Lewis Hamilton ist der Mann der Stunde in der Formel 1. Fünf Siege aus den letzten sechs Rennen, WM-Führung von Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg erobert. Aber: Der Weltmeister ist arg bedroht! Hamilton drohen Strafen in den kommenden Rennen, und zwar von zwei Seiten. Auf der einen die drohende Motoren-Strafe, auf der anderen ist er bei Verwarnungen ganz vorne dabei. Zwei hat er schon, eine dritte würde eine 10-Platz-Strafe bedeuten.

Erste Auswirkungen waren bereits in den Trainings zum Deutschland Grand Prix zu erkennen. In Kurve 1 wurde Hamilton vom Team zurückgepfiffen - zu oft hatte er die Strecken-Limits überschritten. "Nachmittags herrschte etwas Aufregung, weil die Rennleitung Bedenken wegen der Streckenlimits in Kurve 1 hatte", erklärte Technikchef Lewis Hamilton. "Besonders mit Blick auf Lewis, der bereits zwei Verwarnungen hat. Deshalb haben wir unser Programm ein wenig umgestellt um sicherzugehen, dass er eine dritte vermied."

Ob sich diese Maßnahme in den Rundenzeiten widerspiegelte? Hamilton war Rosberg in beiden Trainings deutlich unterlegen. Drei Zehntel fehlten ihm im 1. Training, nachmittags brummte ihm Rosberg gar vier Zehntelsekunden auf. Der wollte sich von Hamiltons Performance aber gar nicht erst einlullen lassen. "Er hat heute nicht alles gezeigt", war Rosberg überzeugt. "Ich nehme seine Zeiten nicht allzu ernst. Das wird ein enger Kampf, wenn er anfängt, Gas zu geben."

Rosbergs Bestzeiten beim Heimrennen waren ein Auftakt, der Mut macht. Mit einem Sieg am Sonntag könnte er das Ruder gerade rechtzeitig zur Sommerpause herumreißen. Auch Rosberg weiß: Hamilton wird die Saison nicht ohne Strafen überstehen. Vermutlich kassiert er die erste Motorenstrafe gleich beim nächsten Rennen in Spa-Francorchamps. Hamilton zahlt nun für die Probleme aus den ersten Rennen - ein wichtiger Trumpf für Rosberg im engen WM-Kampf.

Gelingt Hamilton in Hockenheim der 6. Sieg im 7. Rennen in Folge?, Foto: Sutton
Gelingt Hamilton in Hockenheim der 6. Sieg im 7. Rennen in Folge?, Foto: Sutton

1. Bedrohung - Die Motoren-Strafen

Hamilton befindet sich bei zwei Komponenten am Limit: Dem Turbo und der MGU-H. Jeweils fünf Einheiten hat er in dieser Saison bereits nutzen müssen. Kommt eine sechste hinzu, kassiert er laut Reglement eine Strafversetzung um 10 Plätze in der Startaufstellung. Wechselt Mercedes an einem Wochenende gleich zwei Komponenten, gibt es 15 Plätze. Spa und Monza bieten sich für einen Wechsel an, auf diesen Strecken kann Hamilton mit seinem überstarken Mercedes die meisten Positionen gutmachen.

Bislang eingesetzte Power Unit-Komponenten

FahrerVerbrennungsmotorTurboMGU-HMGU-KEnergiespeicherKontrollelektronik
Lewis Hamilton355333
Nico Rosberg333222

"Ich fühle mich immer noch als Jäger", sagte Hamilton in Hockenheim. "Ich habe weniger Motoren, deshalb muss ich einen steilen Hügel hinauf. Ich bin zwar vorne, aber auch nicht wirklich. Ich muss irgendwo von hinten starten - in mindestens einem Rennen. Also liege ich tatsächlich immer noch hinten. Aber es ist eng." Rosberg muss sich hingegen weniger Sorgen machen. Von keiner Motoren-Komponente hat er mehr als drei Einheiten benutzt. Nur ein Motorschaden würde ihn in eine ähnliche Lage versetzen wie Hamilton.

Möglich wäre sogar, dass Mercedes bei Hamilton in Belgien gleich zwei komplett neue Motoren bringt. Der Trick: Motoren-Strafen gelten nur für das jeweilige Rennwochenende, Strafplätze werden nicht mit in den nächsten Grand Prix genommen. So würde Hamilton in Spa zwar bis zu 40 Strafplätze bekommen, hätte für den Rest der Saison aber zwei frische Motoren parat. "Wir befinden uns in einer Situation, in der wir einen zusätzlichen Motor zur Verfügung stellen müssen", sagte Motorsportchef Toto Wolff. "Wir werden das Beste für Lewis tun, damit er so konkurrenzfähig wie möglich bleibt."

Dabei musste Hamilton seit Rosbergs Siegesserie zum Saisonbeginn ohnehin einen riesigen Rückstand aufholen. Es ist ihm gelungen, zur Verwunderung einiger Experten, die den dreifachen Weltmeister bereits abgeschrieben hatten. "Nico fährt so gut wie schon das ganze Jahr lang", sagte Hamilton. "Es liegt nur daran, dass ich in den letzten sechs Rennen keinerlei Probleme mit dem Auto hatte. Ich fahre genauso wie zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr, nur hatte ich damals keine Getriebe- oder Motorprobleme."

Hamilton muss sich in Hockenheim vor den Track Limits in Acht nehmen, Foto: Sutton
Hamilton muss sich in Hockenheim vor den Track Limits in Acht nehmen, Foto: Sutton

2. Bedrohung - Die Verwarnungen

Abseits der Strecke gibt Hamilton gerne mal den Bad Boy - auf der Strecke könnte er wohl gut darauf verzichten. Zwei Verwarnungen hat er in der laufenden Saison bereits kassiert. Beim nächsten Vergehen - vielleicht schon in Hockenheim, Track Limits sei Dank - droht die unerfreuliche Strafversetzung. Im 1. Training wurde das Limit in Kurve ganze 93 Mal überschritten. Anschließend informierte Charlie Whiting die Teams darüber, dass ab dem 2. Training eine Vorladung bei der Rennleitung droht, sollte ein Fahrer absichtlich mehr als dreimal die Kerbs komplett überfahren.

Übersicht der Verwarnungen 2016

FahrerAnzahl Verwarnungen
Lewis Hamilton2
Carlos Sainz2
Valtteri Bottas1
Max Verstappen1
Romain Grosjean1
Nico Rosberg1
Pascal Wehrlein1
Marcus Ericsson1

Seine ersten beiden Verwarnungen kassierte Hamilton nach durchaus kuriosen Aktionen, die ihn teuer zu stehen kommen könnten. Die erste gab es in Bahrain, als er nach dem Qualifying am vorgegebenen Parkplatz vorbeifuhr und selbstständig zurücksetzte. Das ist in der Boxengasse allerdings verboten. Nummer zwei folgte in Russland, nachdem er im Qualifying nach einem Ausritt auf die falsche Weise auf die Strecke zurückgekehrt war. "Beide Strafen waren lächerlich", fand Hamilton.

Auch hier genießt Rosberg einen Vorteil. Der WM-Zweite fing sich 2016 erst eine Verwarnung ein. Diese kassierte er nach dem Österreich Grand Prix, weil er mit einem defekten Auto das Rennen fortgesetzt hatte. Der Schaden entstand aus der viel diskutierten Kollision in der letzten Runde mit seinem Teamkollegen. Kaum denkbar, dass Rosberg in den verbleibenden Rennen noch zwei weitere Verwarnungen kassiert.

Trotz all der Bedrohungen wollte sich Hamilton nicht unterkriegen lassen. Ihm sei es sowieso egal, wie der Punktestand nach dem Hockenheim-Rennen aussieht. Wichtig sei nur, nicht mit 43 Punkten Rückstand - so viel hatte er schon einmal - in die Sommerpause zu gehen. "Seit sechs Rennen schwimme ich auf einer Welle", sagte er. "Wenn das Wochenende hier vorbei ist, wird die Welle in einem der nächsten beiden Rennen nicht so spektakulär. Ich bekomme ja eine Strafe. Ich warte einfach auf die nächste Welle, die wird schon kommen."