Der Großbritannien GP war das zehnte Rennen in dieser Saison. Die Formel-1-Rekordsaison 2016 umfasst 21 Grands Prix. Weil nach dem Ungarn GP gleich Deutschland kommt, ziehen wir nach 10 aus 21 die Halbzeitbilanz der Formel-1-Saison 2016. Als Vergleich dient der Stand nach dem Ungarn GP 2015 - das zehnte Rennen der vergangenen Saison, die mit 19 GPs etwas kürzer war.

Subjektiv ist diese Saison ein Knaller. Bis auf den Europa GP in Baku - auf einer Strecke, auf der alle das große Chaos erwartet hatten - war jeder Grand Prix 2016 überdurchschnittlich. Dabei sind die Regeln über den Winter stabil geblieben. Bis auf ein interessantes Detail: Die Reifen.

Pirelli hat mit dem Ultrasoft nicht nur eine gänzlich neue Mischung eingeführt, sondern bringt jetzt drei Reifenmischungen zu jedem Rennen, statt wie bisher zwei. Außerdem dürfen sich die Teams 10 der 13 Sätze für ihre Fahrer selbst aussuchen. Das hat vor allem zu Beginn der Saison die Rennen variabler gemacht. Somit gibt es nun unzählige Reifenstrategien.

Anzahl der möglichen Strategien

1 Stopp 2 Stopps 3 Stopps
2 Reifenmischungen
Theoretisch 2 x 1 = 2 2 x 2 x 1 = 4 2 x 2 x 2 x 1 = 8
Realistisch 1 x 1 = 1 1 x 2 x 1 = 2 1 x 2 x 2 x 1 = 4
3 Reifenmischungen
Theoretisch 3 x 2 = 6 3 x 3 x 2 = 18 3 x 3 x 3 x 2 = 54
Realistisch 1 x 2 = 2 1 x 3 x 3 = 9 1 x 3 x 3 x 2 = 18

Realistisch: Die Top-10 müssen auf den Reifen aus Q2 ins Rennen starten. In der Regel kommt hier nur eine Reifenmischung in Frage.

Gewinner und Verlierer 2016

Natürlich, der Vergleich mit der Vorsaison hinkt ein klein wenig. Erstens hat sich der Rennkalender geändert, so dass nicht die gleichen GPs in die Wertung eingehen, außerdem ist mit Haas ein elftes Team dazugekommen. Somit werden die 1010 Punkte durch elf und nicht mehr durch zehn geteilt. Mit 28 Punkten und Rang acht bei den Konstrukteuren ist Haas deshalb natürlich der größte Gewinner.

Mercedes verliert 48 Punkte
Mit 383 Punkten war Mercedes 2015 nach zehn Rennen nah am Maximum dran. In diesem Jahr stehen die Silberpfeile bei 335, also 48 Punkten weniger. 43 Zähler gehen alleine auf die Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton beim Spanien GP. Weitere fünf Punkte verlor Rosberg bei der Team-Kollision in Österreich. Für die Zuschauer ist der Punktverlust äußerst unterhaltsam - für Mercedes nicht. Außerdem kostet die Zuverlässigkeit in diesem Jahr Punkte. Trotzdem: Der Vorsprung auf den nächsten Verfolger ist größer. Weil die noch mehr Fehler machen und sich jetzt gegenseitig Punkte wegnehmen.

Ferrari näher dran und weiter weg
Ferrari hat im Vergleich zum Vorjahr Punkte eingebüßt. Mit 13,6 Prozent sogar einen Prozentpunkt mehr als Mercedes. Dabei war Ferrari Performance-technisch auf vielen Strecken deutlich näher dran an den Silberpfeilen. Allerdings sahen die Ferrari-Piloten in diesem Jahr insgesamt fünfmal die Zielflagge nicht, 2015 nur dreimal. Dazu kommen stärkere Formschwankungen und das widererstarkte Red Bull, das kräftig Punkte wegnimmt.

Red Bull kämpft teilweise sogar um Siege, Foto: Red Bull
Red Bull kämpft teilweise sogar um Siege, Foto: Red Bull

Red Bull größter Gewinner
Der einstige Dauerweltmeister hat in diesem Jahr sage und schreibe 102 Punkte mehr auf dem Konto. Das sind nach zehn Rennen mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Der Hauptgrund dafür: Das Auto ist schlichtweg viel schneller. Renault hat mit dem Motor einen großen Schritt gemacht, Red Bull beim Chassis. In Monaco war Red Bull sogar schneller als Mercedes. Aktuell liegt Red Bull nur sechs Punkte hinter Ferrari - bei besserer Tendenz als die Roten. Im vergangenen Jahr noch Vierter hinter Williams, in diesem Jahr vielleicht Zweiter vor Ferrari.

Williams größter Verlierer
Am meisten Punkte hat klar Williams verloren, nämlich 59 an der Zahl. Williams kann nicht mehr mit Ferrari und Red Bull mithalten. Der große Punktverlust resultiert aus den größeren Punktunterschieden für die vorderen Ränge. In Prozent hat Williams 'nur' 39 verloren. Renault hingegen 83 Prozent im Vergleich zum Lotus-Team im Vorjahr, Sauber sogar 100 Prozent. 2015 hatten die Schweizer noch 22 Punkte, in diesem Jahr null.

Force India und McLaren gewinnen
Force India lebte im vergangenen Jahr von der B-Spec in der zweiten Saisonhälfte. In diesem Jahr geht es von Anfang an richtig los. 73 statt 39 Punkte sind auf dem Konto. An der Platzierung ändert sich aber nichts. Anders bei McLaren: Der Honda-Aufschwung kommt auf dem Punktekonto an. Statt 17 sind es in diesem Jahr 32 Punkte. Somit Platz sieben statt neun -trotz eines Teams mehr.

Manor größter und kleinster Gewinner
Manor hat dank Pascal Wehrlein einen Punkt mehr als 2015 - und damit genau einen Punkt. Dieser eine Punkt bringt Manor vor Sauber. Das wiederum bringt viele, viele Millionen, weil der Elfte der Konstrukteurswertung mit 10 Millionen Dollar abgespeist wird, während der Zehnte mehr als 50 Millionen kassiert. Der Punkt ist nicht nur Resultat von Glück und eines guten Fahrers, sondern auch des größten Performance-Sprungs im Feld. Dank Mercedes-Power, Williams-Teilen und Top-Ingenieuren.

Kampf um den WM-Titel: Rosberg vs. Hamilton elektrisiert

Wenn sich Rosberg und Hamilton treffen, dann richtig, Foto: Sutton
Wenn sich Rosberg und Hamilton treffen, dann richtig, Foto: Sutton

Letztendlich ist es den meisten Fans egal, wo Force India, Manor oder Sauber landen. Auch Red Bull ist den meisten ziemlich egal, solang das Team nicht gewinnt. Die Fans wollen einen spannenden Kampf um den Sieg sehen. Und den haben viele im vergangenen Jahr vermisst. Hamilton krönte sich schon beim US GP in Austin zum Weltmeister. Erst danach kam Rosberg in Form.

In diesem Jahr führt Rosberg die Fahrer-WM seit Rennen eins an. Seitdem knabbert Hamilton stetig am Vorsprung seines Teamkollegen. Nach dem Großbritannien GP trennt die Mercedes-Piloten ein mickriges Pünktchen. 168 zu 167 für Rosberg.

2015 Lewis Hamilton Nico Rosberg Sebastian Vettel
Punkte 202 181 160
Siege 5 3 2
Podien 9 9 7
Poles 9 1 0
Ausfälle 0 0 0
2016 Lewis Hamilton Nico Rosberg Sebastian Vettel
Punkte 167 168 98
Siege 4 5 0
Podien 7 6 5
Poles 6 3 0
Ausfälle 1 1 3

Nach Siegen steht es fünf zu vier für Rosberg, Hamilton hat dafür ein Podium mehr. Bei den Poles hat der Brite mit sechs zu drei die Nase klar vorne. 2015 ließ sich die Statistik eindeutiger: 202 zu 181 Punkte für Hamilton, fünf zu drei Siege für den späteren Weltmeister und neun zu eins Poles. Nur bei den Podien stand es mit neun zu neun unentschieden.

Sicherlich hatte Hamilton 2016 mehr Technik-Pech als Rosberg, aber Rosberg hat sich im Vergleich zum Vorjahr klar verbessert, fährt jetzt vor allem im Zweikampf deutlich härter. Und das ist der einzige Schönheitsfehler der Saison: Auf der Strecke haben sich die Silberpfeile 2016 noch zu selten getroffen. Oftmals, weil beide wegen Zwischenfällen weit auseinander lagen. Wenn sie sich nahe kamen, dann aber wie in Barcelona oder Spielberg richtig nahe. Das gab es 2015 nicht. Rosberg hat im Zweifel zurückgezogen.

Für Sebastian Vettel ist die Saison noch nicht ganz so geil, Foto: Sutton
Für Sebastian Vettel ist die Saison noch nicht ganz so geil, Foto: Sutton

Und was macht eigentlich Sebastian Vettel? Im vergangenen Jahr war er gut gemeint mit 160 Punkten noch im erweiterten Favoritenkreis. Aktuell liegt er mit 98 Punkten abgeschlagen auf Rang fünf. Ohne die drei unverschuldeten Nuller wäre er in diesem Jahr wohl sogar näher dran. Ärgerlich, könnte er eigentlich noch richtig Würze vorne reinbringen.

Generation 2016 bricht Rundenrekorde

Ja, die Reifen sind in diesem Jahr weicher als im vergangenen Jahr. Ja, der Red Bull Ring wurde neu asphaltiert und ist deshalb viel schneller. Wer diese Behauptungen in den Raum stellt, dem sei gesagt: Zeiten kann man in der Formel 1 ohnehin nicht vergleichen. Andere Temperaturen und stärkerer Wind sind noch die kleinen Variablen. Wenn Rundenrekorde fallen, sprechen wir meist von Zeiten aus 2003 oder 2004.

Die Generation 2016 bricht Runden- und Geschwindigkeitsrekorde, Foto: Sutton
Die Generation 2016 bricht Runden- und Geschwindigkeitsrekorde, Foto: Sutton

Damals war in der Formel 1 mehr anders, als weichere Reifen und anderer Asphalt. Die Reifen hatten damals Rillen, die Motoren haben dafür das Doppelte verbraucht. Die Aerodynamik war im Vergleich zu heute fast unbeschränkt. Trotzdem vergleichen wir gerne Zeiten.

Die Generation 2016 bricht Rekorde: Rundenrekorde in Bahrain, Spielberg und Silverstone sind nette Argumente für ewige Nörgler, denen die Formel 1 zu langsam ist. Die weicheren Reifen werden oftmals von deutlich höher vorgeschriebenen Startdrücken kompensiert. Trotzdem ist die Formel 1 2016 überall, wo sie fährt, deutlich schneller als 2015.

Die durchschnittlichen Qualifying-Zeiten sind fast zwei Sekunden schneller als im vergangenen Jahr. Mehr Abtrieb, mehr Leistung und weichere Reifen machen die Hybrid-Formel auf eine Runde sauschnell. Und auch bei der Höchstgeschwindigkeit gibt es einen neuen, absoluten Rekordwert: Valtteri Bottas fuhr in der Innenstadt von Baku 378 Stundenkilometer.