Eigentlich könnte Mercedes zufrieden sein: Im Qualifying zum Österreich GP landeten Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf den Plätzen eins und zwei. Wäre da nicht der Aufhängungsschaden an Rosbergs Silberpfeil im 3. Freien Training gewesen. Beim daraus resultierenden Unfall wurde das Getriebe beschädigt, weshalb Rosberg den Österreich GP fünf Plätze weiter hinten aufnimmt.

Aber das ist nicht Mercedes' größte Sorge: Das Weltmeisterteam fürchtet, dass das Problem nicht aus der Welt geschafft ist. Als Reaktion auf den Schaden wurden die hinteren Querlenker mit einer zusätzlichen Lage Karbon verstärkt.

"Mit den Parc-Ferme-Regeln sind wir vielleicht auf der guten Seite, weil wir die Aufhängung schon verstärkt haben", gab Mercedes Motorsportchef Toto Wolff zu Bedenken. "Aber wir haben einige Schäden an verschiedenen Autos mit unterschiedlichen Aufhängungsdesigns gesehen. Da muss es eine Reaktion geben", fordert Wolff.

Toro Rosso und Force India ebenfalls betroffen

Daniil Kvyat zerlegte wegen des Aufhängungsdefekts den Toro Rosso komplett, Foto: Sutton
Daniil Kvyat zerlegte wegen des Aufhängungsdefekts den Toro Rosso komplett, Foto: Sutton

Im Qualifying kollabierte auch die Aufhängung am Toro Rosso von Daniil Kvyat und am Force India von Sergio Perez. Während Perez glimpflich davon kam, verunfallte Kvyat spektakulär. Kurios: Nicht die gelben Wurst-Kerbs, die von einigen Fahrern vor dem Wochenende kritisiert wurden sind das Problem, sondern die normalen rot-weiß lackierten permanenten Betonkerbs.

Wolff erklärt: "Anfangs sah es so aus, als hätten wir Belastungsspitzen. Aber die Analysen haben gezeigt, dass die Kräfte nicht so hoch waren. Es sind komische Frequenzen oder Schwingungen am Reifen, die die Aufhängung brechen lassen. Ich weiß nicht, was die FIA macht. Vielleicht werden die Kerbs abgefräst oder mit Beton aufgefüllt."

Doch die Chancen, dass an der Strecke Hand angelegt wird, stehen nicht gut. Die FIA machte am Samstagabend keine Anstalten, noch Änderungen vorzunehmen. "Mit Beton füllen, würde vermutlich gar nicht halten", sagt Streckenarchitekt Hermann Tilke zu Motorsport-Magazin.com. Höchstens abfräsen wäre möglich.

Williams' Rob Smedley ist strikt gegen Veränderungen: "Wir können deswegen nicht anfangen, alle Strecken aufzureißen. Solche Kerbs wie bei Rosberg sind überall. Es gibt 101 negative Kerbs wie diesen. Wo anders ist nichts geschehen. Wir können nicht sagen, dass es daran gelegen hat. Vielleicht war es an einer anderen Stelle, vielleicht hat es woanders einen Knacks wegbekommen."

Hohes Grip-Niveau schuld an Schäden

Dass an der Strecke tatsächlich noch Änderungen vorgenommen werden, ist unwahrscheinlich. Experten meinen: Besagte Teams haben ihre Aufhängung einfach nicht stark genug ausgelegt. Dass beim Überfahren der Kerbs die zerstörerische Eigenfrequenz für die Schäden verantwortlich ist, glauben sie nicht. Erstens haben unterschiedliche Designs auch unterschiedliche Eigenfrequenzen, außerdem wirkt diese wenn dann relativ kurz, weil die Autos nicht mit konstanter Geschwindigkeit über die Kerbs fahren und sich somit die Frequenz immer ändert.

Motorsport-Magazin.com nahm die Kerbs in Spielberg schon vor den Schäden unter die Lupe, Foto: Motorsport-Magazin.com
Motorsport-Magazin.com nahm die Kerbs in Spielberg schon vor den Schäden unter die Lupe, Foto: Motorsport-Magazin.com

Insider meinen, dass das extrem hohe Grip-Niveau zusammen mit den neuen Negativ-Kerbs, die für die MotoGP installiert wurden, zu oszillierenden Kräften führen. Beim Überfahren der Kerbs hebt der Reifen immer wieder leicht ab. So kommt es, dass - vor allem mit den Ultrasoft-Reifen - auf dem neuen Asphalt extrem viel Grip ist, die Reifen also enorme Drehmomente übertragen und dann beim Abheben am Kerb die Kraft gleich null ist. Sobald der Reifen wieder auf dem Kerb aufliegt, schellt die Kraft wieder in die Höhe und so weiter. Dazu kamen am Samstag extrem hohe Streckentemperaturen, die die Reifen zusätzlich am Asphalt und auf den Kerbs haften ließen.

Das Problem für die betroffenen Teams: Die zu aggressiv ausgelegten Aufhängungen können nicht so einfach verstärkt werden. Bei Mercedes ist fraglich, ob die Karbonlage die gewünschte Sicherheit bringt. Die Frage ist, was bei einem Aufhängungsbruch genau kaputt geht. Ist es das Karbon der Querlenker? Falls ja, hilft eine Verstärkung wie bei Mercedes.

Querlenker selbst nicht das Problem

Experten aber glauben, dass vor allem die Inserts Probleme bereiten. An den Enden der Karbon-Querlenker sind Metallteile angebracht. Sie sind die Verbindungspunkte zwischen Querlenker und Radträger und Querlenker und Chassis. Hier sind Änderungen komplizierter. Die Verklebung kann nicht einfach so verbessert werden, weil hier ohnehin schon alle versuchen, das Maximum herauszuholen. Eine Möglichkeit wäre, die Kontaktfläche zu vergrößern. Das ist aber eine kompliziertere Angelegenheit.

Eine weitere Frage lautet: Warum kam es nur am Samstag zu den Schäden, nicht aber am Freitag? Alle Aufhängungsschäden passierten im Qualifying oder in der Qualifying-Simulation. Durch stärkeres Überfahren der Kerbs und mehr Bewegung im Fahrzeug sind die Belastungen stärker, Kräfte wirken teilweise auch in andere Richtungen.

Die Aufhängung an Sergio Perez' Force India brach während Q1 des Österreich-Qualifyings, Foto: Sutton
Die Aufhängung an Sergio Perez' Force India brach während Q1 des Österreich-Qualifyings, Foto: Sutton

Ingenieure vermuten, dass man auch mit Änderungen am Setup die Fahrzeuge sicherer gestalten könnte. Mit Sturz und Spur lassen sich die Kräfte anders in die Bauteile leiten. Allerdings würde man in diesem Fall die Parc-Ferme-Regelungen brechen. Die einfachste und sicherste Lösung aber wäre: Weg von den Kerbs bleiben.

Das sagen die Piloten zur Kerb-Diskussion:

Lewis Hamilton: "Ich kann nicht für die anderen Fahrer sprechen, aber aus meiner Sicht sind die gelben Kerbs recht gefährlich. Wir haben bereits ein paar Zwischenfälle gesehen. Ich wäre dafür, einfach Gras hinzumachen. Es ist nicht gefährlich für das Auto, wenn man drüberfährt, aber es ist rutschig. Du würdest nicht pushen und nicht dort hinfahren, denn es ist Gras. Du würdest wahrscheinlich langsamer durch die Kurven fahren und nicht riskieren, aufs Gras zu kommen."

Sebastian Vettel: "Die Kerbs selbst sind in Ordnung, nur was sich dahinter verbirgt ist nicht so gut für die Autos. Man darf nicht drauffahren, aber das ist schnell passiert. Spätestens jetzt weiß aber jeder, dass es nicht so gut ist. Wir müssen eine Lösung für nächstes Jahr finden, die besser funktioniert."

Daniel Ricciardo: "Ich hatte nicht wirklich Probleme, denn ich behandele sie wir eine Mauer. Ich weiß, wenn ich sie treffe, beschädige ich mir mein Auto. Ich mag, dass es hier einfach nur schwarz oder weiß gibt. Es gibt so viele Strecken, auf denen sich die Fahrer beschweren, dass du einfach von der Strecke runterfahren kannst und nicht dafür bezahlst. An diesem Wochenende bezahlen wir dafür. Natürlich sind die Beschädigungen an den Autos recht heftig, aber es ist das gleiche, wenn du auf einem Straßenkurs die Wand triffst. Die Kerbs sind hoch genug und breit. Ich denke ehrlich, dass sie einen guten Job machen und es ein guter Kompromiss ist, um uns auf der Strecke zu halten."

Jenson Button: "Zwischenfälle wie heute sind nie schön zu sehen. Einige hingen mit den Kerbs zusammen. Ich weiß nicht, was Nicos Problem war, aber man möchte das nicht sehen. Glücklicherweise gibt es hier große Auslaufzonen. Hoffentlich finden wir heraus, was die Probleme verursacht hat und es kommt am restlichen Wochenende zu keinen Zwischenfällen mehr."

Nico Rosberg: "Man sollte dort nicht drüberfahren. Leute, die das tun, zerstören sich Teile. Ich wüsste allerdings auch keine Alternative. Die größere Sorge ist mein Unfall, weil ich über einen normalen Kerb gefahren bin."

Daniil Kvyat: "Selbst eine Mauer wäre sicherer, weil man weiß, was passiert. Sie müssen die gelben Kerbs abmontieren. Sie haben einen Fehler gemacht und müssen ihn zugeben - das ist dumm! In der letzten Kurve gibt es kein Tracklimit. Es gab am Samstag drei weitere Aufhängungsschäden bei drei unterschiedlichen Teams auf den Kerbs. Die Verantwortlichen müssen eine bessere Lösung finden. Wir sind Rennfahrer und gehen ans Limit. Wenn man uns zwei Kilometer Auslaufzone geben würde, würden wir sie komplett ausreizen."