Es ist eine tragische Geschichte, die des Daniil Kvyat. Als vielversprechender Rookie begann der Russe seine F1-Karriere 2014 bei der Erfolgsschmiede Toro Rosso. Nach solider Leistung dann der große Sprung. Red Bull erkannte das Talent Kvyats und beförderte ihn zum Stammfahrer neben Daniel Ricciardo.

Das Vertrauen in den Youngster hat sich ausgezahlt. Kvyat beendete die Saison vor seinem Teamkollegen. Wohlgemerkt, der Australier schlug einst Sebastian Vettel im Teamduell. 2016 dann die große Überraschung. Nach gerade einmal vier Saisonrennen wurde Kvyat degradiert, zurück zu Toro Rosso. Und dort scheint der Russe wie ausgetauscht, scheint, keinen Fuß vor den anderen zu bekommen. Ist das Material Schuld an der Misere, hat Kvyat abgebaut oder hat ihn die Degradierung zu Red Bulls kleiner Schwester gar gebrochen?

Kvyats folgenschwerer Crash mit Vettel, Foto: Twitter/@F1
Kvyats folgenschwerer Crash mit Vettel, Foto: Twitter/@F1

Just nach besagtem Rennen nahm Kvyats Boss Dr. Helmut Marko in einem Interview mit Motorsport-Magazin.com seinen Schützling zunächst in Schutz. Auf die Vettel-Berührung angesprochen, sagte Marko: "Das war das Heimrennen, das Publikum. Er war völlig übermotiviert." Vettel sei zurecht verärgert gewesen und versprach, sich Kvyat vorzuknüpfen, ein ernstes Wörtchen mit ihm zu sprechen. Dass es im Rauswurf gipfeln würde, war ein dickes Ding.

Kvyats ehemaliger Teamchef Christian Horner gab sich nach der Trennung diplomatisch. "Wir sind in einer einzigartigen Situation, dass wir alle vier Fahrer bei Red Bull und Toro Rosso langjährig unter Vertrag haben. Deshalb haben wir die Flexibilität, sie zwischen zwei Teams zu tauschen", sagte der Brite. Doch ein weiterer Tausch ist zumindest 2016 nicht denkbar. Während Verstappen bei Red Bull einen Freifahrtschein für wilde, spontane und hochgefährliche Aktionen wie zuletzt in Spa, geht Kvyats Chance auf ein Cockpit gegen Null.

Der STR11 auf dem absteigenden Ast

Toro Rossos große Schwester Red Bull stand vergangene Saison lange ohne einen Motorenpartner für 2016 da. Dies wirkte sich auch negativ auf Toro Rossos Zukunft aus. Während Red Bull auf den letzten Drücker wieder zu Renault-Motoren mit TAG Heuer-Branding zurückruderte, musste man sich bei dem Team aus Faenza mit einem faulen Kompromiss zufrieden stellen. Toro Rosso nimmt die aktuelle Saison mit dem Ferrari-Triebwerk aus dem Jahr 2015 in Angriff. Theoretisch eine feine Sache, aber in der Praxis eine bittere Pille für das Team von Franz Tost. Denn die Power Unit aus dem Hause Ferrari wird in der aktuellen Saison nicht weiterentwickelt. Während also vermeintliche Hinterbänkler-Teams wie Manor Racing mit den neuesten Ausbaustufen ihrer Motorenpartner versorgt werden, tritt Toro Rosso auf der Stelle. Carlos Sainz und Daniil Kvyat sind die Hände gebunden.

Der Vorgänger des STR11 war in Kombination mit den erfolgshungrigen Rookies Sainz und Max Verstappen konkurrenzfähiger. Beide fahren sammelten fleißig Punkte und hätten beinahe Lotus vom Konstrukteursrang sechs gestoßen. 2016 hingegen begann vielversprechend. In den ersten elf Rennen hatte Toro Rosso gerade einmal zwei Nuller zu verbuchen. Doch seit drei Rennen ist Flaute. Seit dem Großen Preis von Deutschland haben weder Sainz noch sein neuer Teamkollege Kvyat Zählbares vorzuweisen, während die direkte Konkurrenz davonzieht.

Kvyat: Vetrauen in Toro Rosso und in sich selbst

Kvyats Schicksalsrennen war ausgerechnet sein Heim Grand Prix in Russland. In der hektischen Startphase in Sochi schob Kvyat den Ferrari-Piloten Sebastian Vettel gleich zweimal an. Der Deutsche schied dabei aus dem Rennen und stürmte anschließend zum Red Bull-Kommandostand und sprach mit Christian Horner ein ernstes Wörtchen. Kurze Zeit später verkündete Red Bull die Beförderung des Jungspundes Verstappen und tauschte mit Kvyat das Cockpit. Zu dem Zeitpunkt fuhr der Russe bereits 21 Punkte für seinen Arbeitgeber ein, holte gar einen Podestplatz beim Großen Preis von China zwei Wochen zuvor.

Die Boulevardmedien unterboten sich daraufhin mit niveaulosen Titulierungen für den Russen und er rückte unfreiwillig ins Kreuzfeuer. Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt und trotz Punkteflaute sieht sich Kvyat auf einem guten Weg. "Wenn ich ins Auto steige, weiß ich, was ich mache", sagte er am Rande des Italien GP gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Wir waren zuletzt nicht so im Rampenlicht und konnten an unterschiedlichen Dingen arbeiten. Ich hoffe, dass sich das auf Strecken auszahlt, die uns besser liegen."

2015 wurde Kvyat in Singapur Sechster, Foto: Sutton
2015 wurde Kvyat in Singapur Sechster, Foto: Sutton

Hoffnung Übersee-Rennen?

Eines jener Rennen, die dem STR11 wesentlich besser liegen sollten als zuletzt Spa und Monza - beides Parade-Powerstrecken - ist das bevorstehende in Singapur. Jene Strecken mit vielen langsamen Kurven liegen Toro Rosso traditionell. Trotz aller positiver Vorzeichen ist Kvyat vorsichtig optimistisch und legt vollstes Vertrauen in die Ingenieure. "Carlos und ich geben dem Team sehr viel Feedback. Unsere Aussagen decken sich dabei weitestgehend. Wir haben dem Team dadurch eine gewisse Richtung vorgegeben", sagte der Russe. "Was letztlich am Auto passiert, liegt aber in den Händen der Ingenieure."

Dennoch ist die Entwicklung bei Toro Rosso eher rückläufig. "In Kurven sind wir üblicherweise etwas konkurrenzfähiger, weil unser Chassis gut war. Aber auch hier hatten wir etwas an Boden verloren. Das bereitete uns Sorgen. Ich habe aber vollstes Vertrauen in unsere Ingenieure", so Kvyat. Die Powerstrecken sind 2016 allesamt abgefahren. Auf dem restlichen Programm stehen Kurse, die mit mittlerem bis hohem Abtrieb gefahren werden. Sollte Toro Rosso die größten Baustellen des STR11 abgeschlossen haben, sind Punkte durchaus möglich. Und Kvyat wird nach der Schelte und dem Auf und Ab 2016 am meisten darauf brennen, eine starke Leistung abzurufen.