Vier von zehn Reifen-Testfahrten für 2017 hat Pirelli mit Red Bull, Mercedes und Ferrari bereits hinter sich gebracht. Am Dienstag geht es weiter, Mercedes testet in Paul Ricard zwei Tage lang Regenreifen. Pirelli ist mit den bisherigen Testfahrten allerdings nicht besonders zufrieden. Das Problem: Die Autos sind zu langsam.

Mercedes hat den Unterboden dezent abgedichtet, Foto: Mercedes
Mercedes hat den Unterboden dezent abgedichtet, Foto: Mercedes

Deshalb schlägt der italienische Reifenausrüstung nun Alarm. Die drei Teams haben das das möglichste getan, ihre 2015er Boliden schneller zu machen, allerdings fehlen den Autos noch immer rund 20 Prozent Abtrieb auf die für 2017 erwarteten Werte.

Eigentlich wäre es für die Teams kein großes Problem, ihre Autos so umzurüsten, dass ausreichend Abtrieb dabei generiert wird. Allerdings müssen sich Ferrari, Mercedes und Red Bull an eine Technische Direktive halten. Die Direktive soll verhindern, dass die drei Teams bereits Daten und Erfahrungswerte für 2017 sammeln können.

Die Teams dürfen mit diesen Vorgaben nur bestimmte Änderungen an ihren Autos vornehmen. Ziel ist es, die Abtriebswerte von 2017 zu erreichen, allerdings auf andere Weise. Im kommenden Jahr wird nicht nur die Spur der Autos breiter, sondern auch das Bodywork. Statt 1,40 Meter sind dann 1,60 Meter erlaubt. Außerdem wird der Diffusor größer, der Heckflügel breiter und flacher.

Ferrari mit richtiger Schürze am Unterboden

Ferrari hat den 2015er Boliden unten abgedichtet, Foto: Ferrari
Ferrari hat den 2015er Boliden unten abgedichtet, Foto: Ferrari

Für die Reifentests durften die Teams am Frontflügel nur geringe Details ändern. Der größte Zugewinn an Abtrieb wird durch Schürzen erreicht, wie sie in den 70er und 80er Jahre in der Formel 1 zum Einsatz kamen. Mercedes und Red Bull versiegeln den Luftstrom am Unterboden mit einer dezenten Karbonleiste, Ferrari kam mit einer richtigen Schürze.

Auch am Heckflügel sind ein paar Änderungen zu erkennen, die zusätzlich Anpressdruck bringen. Ferrari hat das Hauptelement verbreitert, was an den gebogenen Endplatten gut zu erkennen ist. Mercedes hat unten einen Beamwing installiert. Außerdem haben die Teams mehr Freiheiten bei Bodenfreiheit und Gewichtverteilung.

Das Heckflügelhauptblatt wurde breiter, Foto: Ferrari
Das Heckflügelhauptblatt wurde breiter, Foto: Ferrari

Mit höheren Abtriebswerten steigt auch der Reifenverschleiß. Genau deshalb wollte Pirelli die modifizierten Autos. "Wir haben jetzt Zahlen, aber wir brauchen Autos mit noch mehr Downforce, um richtige Zahlen zu bekommen", mahnt Pirellis Mario Isola.

Ein Problem ist auch, dass die 2017er Werte nicht in Stein gemeißelt sind. Die Teams entwickeln gerade noch mit Hochdruck an den Boliden. Vor allem die Entwicklung während der Saison wird Pirelli vor Herausforderungen stellen. Das macht es für die Test-Teams noch schwieriger. "Wir haben nicht viel Zeit. Wir wissen, dass die Teams an den Autos arbeiten und sie wissen, dass sie schnell reagieren müssen. Sie geben ihr Bestes", ist Isola überzeugt.

Zeiten der Testfahrten will Pirelli nicht veröffentlichen, aber die Italiener gehen davon aus, dass die Autos rund fünf Sekunden schneller als die ursprünglichen 2015er Boliden und rund drei Sekunden als die aktuellen Formel-1-Autos sind. Aktuell verlieren die modifizierten Autos noch auf der Geraden viel Zeit, weil nur 2015er Power Units erlaubt sind und die aerodynamischen Anpassungen gemeinsam mit den breiteren Reifen den Luftwiderstand erhöhen.

Mercedes hat einen Beamwing installiert, Foto: Mercedes
Mercedes hat einen Beamwing installiert, Foto: Mercedes

Ein interessanter Aspekt ist die Reifenmischung. Weil die Auflagefläche deutlich größer wird, werden wahrscheinlich auch die Mischungen weicher. Die Beanspruchung pro Quadratzentimeter Lauffläche ist geringer, auch wenn die Belastungen insgesamt steigen. Aktuell sind auch mehr Mischungen für 2017 denkbar. Derzeit hat Pirelli Ultrasoft, Supersoft, Soft, Medium und Hard im Angebot. "Wir könnten die Mischungen dann einfach A, B, C, ... nennen", scherzte Isola.

Eine Entscheidung über die Anzahl der Mischungen steht noch aus. Allerdings muss Pirelli erst einmal die grobe Richtung der Reifen finden, ehe es an die verschiedenen Mischungen geht. "Bei den zwei letzten Tests mit Mercedes und Ferrari haben wir einige interessante und vielversprechende Dinge gesehen", sagt Isola.

Pirelli unter Zeitdruck: Nach dem Test ist vor der Produktion

Pirelli steht bei den Auswertungen unter Druck. Nicht nur, dass der Reifenhersteller ein genaues Test-Protokoll an alle Teams ausgeben muss, auch die internen Analysen müssen schnell gehen. Denn die neuen Prototypen können erst dann gefertigt werden, wenn es Ergebnisse des letzten Tests gibt. Die Teams erhalten übrigens nicht nur von Pirelli einen rund 70-seitigen Bericht, sondern auch vom testenden Team. In beiden Berichten kommt auch der Fahrer zu Wort.

Mercedes ließ beim ersten Test Pascal Wehrlein den modifizierten F1 W05 pilotieren. Red Bull schickte Sebastien Buemi nach Mugello. "Wahrscheinlich ist ihnen die Korrelation mit dem Simulator sehr wichtig", mutmaßt Pirelli. Ferrari ließ bislang Sebastian Vettel, Kimi Räikkönen und Esteban Gutierrez ans Steuer.

Pirellis Wunsch war es, möglichst viele Stammfahrer für die Tests zu gewinnen. Vor allem mit Vettel sind die Italiener zufrieden: "Er ist sehr interessiert an den Tests. Er ist interessiert daran, zu verstehen, was er testet. Er stellt viele Fragen. Manchmal muss man ihn stoppen und sagen: du musst uns etwas erzählen und keine Fragen stellen. Aber so ist seine Persönlichkeit. Er interessiert sich dafür, Dinge zu verstehen."

Ganz uneigennützig ist dieses Verhalten sicherlich nicht. Pirelli will wegen der großen Änderungen zur kommenden Saison das Fahrerfeedback voll in die Entwicklung miteinbeziehen. Die Fahrer versuchen so natürlich, die Richtung mitzubestimmen. "Zu 100 Prozent", ist sich Isola sicher. "Das kann ich unterschreiben. Wenn ein Fahrer eine spezielle Konstruktion mag - oder eine Mischung, sie wissen ja nicht, was sie testen -, dann pushen sie diesen Reifen. Sie wissen nicht, was wir wählen, aber sie pushen in ihren Kommentaren."

Das Testprogramm im Überblick

Datum Strecke Team Reifen Fahrer
01. - 02. August Fiorano Ferrari Regen Vettel/Gutierrez
03. - 04. August Mugello Red Bull Slicks Sebastien Buemi
06. - 07. September Barcelona Ferrari Slicks Räikkönen/Vettel
06. - 08. September Paul Ricard Mercedes Slicks Wehrlein
21. - 22. September Paul Ricard Mercedes Regen Wehrlein
12. - 13. Oktober Barcelona Mercedes Slicks TBC
14. - 16. Oktober Abu Dhabi Red Bull Slicks TBC
02. - 03. November Abu Dhabi Red Bull Regen TBC
14. - 16. November Abu Dhabi Ferrari Slicks TBC
29. November Abu Dhabi Red Bull, Ferrari, Mercedes Slicks TBC