Die Formel 1 erlebt aktuell einen Max Verstappen-Hype. Was halten Sie von ihm?
Hans-Joachim Stuck: Er war in letzter Zeit ja vor allem für das Manöver in Spa in der Kritik. Ich habe das Rennen nicht gesehen und kann mich daher zu seiner Aktion nicht wirklich äußern. Ich finde, dass er ein Zugewinn für die Formel 1 ist. Solche Leute brauchen wir, genau wie Lewis Hamilton. Das sind Typen, die sich nicht clean waschen lassen, sondern ihren Weg gehen.

Aber riskiert er nicht hin und wieder zu viel?
Hans-Joachim Stuck: Er wird irgendwann vermutlich furchtbar auf die Schnauze fallen, das ist bei den meisten jungen Fahrern so. Glücklicherweise hat er eine Zeit erwischt, die so hohe Sicherheitsstandards bietet, das in den meisten Fällen nichts Schlimmes passiert. Das hat nicht zuletzt der Unfall von Kevin Magnussen in Eau Rouge gezeigt, den er unbeschadet überstanden hat. Ich finde auf jeden Fall gut, was Verstappen macht, denn er gibt ordentlich Gas. Auf der anderen Seite zeigt sich damit, dass der Anspruch in der Formel 1 vielleicht nicht mehr so hoch wie früher ist, wenn ein so junger Fahrer bereits einen Grand Prix gewinnen kann. Ich möchte ihm auf keinen Fall etwas absprechen, denn Gewinnen muss er eben trotzdem. Aber ob Formel-1-Fahren noch so schwierig wie früher ist, weiß ich nicht.

Könnte es vielleicht sogar sein, dass dieser frühe Sieg seiner Entwicklung geschadet hat?
Hans-Joachim Stuck: Nein, auf keinen Fall!

Ich spiele damit darauf an, dass ihm von vielen Seiten ein gewisser Höhenflug unterstellt wird und er teilweise in Fahrerbesprechungen angeblich die Hinweise seiner Fahrerkollegen komplett ignoriert...
Hans-Joachim Stuck: Ich finde, genau solche Leute brauchen wir und ich stehe da voll dahinter. Das war auch immer mein Naturell - wenn ich auch leider nie einen Grand Prix gewonnen habe. Aber das finde ich absolut gut.

Also sind Sie der Meinung, dass die Kritik an seiner Person unberechtigt ist?
Hans-Joachim Stuck: Er macht sicher nicht alles richtig. Aber was ich bezüglich der Aktion in Spa gehört und gelesen habe - wie gesagt, ich habe es nicht gesehen -, war sie sicher grenzwertig, oder zumindest neu in der Formel 1. Andererseits halte ich es mit Charlie Whiting. Wenn er im Rennen nicht eingreift, kann es nicht so schlimm gewesen sein. Die Frage ist, ob sich die anderen Fahrer nicht einfach über ihn ärgern.

Viele ziehen nun den Vergleich zum jungen Michael Schumacher. Trauen Sie Verstappen eine ähnliche Karriere in der Formel 1 zu?
Hans-Joachim Stuck: Eine solche Karriere hängt immer auch vom Glück ab. Die Fahrer müssen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, im richtigen Auto sitzen, ein paar Rennen gewinnen und - in Anführungszeichen - auch überleben. Es ist natürlich viel Eigeninitiative gefragt, aber auch eine große Portion Glück. Das Zeug dazu hat er mit Sicherheit.

Im richtigen Auto sitzen ist das Stichwort. 2017 stehen die großen technischen Änderungen an. Glauben Sie, dass Mercedes weiterhin so dominant an der Spitze sein wird?
Hans-Joachim Stuck: Das ist die große Frage. Mich wundert bei diesem Thema, dass Ferrari - eigentlich eine Weltmacht in der Formel 1 - immer noch nicht auf Augenhöhe mit Mercedes ist. Das verstehe ich nicht, denn blöd sind sie ja auch nicht. Sie haben mit Sebastian Vettel einen Top-Mann, haben alle finanziellen Möglichkeiten und trotzdem schaffen sie es nicht. Mercedes macht einen brillanten Job, keine Frage. Aber es müsste gelingen, mehrere Autos nach vorne zu bringen. Das wäre gut für die Spannung. Gleichzeitig haben wir in der Vergangenheit Jahre gehabt, in denen Schumacher alleine vorne weggefahren ist und das hat sich dann auch wieder erledigt.

Foto: Sutton
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Trauen Sie Nico Rosberg in diesem Jahr den Titel zu, oder ist Lewis Hamilton erneut nicht zu schlagen?
Hans-Joachim Stuck: Ich hoffe, dass Nico in diesem Jahr gewinnt. Der wird das schon machen, denn Lewis steht unter Druck. Er ist nicht mehr ganz so locker. Er ist für mich momentan einer der besten, wenn nicht der beste Formel-1-Fahrer. Aber es gibt einen guten Spruch, der sich auch in diesem Jahr bei den 24h von Le Mans bewahrheitet hat: To finish first, you have to finish first. Wenn nochmals solche unglücklichen Dinge wie sein Motorwechsel in Spa passieren, für die er absolut nichts kann, aber von ganz hinten starten muss ... wir müssen abwarten.

Sehen Sie den Druck wirklich bei Hamilton? Eigentlich muss er doch nichts mehr beweisen - im Gegensatz zu Rosberg?
Hans-Joachim Stuck: Er muss seine Position verteidigen. Das ist manchmal schwieriger, als aufzuholen. Es ist immer besser der Fuchs als der Haase zu sein.