Gelbe Flaggen sind ein schwieriges Thema, doppelt Gelb ist ein noch schwierigeres Thema. Im Qualifying zum Ungarn GP fuhr Nico Rosberg seine Pole-Runde, obwohl in Kurve acht doppelt Gelb geschwenkt wurde. Eine Strafe bekam Rosberg dafür nicht, er darf seine Pole behalten, obwohl die Konkurrenz teilweise tobte.

"Da kann sich Christian Horner auf den Kopf stellen, Regeln sind Regeln", wiegelt Mercedes Motorsportchef Toto Wolff ab. Aber sind sie das wirklich?

Kurzer Hintergrund: Eine Strecke ist für die Rennleitung in mehr als die drei Zeitnahmesektoren eingeteilt. Alle 200 Meter liegen Induktionsschleifen im Boden, die Daten sammeln. Dazu gibt es sogenannte Marshal Posts. Auf dem Hungaroring gibt es davon 26 Stück. An diesen Positionen, wie der Name schon sagt, stehen Marshalls, die Flaggensignale geben. Außerdem gibt es 19 Leucht-Tafeln, die in Budapest den Streckenzustand anzeigen.

Nico Rosberg fuhr zwar im Mittelsektor, in dem sich Fernando Alonso gedreht hatte, die Bestzeit, war aber im besagten 200-Meter Abschnitt langsamer. Deshalb, so Mercedes, war alles regelkonform.

Nico Rosberg musste zu den Stewards, Foto: Motorsport-Magazin.com
Nico Rosberg musste zu den Stewards, Foto: Motorsport-Magazin.com

Rosberg verlangsamte - aber genug?

Alonso drehte sich in Kurve neun, vor Kurve acht wurden die gelben Flaggen geschwenkt. Als Rosberg in Kurve acht reinfuhr, war doppelt Gelb. Der nächste Marshal Post ist am Ausgang von Kurve acht. Hier wurden keine Flaggen mehr geschwenkt, die Leucht-Anzeige war grün - Alonso war bereits weg. Also musste Rosberg nur in Kurve acht vom Gas. Im Gegensatz zu einigen anderen Piloten, die früher an die Stelle kamen und stärker verlangsamen mussten, weil Alonso noch mitten auf der Strecke stand.

0,12 Sekunden verlor Rosberg durch das Lupfen. 30 Meter lang trat Rosberg das Gaspedal nicht wie gewöhnlich. Auf den Onboard-Aufnahmen ist das Lupfen mit gutem Willen schon zu erkennen, aber die Frage lautet: Wie stark muss man bei doppelt Gelb lupfen?

Der Internationale Sporting Code sagt, dass bei Gelb langsamer gefahren werden muss. Bei doppelt Gelb muss signifikant verlangsamt werden, der Fahrer muss jederzeit zum Anhalten bereit sein. Und genau diese schwammige Formulierung ist das Problem. Regeln sind eben nicht Regeln, wie Toto Wolff sagte.

Das Gelb- und doppelt Gelb-Problem ist keineswegs neu. Jules Bianchi kostete es das Leben. Beim Suzuka GP 2014 reduzierte er seine Geschwindigkeit nicht ausreichend, flog ab und raste in den Bergungskran.

Jules Bianchi verunglückte in Japan 2014, weil er unter doppelt Gelb nicht genug verzögerte, Foto: Sutton
Jules Bianchi verunglückte in Japan 2014, weil er unter doppelt Gelb nicht genug verzögerte, Foto: Sutton

Als Folge wurde das Virtuelle Safety Car eingeführt. Hier ist die Geschwindigkeit klar vorgegeben. Es liegt nicht mehr im Ermessen der Fahrer. Außerdem wurde nach der Analyse des Unfalls vorgeschlagen, ein Geschwindigkeitslimit für Stellen einzuführen, an denen doppelt Gelb geschwenkt wird. Dieses Geschwindigkeitslimit gibt es bis heute nicht. Und so liegt es, sofern kein VSC ausgerufen wird, noch immer im Ermessen der Fahrer, wie stark sie die Geschwindigkeit reduzieren.

Fahrer gefährden nicht nur sich

Das Problem an dieser Sache ist: Geht ein Fahrer zu hohes Risiko, nimmt er die Gefahr nicht auf sich, sondern gefährdet andere. So tragisch Jules Bianchis Unfall war, letztendlich muss man froh sein, dass es keinen Streckenposten getroffen hat - denn Jules Bianchi ist das Risiko eingegangen, nicht ein Streckenposten.

Aus diesem Grund muss bei doppelt Gelb mit anderen Maßstäben gemessen werden. Ironischerweise wurde Nico Rosberg in seiner Medienrunde auch über Halo gefragt. Er will das System unbedingt. Aber der Fahrer entscheidet selbst, wie viel Risiko er eingeht, der Streckenposten eben nicht. Es ist eine Doppelmoral, die hier an den Tag gelegt wird - übrigens nicht nur von Nico Rosberg.

Denn auch, wenn die Daten letztlich gezeigt haben, dass Rosberg an dieser Stelle langsamer gemacht hat, signifikant ist das für mich keineswegs. Letztendlich gab es keine Gefahr, Alonso war längst weg. Aber das wusste Rosberg nicht.

Arschloch-Gen nicht auf Kosten Dritter

Andere Fahrer gehen bei doppelt Gelb mehr vom Gas, andere vielleicht noch weniger. Wir sagen oft, dass es im Motorsport ein Arschloch-Gen braucht, um erfolgreich zu sein. Ja, das mag sein, aber bitte nicht dann, wenn es um die Gefährdung Dritter geht. Und das ist bei den derzeitigen Regeln ganz klar der Fall - da kann Nico Rosberg nichts dafür.

Am Regelwerk muss hier definitiv nachgebessert werden, keine Frage. Trotzdem hätten die Stewards härter durchgreifen müssen. Nicht nur bei Rosberg, auch schon in Österreich, als es mehrere Fahrer erwischte. Das ist ein großes Versäumnis, das spätestens nach dem Bianchi-Unfall untragbar ist. Heute haben wir zum Glück nur darüber diskutiert, ob ein Fahrer bestraft wird oder nicht.