Dominanter als zuvor erwartet fuhr Mercedes in Ungarn zu einem quasi nie gefährdeten Doppelsieg. Lewis Hamilton schwang sich durch seinen fünften Sieg auf dem Hungaroring nicht nur zum alleinigen Rekordsieger auf, sondern übernahm zum ersten Mal in dieser Saison auch die WM-Führung. Nico Rosberg dagegen verlor das Rennen bereits in Kurve eins. Zwar verlor der Deutsche nie den Anschluss an seinen Teamkollegen, doch zu einer Attacke geschweige denn einem Überholmanöver reichte es nicht.

Ausgerechnet am Start, der in diesem Jahr bislang zu den großen Stärken von Rosberg gehörte, schaufelte sich der 31-Jährige sein eigenes Grab. Zwar kam er nicht schlecht weg, doch in Kurve eins sah er sich einer doppelten Bedrohung ausgesetzt. Innen kam Hamilton, außen herum ging Daniel Ricciardo vorbei. Kurzzeitig lag Rosberg nur auf Rang drei. Zumindest den Red-Bull-Piloten konnte er in Kurve 2 außenherum wieder passieren. Hamilton aber war weg. "Für mich sah es so aus, als wäre Lewis neben mir. Deshalb konnte ich die Tür nicht zumachen", erklärt Rosberg sein zaghaftes Blocken in Kurve 1. Er weiß: "Ich habe den Sieg in der ersten Kurve verloren."

Nach dem Start kam Rosberg nicht mehr in Schlagdistanz zu Hamilton, Foto: Sutton
Nach dem Start kam Rosberg nicht mehr in Schlagdistanz zu Hamilton, Foto: Sutton

Hamilton übervorsichtig mit den Reifen

Im weiteren Rennverlauf ein eher ungewöhnliches Bild. Hamilton schaffte es nicht, eine große Lücke nach hinten aufzumachen. Rosberg blieb in Schlagdistanz, auch die Konkurrenz war nicht weit weg. Besonders im zweiten Stint fuhr Hamilton in einem Maße konservativ, dass Mercedes sich gar genötigt sah, ihm ein wenig Dampf zu machen. "Wir haben ihnen das gesamte Wochenende über gesagt, dass sie sehr vorsichtig mit den Reifen sein sollen. Wir waren nicht sicher, ob es ein Zwei- oder Drei-Stopp-Rennen wird. Und wenn du dann hörst, dass die Reifen vielleicht nicht halten, willst du sie am Leben halten", erklärt Toto Wolff das Vorgehen seines Schützlings.

Da Red Bull aber noch vage Hoffnungen auf den Rennsieg hatte, versuchte das Team beim Drittplatzierten Daniel Ricciardo einen Undercut. In diesem Moment schrillten am Mercedes-Kommandostand die Alarmglocken. "An einem gewissen Punkt mussten wir ihm sagen, dass wir in ein Problem geraten. Als Fahrer darf man manchmal nicht vergessen, dass man im Auto sitzt und nicht mitbekommt, was um ihn herum passiert. Da muss er sich auf den Kommandostand verlassen", stellt Wolff klar. Über Funk gab es die klare Aufforderung, die Pace anzuheben, weil sonst Nico Rosberg zuerst zu seinem Stopp hereingeholt worden wäre. Eine Nachricht, die Hamilton verstand.

"Zu diesem Zeitpunkt haben wir ihm eine klare Mitteilung gemacht: Wenn er die Pace nicht anhebt, tauschen wir die Autos wie in Monaco, oder wir holen Nico halt früher rein. Und ich glaube, diese Nachricht war es, die er gebraucht hat, um zu verstehen, dass er die Pace anheben muss", beschreibt Wolff die Situation. Auf einmal legte Hamilton an der Spitze eine Sekunde pro Runde drauf. Red Bull musste anerkennen, dass es mit dem Sieg nicht mehr klappt. Dass es aber tatsächlich zu einem Platztausch gekommen wäre, glaubt Nico Rosberg nicht. "Nein, denn in Monaco ging es darum, dem Team die Chance zu geben, das Rennen zu gewinnen. Hier hätten wir so und so gewonnen", glaubt er nicht, dass Red Bull eine wirkliche Gefahr war.

Nico Rosberg übte das gesamte Rennen über Druck auf Lewis Hamilton aus, Foto: Sutton
Nico Rosberg übte das gesamte Rennen über Druck auf Lewis Hamilton aus, Foto: Sutton

Vielmehr konzentrierte sich Rosberg darauf, den Spitzenreiter unter Druck zu setze. "Ich wusste, dass es strategiemäßig keine Möglichkeiten gibt. Ich musste Druck machen, damit er vielleicht seine Reifen ruiniert. Durch den Verkehr habe ich auch versucht, Druck zu machen", so Rosberg auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Hamilton machte nicht mehr als nötig

Doch Hamilton wiegelt ab: "Es gab nie einen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, ich könnte das Rennen verlieren." Vielmehr habe er das Geschehen kontrolliert. "Das ist ein Rennen, in dem du keine Lücke von vier oder fünf Sekunden brauchst. Ich tue, was ich tun muss, selbst wenn wir mit einem Zehntel Vorsprung gewinnen. Ich habe diese Lücke mit knapp zwei Sekunden gehalten. Wenn ich Zeit benötigt habe, habe ich den Motor aufgedreht, wie ich ihn wollte, und bin die Zeit ehrausgefahren", so ein vor Selbstvertrauen strotzender Weltmeister.

Infolge zweier Situationen musste Hamilton diese Tempoerhöhung vollziehen. Nach einem Verbremser in Kurve zwölf sowie nach einem beinahe folgenschweren Überrundungsmanöver gegen Esteban Gutierrez. Der Mexikaner ließ den Briten lange nicht vorbei, Nico Rosberg war bereits in Schlagdistanz, als der Haas-Pilot beide vorbei ließ. "Ich habe so viel Zeit hinter ihm verloren, und gleichzeitig kam Nico immer näher - das war wirklich sehr hart", erklärte Hamilton.

Rosberg verliert WM-Führung

Am Ende konnte Rosberg aber keinen Angriff mehr starten. Seine erneute Niederlage gegen den härtesten Konkurrenten muss er nun nach exakt der Hälfte der Saison mit dem Verlust der WM-Führung bezahlen. Seit dem Spanien GP hat Rosberg in sechs Rennen 43 Punkte verloren. Doch er gibt sich gelassen. "Wie ich es die ganze Zeit gesagt habe: Ich zähle keine Punkte. Ich habe die ganze Zeit erwartet, dass er zurückkommt und habe nie gedacht, dass ich jetzt immer 43 Punkte vorne bleibe", betont er. "Es ist ein harter Kampf gegen Lewis, er ist der Weltmeister. Ich fokussiere mich auf die Rennen und ich wollte hier in Ungarn gewinnen. Deshalb bin ich enttäuscht, nicht weil ich Punkte verloren habe."

Toto Wolff sieht die WM-Situation derzeit ebenfalls gelassen. "Ich denke, dass die WM-Führung zur Saisonhalbzeit nicht wichtig ist. Wir müssen jedes Wochenende so gut wie möglich bestreiten und so viele Punkte wie möglich holen. Am Ende kann man dann zusammenzählen", meint der Österreicher. Selbst Lewis Hamilton fühlt sich noch gar nicht als WM-Leader. "Momentan fühle ich nichts Besonderes. In den nächsten Tagen ist es vielleicht anders, momentan aber bin ich in derselben mentalen Verfassung, als ob ich immer noch Jäger wäre. Ich bin sehr froh, nachdem es zu Saisonbeginn die Probleme gab", schildert er seine Gefühlswelt.

Preisfrage: Wann kommt die Motorenstrafe?

Ein Damoklesschwert schwebt aber weiterhin über Hamiltons Haupt - die unvermeidbare Motorenstrafe. In einem der kommenden Rennen wird Mercedes die sechsten Komponenten der Power Unit in dieser Saison bei Hamilton einbauen, um sicherzugehen, dass es eine Strecke trifft, auf der eine Aufholjagd im Rennen möglich ist. "Wir wollen so lange wie möglich warten, bis klar ist, mit wie vielen Komponenten man bis zum Ende kommt. Und dann wählen wir eine Strecke, wo die Strafe für ihn nicht so folgenschwer ist, wie auf einer anderen. Diese Entscheidung haben wir noch nicht getroffen. Da müssen wir bis nach Hockenheim warten und dann sehen wir weiter", erklärt Toto Wolff.

Hamilton dagegen hofft, dass ihn die Strafe in der WM nicht wieder zurückwirft. "In einem der nächsten Rennen muss ich meine Strafe ziehen. Und ich hoffe nicht, dass ich dann wieder an einen Punkt komme, an dem ich 25 Punkte Rückstand oder so etwas habe", blickt er voraus.