam. Denkst du, dass es für dich ein Vorteil sein kann, mit mehr Erfahrung als sie in die Formel 1 zu kommen?
Stoffel Vandoorne: Das ist schwierig zu sagen. Es ist wahr, dass ich schon viele Rennen in unterschiedlichen Serien gefahren bin. Ich bin auf allen Levels unterhalb der Formel 1 angetreten und habe dort Rennen und Meisterschaften gewonnen. Ich habe viel in der Formel 1 getestet und schon einen Grand Prix gefahren. Okay, ich bin etwas älter als sie. Aber ich sehe es nicht als ein Defizit für mich. Ich werde mindestens so bereit sein wie sie, wenn ich nächstes Jahr ins Auto steige.

Denkst du, dass Motorsport eine faire Welt ist?
Stoffel Vandoorne: Wie meinst du das?

Beim Fußball gibt es elf Spieler und wenn du gut bist, stellt dich der Trainer auf. Aber als Rennfahrer ist es so viel schwieriger. Es scheint so, als ob Motorsport nicht fair wäre.
Stoffel Vandoorne: Ich würde das nicht so sehen. Die Formel 1 war immer schon ein harter Wettbewerb und ich denke, der Sport war immer schon so. Es gibt viele Talente, die es geschafft haben und auf der andern Seite genauso viele, die manchmal niemals in der Formel 1 angekommen sind. Ich denke, das wird in der Zukunft leider auch immer der Fall sein.

Jetzt haben wir genug über die Nebenschauplätze der Formel 1 gesprochen. Was denkst du darüber, was auf der Strecke passiert? Momentan gibt es viele Diskussionen darüber, ob man eine knallharte Einstellung haben muss um erfolgreich zu sein oder ob man auch Erfolg haben kann, wenn man nett ist. Was denkst du darüber?
Stoffel Vandoorne: Ich weiß nicht. Ich denke, wenn du bist wer du bist und so bleibst, wie du dich am wohlsten fühlst, ist das der beste Weg, um erfolgreich zu sein. Ich bin auf meine Art und Weise in unterschiedlichen Serien erfolgreich gewesen. Ich denke nicht, dass ich an meiner Mentalität etwas ändern sollte, wenn ich in der Formel 1 ankomme.

Meine Mentalität? Fokussiert!

Und wie ist deine Mentalität?
Stoffel Vandoorne: Ich bin sehr fokussiert. Ich denke, das muss man sein. Du musst auch sehr fordernd gegenüber dem Team sein. Du musst zeigen, dass du das Team nach vorne pushen willst und musst viel Zeit mit der Mannschaft verbringen. Klar, du musst auch das Talent haben. Viele Fahrer haben definitiv das Talent, um Rennen zu gewinnen. Aber heutzutage kann jeder ein Formel-1-Auto einigermaßen schnell fahren. Es geht mehr darum, wie man das ganze Drumherum managt.

Gibt es in der Formel 1 jemanden, den du bewunderst?
Stoffel: Im Moment eigentlich nicht, nein.

Und aus der Vergangenheit? Ein Kindheits-Idol?
Stoffel Vandoorne: Ich mag Ayrton Senna. Jetzt bei McLaren zu sein ist ziemlich schön, da Ayrton mit diesem Team sehr erfolgreich war. Es ist sehr schön für mich, etwas von dieser Geschichte zu sehen. Jedes Mal, wenn ich zu McLaren komme und die schönen alten Autos auf dem Boulevard sehe, ist das sehr schön. Ich hatte auch die Möglichkeit, ein paar seiner Autos in Goodwood zu fahren. Das ist immer ein sehr besonderer Moment, wenn man die Chance bekommt, eines dieser Autos zu fahren.

Warum Ayrton?
Stoffel Vandoorne: Ich denke, er hat sich definitiv von den anderen Fahrern unterschieden. Er hatte eine sehr starke Einstellung gegenüber dem Sport und darüber, wie sich die Dinge in der Zukunft entwickeln sollten.

Die Sache mit Formel 1 und Idolen: Ich glaube, die meisten Fahrer hier haben irgendein Idol, ob es jetzt Ayrton oder Michael ist. Denkst du, dass der Sport diese Helden braucht?
Stoffel Vandoorne: Ich denke, der Sport war immer schon so. Aber es ist anders, wenn du selbst drinsteckst und die ganzen Leute hier kennst. Ich denke, die Kids heutzutage schauen zu Lewis, Fernando und Jenson auf. Ich denke, die sind jetzt ihre Helden. Ich denke, es ist immer noch so wie damals.

Kein Geld für professionellen Motorsport

Warum ist Formel 1 dein ultimatives Ziel? Geht es darum, dass du in der Königsklasse antreten willst? Oder geht es darum, dass die Formel-1-Fahrer so viel Aufmerksamkeit bekommen, ist es der Heldenstatus oder ist es Geld? Was ist es?
Stoffel Vandoorne: Ich habe mit sechs Jahren mit dem Kartsport angefangen. Am Anfang bist du ein Fan von der Formel 1. Wenn du ein Kind bist, schaust du zu dem Motorsport auf und es ist das, was du tun willst - zumindest war es bei mir so. Für mich ging es immer ums Fahren. Ich habe in meiner Kindheit einige andere Sportarten gemacht. Ich habe Fußball gespielt und auch sonst jeden anderen Sport, den man sich vorstellen kann. Es gab für mich keinen anderen Sport, außer den Go-Karts, den ich weitermachen wollte. Dieser Sport hatte für mich die größte Anziehungskraft. Was ich heute sehr genieße, ist der Wettbewerb zwischen den Fahrern. Das Fahren ist immer noch das, was wir lieben - natürlich. Jeder liebt es, ein Auto schnell um eine Strecke zu bewegen. Aber konkurrenzfähig zu sein, und in der Lage zu sein an der Spitze zu kämpfen und der Beste zu sein, ist das, was mich heute an diesem Sport reizt.

Dazu könntest du aber auch WEC oder DTM fahren. Warum Formel 1?
Stoffel Vandoorne: Weil es die Formel 1 ist. Die Formel 1 wird immer die Formel 1 sein. Es ist die Königsklasse des Motorsports. Es sind die besten Fahrer und ich will mich mit den Besten messen.

Wir haben mit Verstappen, Magnussen, Palmer und Sainz vier Fahrer mit einem familiären Motorsport-Background in der Formel 1. Wie schwierig war es für dich, ohne diesen Background ein professioneller Rennfahrer zu werden?
Stoffel Vandoorne: Es ist wahr, dass meine Familie mit Motorsport gar nichts zu tun hatte, bevor ich mit dem Kartfahren angefangen habe. Ich denke, dass es definitiv hilfreich ist, wenn du einen Vater oder einen Familienangehörigen hast, der im Motorsport aktiv war. Sie haben all die Erfahrungen gemacht und sie wissen, was du tun sollst und was du nicht tun sollst. Es ist so wahrscheinlich etwas einfacher, einem jungen Fahrer den Weg zu bereiten. Aber letztendlich zeigt es, dass es möglich ist, in die Formel 1 zu kommen, wenn du talentiert bist. Es gibt unterschiedliche Wege, um dort hinzukommen. Bis ich angekommen bin, war es einer der längeren Wege. Aber an einem Punkt hatte ich nicht einmal mehr das Budget, um weiterzumachen. Da hing ich eine Weile mit Kartsport fest. Sobald ich es in den Formelsport geschafft hatte, ging alles ziemlich schnell vorwärts.

Das Geld ist wahrscheinlich das größte Problem für einen jungen Fahrer. Wie hast du es geschafft, das Budget zusammenzubekommen? Wir werden im Motorsport über so viel Geld.
Stoffel Vandoorne: Ich war nie dazu in der Lage, mir die Karriere vom Geld meiner Familie finanzieren zu lassen. Ich hatte Glück, dass mein Vater von Berufswegen her gute Kontakte hatte. Ein paar seiner Freunde haben uns geholfen, auf einem hohen Level Kartsport zu betreiben. Von da an hat mich die belgische Föderation gefördert. Sie haben nach jungen belgischen Talenten gesucht, die sie auf ihrem Weg an die Spitze unterstützen können. Ich hatte etwas Glück, die Unterstützung des RACB (Royal Automobile Club Belgium) zu Beginn meiner Karriere zu haben. Natürlich musste ich mich immer noch jedes Jahr beweisen, um auch die Unterstützung zu behalten. Und da hat dann irgendwann McLaren übernommen.

Womit ist das McLaren-Programm vergleichbar? Ist es ähnlich wie bei Red Bull oder wie bei Mercedes?
Stoffel Vandoorne: Ich kann es mit den anderen nicht vergleichen, da ich kein Teil davon war. Aber bis jetzt waren sie sehr gut zu mir. Ohne sie wäre ich nach der Formel Renault World Series wohl nicht in der Lage gewesen, meine Karriere fortzuführen. Sie waren eine große Hilfe. Ich habe sehr viel Zeit in der Fabrik und im Simulator beim Team verbracht, und mit den Ingenieuren und mit der Medienarbeit. Sie versuchen wirklich, mich so gut wie möglich auf die Formel 1 vorzubereiten.

Managen sie dich momentan auch?
Stoffel Vandoorne: Nein, sie managen mich nicht. Ich bin Teil ihres Programmes und ich hoffe, dass wir in der Zukunft einfach zusammenarbeiten können.

Macht es dich stolzer, es ohne großen Nachnamen in die Formel 1 geschafft zu haben?
Stoffel Vandoorne: Ich denke, es ist auf jeden Fall eine nette Geschichte, die beiden Extreme in der Formel 1 zu haben. Auch für den Sport ist es eine schöne Geschichte, denke ich.