Der Formel 1 schlägt in Sachen Europa GP in Aserbaidschan erneut Kritik von Menschenrechtlern entgegen. Dabei geht es nicht um die erstmalige Ausrichtung des Rennens am 19. Juni in dem autoritär regierten Land. Die Aktivisten sind vielmehr verärgert, weil die Verantwortlichen der Königsklasse zum Thema schweigen oder es sogar verharmlosen.

Mitarbeiter der Kampagne "Sport for Rights" haben sich jetzt mit zwei Vertretern des Formula One Managements getroffen und über diese Fragen gesprochen. Rebbecca Vincent, Chefin der Organisation, sagte dazu: "Wir haben Bernie Ecclestone aufgefordert, öffentlich zu Menschenrechts-Themen in Aserbaidschan Stellung zu nehmen. Wir haben ihm einen offenen Brief geschrieben, aber es gab bislang noch keine öffentliche Antwort."

Der Formel-1-Boss hatte sich vor einem Jahr wie folgt zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan geäußert: "Ich denke, alle scheinen glücklich zu sein. Es scheint dort kein großes Problem zu geben." Vincent nahm darauf nun Bezug: "Ecclestone selbst hat einige nicht hilfreiche Kommentare zum Thema abgegeben und wir erwarten mehr davon, denn das scheint seine Natur zu sein."

Bernie Ecclestone wird von Menschenrechtlern zu einem Statement aufgefordert, Foto: Sutton
Bernie Ecclestone wird von Menschenrechtlern zu einem Statement aufgefordert, Foto: Sutton

Phil Bloomer, Geschäftsführer des "Business and Human Rights Resource Center" in London, wurde ebenso deutlich. Dem Ecclestone-Zitat hielt er entgegen, dass man nur "fünf Minuten googeln" müsse, um zu sehen, was wirklich in dem Land passiere. Der Aktivist betonte, dass seine Organisation prinzipiell nichts gegen ein Formel-1-Rennen in Aserbaidschan einzuwenden habe. "Wir verlangen nicht, dass das Rennen abgesagt wird, wir fordern die Leute nicht zum Boykott auf. Wir wollen, dass Herr Ecclestone die Gelegenheit nutzt, um sich entgegenzustellen, statt Repressionen zu ermöglichen", teilte Bloomer mit.

Die Regierung von Aserbaidschan steht seit längerer Zeit für ihren Umgang mit Menschenrechten in der Kritik. Amnesty International sprach im jüngsten Jahresbericht davon, dass die Unterdrückung der Zivilgesellschaft und die Verfolgung Andersdenkender im Land nach wie vor weitergehe. Menschenrechts-Beobachter seien ausgewiesen worden. Die Bild-Zeitung zitierte kürzlich den Journalisten Emin Milli, der beim aserbaidschanischen Exil-Sender "Meydan TV" in Berlin arbeitet: "Die Rennfahrer werden an Gebäuden entlang fahren, in denen gefoltert wird."

In der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" belegt Aserbaidschan aktuell den 163. von 180 Plätzen. Zum Vergleich: Österreich ist Elfter, Deutschland liegt auf Rang 16. Beim Thema Korruption sieht es kaum besser aus: In der entsprechenden Liste von "Transparency International" ist Aserbaidschan 119. von 168 bewerteten Staaten (Deutschland 10., Österreich 16.). Eine Mehrheit der User von Motorsport-Magazin.com hatte sich im vergangenen Jahr in einer Umfrage gegen Rennen der Königsklasse in autoritär regierten Staaten ausgesprochen.

Journalist Milli kritisierte auch die hohen Kosten des Rennens in Aserbaidschan. Das Land hat wirtschaftliche Probleme. Es wurde als Öl-Exporteur stark vom niedrigen Preis des Rohstoffs getroffen. Die Landeswährung Aserbaidschan-Manat verlor an Wert, die Preise stiegen, die Löhne jedoch sanken. "Viele Menschen fragen sich, warum Millionen in die Formel 1 investiert werden", sagte Milli.

Architekt Hermann Tilke und FIA-Renndirektor Charlie Whiting inspizieren die Strecke in Baku, Foto: BCC
Architekt Hermann Tilke und FIA-Renndirektor Charlie Whiting inspizieren die Strecke in Baku, Foto: BCC

Ein Grund dafür, dass die Regierung dennoch die Königsklasse ins Land geholt hat, dürfte der folgende sein: Laut Menschenrechtlern werden internationale Großveranstaltungen wie der Eurovision Song Contest, die Europaspiele 2015 oder eben der Formel-1-GP von Präsident Ilham Aliyev immer wieder genutzt, um das weltweite Image des Landes aufzupolieren.