Nico Rosberg hat zum ersten Mal den Singapur GP gewonnen. In seinem 200. Formel-1-Rennen setzte sich der Deutsche in einer spektakulären Strategie-Schlacht hauchdünn um 0,5 Sekunden vor Daniel Ricciardo im Red Bull durch und eroberte die WM-Führung von seinem Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton zurück.

"Wir haben uns wirklich in die Hose gemacht. Wir müssen den Hut ziehen vor Red Bull, die mit Ricciardo am Ende noch so ein Feuerwerk abgebrannt haben", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bei RTL. "Wir hatten einfach nichts mehr zu verlieren", entgegnet Wolffs Pendant bei Red Bull, Christian Horner, im Sky-Interview.

Der Weltmeister wurde nach einem cleveren Strategie-Trick der Silberpfeile gegen Ferrari schließlich Dritter vor Kimi Räikkönen. Für Rosberg war es der insgesamt 22. Sieg in der Formel 1. Zudem ist Rosberg der erste Nicht-Weltmeister, der den Großen Preis von Singapur gewinnt.

Das sagen Rosberg, Ricciardo & Hamilton zum Rennen

Nico Rosberg: "Es war ein hartes Wochenende für mich, aber ein super Wochenende. Gestern schon die Pole, dann ein super Start, ein super Rennen - das war fantastisch. Daniel hat versucht, mich zu überraschen. Wir wussten, dass es dann am Ende eng werden würde. Aber jetzt sind wir echt glücklich, dass es sich ausgegangen ist. Das Auto war komplett an der Grenze. Über die WM-Punkte will ich jetzt aber nicht reden. Ich bin einfach happy mit dem Sieg."

Daniel Ricciardo: "Wir sind echt nah herangekommen, da kannst du nicht enttäuscht sein. Wir haben einen guten Versuch unternommen, haben ihnen ein super Rennen geliefert und sind bis auf eine halbe Sekunde herangekommen. Es fühlt sich fantastisch an. Hier sind ja auch so viele australische Fans."

Lewis Hamilton: "Nico hat es echt verdient. Für mich war das ganze Wochenende schon etwas heikel, also großen Glückwunsch an Nico. Ich bin einfach froh, noch Punkte geholt zu haben und auf dem Podium zu stehen. Aber ich werde zurückkommen. Wegen der WM mache ich mir keine Sorgen. Der Kampf geht weiter."

Nico Rosberg hat in Singapur die WM-Führung zurückerobert, Foto: Sutton
Nico Rosberg hat in Singapur die WM-Führung zurückerobert, Foto: Sutton

Die Punkteränge: Hinter Räikkönen platzierte sich Aufholjäger Sebastian Vettel auf Rang fünf vor Max Verstappen und dem bärenstarken Fernando Alonso. Sergio Perez, Daniil Kvyat und Kevin Magnussen komplettierten die Top-10. Pascal Wehrlein wurde 16., Nico Hülkenberg schied bereits durch einen Crash am Start aus.

Der WM-Stand: Nico Rosberg eroberte durch seinen Sieg beim 200. GP die WM-Führung von Hamilton zurück und liegt mit 273 Punkten nun acht vor dem Briten. Dritter bleibt Ricciardo mit 179 Zählern vor Vettel (153) und Räikkönen (148).

Das Wetter: Schwül-warm - wie immer eben in Singapur. Beim Nachtrennen und regelmäßig längsten Grand Prix der Formel-1-Saison mussten sich die 22 Fahrer einmal mehr mit den anstrengendsten klimatischen Bedingungen des Jahres plagen. 30 Grad Celsius Luft- und 36 Streckentemperatur bei 68 Prozent Luftfeuchtigkeit und einer leichten Brise von Nord-West. Ende der vorherigen Nacht hatte es in der Stadt der Löwen jedoch heftig geregnet und den Asphalt etwas rutschiger gespült.

Der Start: Crash gleich am Start! Nico Hülkenberg kollidierte nach Raketenstart direkt mit Carlos Sainz und knallte links in die Mauer. Die Szene blieb ohne Strafe. Vorne patzte Max Verstappen mit den Supersofts total, fiel weit zurück (P8). Rosberg behauptete die Spitze vor Daniel Ricciardo, Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen und einem herausragend gestarteten Fernando Alonso. Doch sofort kam das Safety Car auf die Strecke. Valtteri Bottas indessen zog sich im Startgetümmel einen Plattfuß hinten zu.

Der fliegende Start: Schon nach einer Runde ging es weiter. Rosberg kontrollierte vorne gewohnt souverän, doch Hamilton positionierte sich dicht hinter Ricciardo. Nur knapp entfing der Australier einer Attacke des Weltmeisters.

Der Rennverlauf: Neben den beiden Red Bull starteten auch Felipe Nasr und Jolyon Palmer auf dem Supersoft, Sebastian Vettel von ganz hinten mit dem Soft. Den holte sich auch Bottas nach seinem Reifenschaden, genauso Ultrasoft-Starter Sergio Perez während der SC-Phase.

An der Spitze setzte sich Rosberg sofort leicht ab, Räikkönen machte Druck auf Hamilton, der von Ricciardo abreißen lassen musste (Runde 4). Dahinter bildete sich ein Alonso-Train. Ganz hinten begann Vettel sich durch das Feld zu arbeiten. Bereits in Runde 9 funkte Mercedes Rosberg, er möge bitte auf die Bremstemperatur achten. Es sei ernst. Die Bremsen hatten ihn im FP1 ja noch in einen Crash getrieben ... Bei Hamilton kam es zum identen Funkverkehr. Probleme, die die Konkurrenz ihren Fahrern natürlich sofort meldete, um sie zusätzlich zu motivieren.

Die Mercedes managten die Abstände jedoch weiter. Als erster von den Spitzenpiloten stoppte ausgerechnet Supersoft-Starter Verstappen (Runde 14), um dem Alonso-Train zu entgehen, fiel noch hinter Vettel zurück, der jetzt bereits Elfter war. Verstappen holte sich erneut einen Satz Supersofts. Einen Umlauf später stoppte jedoch auch Alonso für neue Supersofts - der Spanier blieb vor Verstappen.

Hamilton und Ricciardo waren als nächste dran. Auch Ricciardo holte Supersoft, Hamilton jedoch Soft. Der Weltmeister beklagte sich jedoch erst einmal lautstark, er brauche irgendeine andere Strategie, um Ricciardo zu schnappen. Eine Runde später kam auch Rosberg - jetzt ebenfalls auf Soft, aber ein schwacher Stopp. Als jetzt Führender beschloss schließlich Räikkönen den ersten Wechselreigen in Runde 18, Ferrari zog Supersoft auf. Mercedes also maximal konservativ, die Konkurrenz leicht aggressiver.

Spannendes Duell derweil etwas weiter hinten. Daniil Kvyat und Nemesis Verstappen gaben es sich über mehrere Kurven, nein Runden, heftig. Knallhartes Duell um P8, grandioses Racing! Das bessere Ende hatte der Russe für sich, der Angriff um Angriff abschmetterte. "C'mon", brüllte Verstappen in den Funk. An der Spitze derweil kaum Bewegung, einzig Räikkönen und Ricciardo schlossen dank der weicheren Reifen leicht auf die Mercedes auf.

Vettel - noch immer mit dem Soft-Startreifen unterwegs - lag auf P6 hinter Perez mit derselben Strategie. In Runde 25 dann der Wechsel - aggressiv: Ultrasoft-Zwischensprint! Perez wechselte eine Runde später, wählte aber Soft und fiel durch Vettels Undercut hinter den Deutschen.

Kollege Räikkönen robbte sich gleichzeitig ins DRS-Fenster von Hamilton. "Wir brauchen jetzt einen Plan, sonst verliere ich Platz drei", funkte Hamilton nervös und klagte erneut über die Bremsprobleme. Ein Angriff war für den Finnen dennoch nicht drin.

Erneut als Erster stoppte in der zweiten Welle Max Verstappen, holte abermals den Supersoft (Runde 28). Erneut kam der Teamkollege als Nächster. Ricciardo holte in Umlauf 33 frische Softs für den möglichen Schlussstint.

Dann doch das Manöver von Räikkönen! Der Finne saugte sich ran und trieb Hamilton in einen Verbremser, samt leichter Berührung. Kaum vorbei stoppte der Iceman, holte wie Ricciardo Soft. Vorne auch Rosberg an der Box - ebenfalls Soft. Hamilton kam im Umlauf danach, auch Soft, blieb hinter Räikkönen.

Zur Halbzeit jetzt also gleiche Waffen an der Spitze: Das Top-Quartett mit etwa gleich alten Softs und getrennt von jeweils rund fünf Sekunden.

Dann Mercedes' Anweisung an Hamilton, er müsse Räikkönen auf der Strecke attackieren. Prompt legte der Weltmeister mit einer schnellsten Rennrunden los. Auch Rosberg bekam von Mercedes Meldung über den Vorsprung auf Ricciardo. Das wollte er aber gar nicht hören. "Hört auf, mir das zu sagen", forderte der Deutsche Kimi-like.

Und Sebastian Vettel? Stoppte in Runde 44 ein letztes Mal, bekam erneut Ultrasoft, um den vor ihm liegenden Fünften Max Verstappen im Schlusssprint zu attackieren. Der musste aber ohnehin nochmal an die Box. Dann kam auch Hamilton überraschend zum Stopp. Wechsel auf Supersoft. Ferrari regierte ebenfalls mit einem Stopp: aber Ultrasoft! Doch Hamilton war erst einmal vorbei ...

Vorne versuchte unterdessen Red Bull den Poker Mercedes' zu kopieren, holte Riccairdo für einen frischen Supersoft an die Box. Doch Silber ließ sich nicht so leicht foppen wie Ferrari, Rosberg blieb draußen. Doch Ricciardo holte in Riesenschritten auf. Am Ende gingen dem Australier jedoch knapp Zeit und Gummi auf dem Reifen aus. Ähnlich knapp rettete sich Hamilton vor Räikkönen ins Ziel.

Für Nico Hülkenberg war schon nach einem Start-Crash Schluss, Foto: Sutton
Für Nico Hülkenberg war schon nach einem Start-Crash Schluss, Foto: Sutton

Die Zwischenfälle: Schock für Rosberg beim Re-Start: Ein Marshal befand sich in Kurve eins noch auf der Strecke, konnte sich gerade von rechtzeitig in die Auslaufzone retten. Wenig später sah Sainz wegen einer leichten Beschädigung am Toro Rosso infolge des Crashs mit Hülkenbergs die gelb-orangene Flagge, musste in Runde 8 zur Reparatur an die Box. Esteban Ocon kassierte eine 5-Sekunden-Strafe wegen Überholens hinter dem Safety Car.

In Runde 23 lag plötzlich ein Teil in Kurve 22, offenbar von Felipe Massa. Kurz gelb zum Aufräumen für einen mutigen Streckenposten.

Die Ausfälle: Bitter für Romain Grosjean. Sein Horror-Wochenende in Singapur mit mehreren Problemen und Crashes setzte sich am Sonntag nahtlos fort. Der Franzose konnte den GP wegen eines defekten Brake-by-wire-Systems nicht einmal in Angriff nehmen. Feierabend war nach der Startkollision natürlich auch für Hülkenberg. In Runde 37 musste Bottas als dritter Pilot das Rennen mit einem Defekt aufgeben. Acht Runden später war auch für Jenson Button Feierabend.

Die Analyse: Irre spannender Strategie-Poker in Singapur! Während Rosberg vorne mit Bremsproblemen das Geschehen vor Ricciardo gut kontrolliert, tut sich Hamilton mit dem selben Problem dahinter schwer gegen Räikkönen im Kampf um P3. Doch Ferrari fällt auf einen cleveren Strategie-Schachzug Mercedes' rein. Red Bull versucht genau das gegen Rosberg zu kopieren. Aber Mercedes lässt sich nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen.

Die Top-Facts des Rennens

  • Rosberg mit 22. Sieg im 200. GP
  • Erster Sieg eines Nicht-Champions in Singapur
  • Ricciardo wird nach irrer Aufholjagd Zweiter
  • Hamilton ringt Räikkönen mit Strategie-Coup nieder: P3
  • Vettel-Aufholjagd endet auf P5: Driver of the day!
  • Starkes Racing von Verstappen/Kvyat!
  • Überhitzende Bremsen machen Mercedes zu schaffen
  • Nico Hülkenberg crasht am Start
  • Horror-Wochenende für Grosjean geht weiter: kein Start